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Schleswig 1848.

Der Norden übt die Demokratie.

In den 1840er Jahren kam es in ganz Europa zu Unruhen. Das Bürgertum probte den Aufstand gegen die Feudalherren. Die Unruhen in den vom dänischen König-Herzog regierten Ländern bargen den Sprengstoff, die Ordnung des Wiener Kongresses in die Luft zu jagen, Österreichs Vorherrschaft in Deutschland zu beenden und die Bildung eines deutschen Nationalstaates auf den Weg zu bringen.

up ewig ungedeelt.

Der König von Dänemark regierte als Herzog Schleswig, Holstein und Lauenburg. Holstein und Lauenburg waren Teil des Deutschen Bundes.

Schleswig war Teil Dänemarks, wenn auch überwiegend von Deutschen bevölkert. Es besaß mit Holstein einen gemeinsamen ständischen Landtag und andere gemeinsame Institutionen.

Damit nicht genug. In dem 1460 von Christian I. mit den Ständen Schleswigs und Holsteins geschlossenem Vertrag, der Wahlkapitulation ist zu lesen [ 1] :

»Die Lande Schleswig und Holstein sollen zu ewigen Zeiten ungetheilt zusammen bleiben; und so oft die Lande offen werden, soll eins von den Kindern des letzten Regenten, und wenn deren keine da sind, ein andres Mitglied des Oldenburgischen Fürstenhauses, einer der nächsten Verwandten des Stammvaters, zu einem Herrn gewählt werden. Hinterläßt der Regent nur Einen Sohn, der König zu Dänemark wäre, so kann dieser zum Landesherrn gewählt werden, insofern er die Landesprivilegien zu bestätigen bereit ist, sonst soll die Wahl auf den nächsten Erben fallen«.

Der Anspruch Holsteins und Lauenburgs auf eine Landständische Verfassung wurde ihnen als Mitglieder des Deutschen Bundes vom Wiener Kongreß zugesagt. Um den dänischen Reichsteil gleich zu stellen erhielten auch Schleswig, Jütland und die dänischen Inseln jeweils eine eigene beratende Ständeversammlung [ 2].

Christian VIII., dessen einziger Sohn Friedrich keine männlichen Nachkommen haben würde, versuchte in einem Rundbrief vom 8. Juli 1846 die Möglichkeit der weiblichen Erbfolge auf Schleswig auszudehnen. Damit wäre die Teilung Schleswig-Holsteins vorprogrammiert gewesen, da in Holstein (Teil des deutschen Bundes) die männliche Erbfolge nach dem Salischen Gesetz weiterhin Gültigkeit behielt. Gemäß der männlichen Linie, würde die Herrschaft über Schleswig und Holstein an die Fürsten zu Sonderburg-Augustenburg fallen [ 3] [ 4].

Der auf Ausgleich bedachte König wurde von Protesten der dänischen Nationalisten wie von Protesten aus Schleswig-Holstein erschüttert. In Kopenhagen wurde eine Gesamtstaatsverfassung vorbereitet. Am 20. Januar 1848 starb Christian VIII. [ 5].

Die bei Thronbesteigung Friedrichs VII. 1848 angekündigte freisinnige Verfassung sollte den Herzogtümern gleich viele Abgeordnete zugestehen, wie Dänemark, doch die Bevölkerung Schleswigs und Holsteins strebte nach Unabhängigkeit. Um das Ziel zu erreichen bedurfte es einer Revolution, der Bildung einer eigenen Volksvertretung und Regierung. Die Dänen machten es den Schleswig-Holsteinern nach [ 6].

Im Herrschaftsbereich des dänischen König-Herzogs existierten nun zwei national-liberale Regierungen: die dänisch und schleswigsche Regierung mit Sitz in Kopenhagen sowie die schleswig-holsteinische mit Sitz in in Kiel.

Letzterer gehörten u.a. Prof. Beseler, Prinz Friedrich zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und Graf Reventlow an. Der dänische König Friedrichs VII. fürchtete um seine Krone und unterwarf sich der Regierung in Kopenhagen, die auf die Herzogtümer nicht verzichten wollte.

Das veranlaßte die Regierung in Kiel um die Aufnahme des geeinten Herzogtums Schleswig-Holstein beim Deutschen Bund nachzusuchen [ 7].

Die provisorische Regierung übernahm innerhalb weniger Tage die Kontrolle über das Land und machte sich an die Erarbeitung eines Verfassungsentwurf. Eine aus direkter Wahl hervorgegangene Landesversammlung tritt zusammen.
Freikorps werden aufgestellt und erhalten Zulauf aus ganz Deutschland.

Der Deutsch-Dänische Krieg von 1848-50.

Am 29. März drangen die Dänen in Schleswig ein und besetzten es. Die vom Deutschen Bund zur Unterstützung gesandten Truppen unter dem Oberbefehl des preußischen Generals Wrangel schlugen die Dänen zurück. Am 26. Aug. wurde in Malmö ein Waffenstillstand geschlossen, der jedoch am 22. Febr. 1849 von den Dänen aufgekündigt wurde.

Ein neues deutsches Bundesheer unter dem preuß. General von Prittwitz zog in Schleswig ein. Daß preußische Soldaten »überall an politischen Demonstrationen offen teilnahmen und ihre durchaus nicht orthodoxen Gesinnungen ungescheut aussprachen [ 8] mag erstaunen, entsprach der Politik wie der Stimmung in Deutschland. Die Dänen wurden nach Jütland zurückgedrängt und nach einer Reihe von Gefechten gelang es am 10. Juli 1849 einen Waffenstillstand zu vereinbaren, dem am 2. Juli 1850 der Friedensschluß zu Berlin folgte, dessen Bedingungen für die Schleswig-Holsteiner allerdings inakzeptabel waren.

Schleswig-Holstein setzte unter General Willisen, ab 7. Dez. unter General von der Horst den Krieg alleine doch erfolglos fort, und mußte am 11. Jan. 1851 die Bedingungen des auf Frieden dringenden Deutschen Bundes akzeptieren [ 9].

»Und wer ist von Anfang an auf Seite Dänemarks gewesen? Die drei konterrevolutionärsten Mächte Europas: Rußland, England und die preußische Regierung. Die preußische Regierung hat so lange sie konnte einen bloßen Scheinkrieg geführt, man denke an Wildenbruchs Note, an die Bereitwilligkeit, mit der sie auf englisch-russische Vorstellungen hin den Rückzug aus Jütland befahl und schließlich an den zweimaligen Waffenstillstand! Preußen, England und Rußland sind die drei Mächte, die die deutsche Revolution und ihre erste Folge, die deutsche Einheit am meisten zu fürchten haben: Preußen weil es dadurch aufhört zu existieren, England weil der deutsche Markt dadurch seiner Exploitation [Ausbeutung] entzogen wird, Rußland weil die Demokratie dadurch nicht nur an die Weichsel, sondern selbst an die Düna und den Dniepr vorrücken muß. Preußen, England und Rußland haben komplottiert gegen Schleswig-Holstein, gegen Deutschland und gegen die Revolution [10]

Für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. war der Staat keine »Verkörperung der lebendigen Kräfte geschichtlicher Kontinuität, er war ein künstliches Gebilde, dessen Anspruch auf universelle Autorität die ältere und heiligere Autorität der Krone… verletzte« [11]

Der preußische Bevollmächtigte (Wildenbruch?) in Kopenhagen an den dänischen Außenminister am 8. April 1848:
»Preußen wünscht vor allen Dingen die Herzogtümer Schleswig und Holstein ihrem König-Herzog zu erhalten….
Im Interesse Dänemarks aber sowie dem aller Nachbarstaaten liegt es, daß die deutschen Fürsten sich der Angelegenheiten kräftig annehmen, und einzig der Wunsch, die radikalen und republikanischen Elemente Deutschlands zu verhindern…[12]

Die Konservierung des Konfliktes.

Dank der Intervention der Großmächte, wurde der Ausflug in die Demokratie zwischen Nord- und Ostsee beendet. Der Konflikt zwischen Dänen und Schleswig-Holsteinern blieb erhalten, wurde konserviert, wobei sich die Großmächte in den Londoner Verhandlungen die Rolle von Garantiemächten zur Bewahrung des status quo aneigneten.

Londoner Protokoll vom 2. August 1850 [Übersetzung s.u.]:
 
»§ 1. Le désir unanime des dites Puissance est que l’état des possessions actuellement réunies sous la domination de S. M. Danoise soit maintenu dans son intégrité.«

Die Erbfolge solle so geregelt werden, daß die Beziehungen Holsteins zum Deutschen Bund nicht beeinträchtigt werden.

» § 2. En conséquence elles reconnaissent la sagesse des vues, qui déterminent S. M. le Roi de Danemark à régler eventuellement l’ordre de succession dans Sa Royale Maison, de manière à faciliter les arrangements au moyen desquels le but ci-dessus mentionné pourra être atteint sands altérer les relations du Duché de Holstein avec la Confédération Germanique.«

In Dänemark entstand der gefährliche Irrglaube, daß die durch die Großmächte herbeigeführte Zementierung der Stellung Schleswig-Holsteins nicht der Niederschlagung der Demokraten und der Bekämpfung der deutschen Einigungsbewegung geschuldet war, sondern ein Akt britischer Nächstenliebe zur Verteidigung Dänemarks.
Dank Bismarck fielen die Dänen aber schon 1864 von diesem Glauben ab [13].

Übersetzung:

§ 1 Der einhellige Wunsch der genannten Mächte ist es, dass der Zustand der Besitzungen, die derzeit unter der Herrschaft S.M. des Königs von Dänemarks vereint sind, in seiner Integrität bewahrt wird.

§ 2 Infolgedessen anerkennen sie [die Mächte] die Vernünftigkeit der Ansichten, die S. M. den König von Dänemark veranlassen, die Erbfolge in Seinem Königlichen Hause gegebenenfalls so zu regeln, die Vereinbarungen zur Erbfolge dahingehend zu erleichtern, um das oben erwähnte Ziel zu erreichen, ohne die Beziehungen des Herzogtums Holstein zum Deutschen Bund zu beeinträchtigen.

Quellen:

[ 1] Fontane, Theodor, Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864, Berlin 1866, S. 16
[ 2] Adriansen/Christensen, Der Zweite Schleswigsche Krieg 1864, Museum Sønderjylland – Sønderborg Slot und Tøjhusmuseet 2013, S. 4ff
[ 3] Obermann, Karl, Deutschland von 1813 bis 1849, Berlin 1976, S. 331f
[ 4] Clarck, Christopher, Preußen Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947, München, 2008, S. 562
[ 5] Fontane, Theodor, a.a.O., S. 22
[ 6] Neue Rheinische Zeitung Nr. 99 vom 10.09.1848, S. 2
[ 7] Obermann, Karl, a.a.O., S. 332
[ 8] Engel, Friedrich, Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei in Marx/Engels Werke Band 16, Berlin 1975, S. 63
[ 9] Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, Bnd. 1, Leipzig 1911, S. 414ff
[10] Neue Rheinische Zeitung a.a.O.
[11] Clarck, Christopher, a.a.O., S. 503
[12] Obermann, Karl, a.a.O., S. 334
[13] Adriansen/Christensen, a.a.O., S. 10