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Das Komplott.

Napoleon wurde besiegt und machte damit Platz für die neuen Feinde eines geeinten Deutschlands.

Das russisch-preußische Bündnis hatte sich auf den Schlachtfeldern als unüberwindlich erwiesen. Demgemäß war es oberstes Ziel der englischen Politik, dieses Bündnis zu zerstören. Polen lag zwischen Rußland und Preußen, was es dazu qualifizierte den Gegenstand einer Scheindebatte abzugeben, den Konflikt zwischen Preußen und Rußland hervorzurufen.

Der englische Außenminister Robert Stewart Marquess of Castlereagh lud Metternich und Hardenberg zu einer Konferenz. Sie fand am 23. Okt.1814 statt.
Castlereagh versprach Preußen – wenn es denn sein Bündnis mit Rußland aufgäbe – Sachsen. Man dachte allerdings nie daran, dies Versprechen einzulösen [A].

Alexander plante, den König von Sachsen, seinerzeit durch Napoleons Gnaden Herzog von Warschau, in Warschau abzulösen, sich selbst zum König von Polen küren zu lassen und Polen die freiheitlichste Verfassung Europas zu gewähren, wohl auch, um seinen reaktionären Gegnern in Rußland eine fortschrittliche Hausmacht entgegenstellen zu können.
Zum König von Sachsen sollte der König von Preußen werden. So war das mit Preußen abgemacht [ 1][ 2].

Der Wiener Kongreß

Vor Beginn des Wiener Kongresses am 1. Nov. 1814 mußte ein vertrauensvolles Zusammenwirken von Preußen und Rußland sichergestellt werden [B]. König Friedrich Wilhelm III. zitierte Hardenberg zu sich und machte ihm in Gegenwart Kaiser Alexander I. klar, daß keine Seperatverhandlungen mit Castlereagh und Metternich zu führen sind. Am 8. Nov. 1814 trat der russische Gouverneur von Sachsen zurück und die Verwaltung Sachsens wurde in die Hände eines preußischen Gouverneurs gelegt [ 3].
Alexander hielt Wort und Hardenberg – der zwar immer noch nicht erkannte, was gespielt wurde – erwies sich als loyaler Vertreter Preußens und des preußischen Königs.

Metternich ließ die Öffentlichkeit gegen Preußen und Rußland aufbringen und besorgte sich zudem ein neues Verhandlungsphantom:
Preußen sollte aus dem Deutschen Bund ausscheiden (vorgetragen durch einen Vertreter der kleineren süddeutsche Staaten). Das war die Peitsche; als Zuckerbrot bot sich Metternich selbst an, der in seiner Güte Preußen in den Deutschen Bund zurückholen würde, wenn es seine Freundschaft zu Rußland aufkündige.

Selbst Hardenberg verlor die Fassung, lief mit vertraulichen Briefen Metternichs zum russischen Kaiser. Der las die Briefe und wollte Metternich erschießen. Kaiser Franz II. von Österreich beruhigte Alexander, indem er diesem klar machte, daß esĀ  Metternich nicht Wert sei, von einem Kaiser erschossen zu werden [ 4].

Castlereagh und Metternich verstärkten ihre Verhandlungsposition weiter, indem sie die Franzosen auf ihre Seite zogen und zur Teilnahme am Wiener Kongreß einluden [ 5]. Am 3. Januar 1815 verbündeten sich England, Frankreich und Österreich zum Krieg gegen Preußen und Rußland [ 6][ 7]. Mehr hierzu findet sich in den Anmerkungen.

Die Aufteilung der Welt.

Alexander I. ging nun auf Castlereagh zu und unterbreitete ihm einen Kompromißvorschlag. Die dann auf dem Wiener Kongreß vereinbarte Regelung der Territorialfragen muß unter dem Strich als Erfolg für Rußland wie für Preußen gewertet werden [ 8].

Die Forderung Englands, Russland hinter die Weichsel zurückzudrängen, ließ sich nicht durchsetzen. Preußen mußte seinen Anspruch auf ganz Sachsen aufgeben und erhielt lediglich 20% des sächsischen Territoriums von 1806 (das sind etwa 50% der Fläche Sachsens 1814) zugesprochen, konnte allerdings durch größere Gebietserweiterungen am Rhein diese „Schmach“ locker wegstecken.

Rußland überließ Preußen Posen sowie Österreich einige Regionen im Süden des ehemals sächsischen Herzogtums Polen. Alexander sicherte sich die Möglichkeit in Polen und Finnland seine Vorstellungen einer konstitutionellen Monarchie umzusetzen.

Auch hinsichtlich der Schweiz konnte sich der Kaiser von Rußland durchsetzen, was diesem Land eine vertraglich zugesicherte, immerwährende Neutralität einbrachte. Seiner Forderung in Frankreich eine konstitutionelle Monarchie zu errichten, wurde, wenn auch nur zum Schein, nachgekommen.

Auch England belohnte sich fürstlich: Als Gegenleistung dafür, daß es Wilhelm von Oranien die Niederlande, inklusive Aachen und Köln sowie Belgien und Luxemburg wie auch dem Kronprinzen von Oranien die Hand der Prinzessin Charlotte von Wales versprach, erhielt es Zypern, Südafrika, Demararas, Essequibos und Berbices [ 9].
Der Kaiser von Rußland fand das in Ordnung, übernahm der frisch zu backende König der Niederlande Wilhelm I. Verbindlichkeiten in Höhe von 25 Mio. Gulden, die Alexander zu Zeiten der Jakobinerkriege bei Hope & Co. in Amsterdam eingegangen war. England, dankbar für die Kapkolonie der Niederländer beteiligte sich an der Tilgung [10].

Anmerkungen:

Um genau zu sein, das Bündnis wurde offiziell am 3. Januar abgeschlossen, inoffiziell existierte es schon früher. Bereits am 16. Dez. erfuhr Hardenberg von Ernst Graf von Münster, dem Vertreter Hannovers auf dem Wiener Kongreß von der Existenz eines solchen Bündnis.
Daß Hardenbergs „kriegerische Rede“ vom 31. Dezember Anlaß zur Bildung des geheimen Kriegsbündnis gewesen wäre, kann also nicht sein, da zu dem Zeitpunkt das Bündnis bereits existierte.
Inhaltlich handelte es sich bei der Rede Hardenbergs um die Ankündigung, das eh schon besetzte, Sachsen zu annektieren.
Das ist an sich keine Kriegsdrohung, sondern maximal ein mehr oder weniger belastbarer Grund, Preußen seinerseits den Krieg zu erklären.
Das am 3. Januar abgeschlossene Bündnis war – im Gegensatz zum inoffiziellen Bündnis – ein „geheimes“ Kriegsbündnis, vermutlich um die beschleunigte Verbreitung der Nachrichten von seinem Zustandekommen sicher zu stellen:
Die Tinte unter dem Vertrag war noch nicht trocken, als Preußen von diesem Theaterdonner erfuhr.

Mehr Sinn macht anzunehmen, daß das geheime Kriegsbündnis geschlossen wurde, weil Preußen, ebenso wie Österreich und England, keinen Krieg führen wollte.
»Dieser [der preußische Kanzleidiener Veith] äußerte kürzlich zu einem
Vertrauten, der unter dem Namen eines ehemaligen preußischen Offiziers an ihn herangeschickt wurde: „Preußen wird es mit der Räumung Sachsens nicht aufs äußerste ankommen lassen. Einen zweiten Krieg können wir nicht aushalten,
denn England gibt keine Subsidien“. Daß wir viel fordern, ist uns nicht zu verargen, allein wir lassen mit uns handeln.« So steht es in einem Polizeibericht vom 23. Dezember 1814 [11].

Das erst durch England ermöglichte Bündnis, ist die Vorwegnahme der Metternich’schen Heiligen Allianz.

Anhang:

[A] Der 1839 geborene Kriegshistoriker Oscar von Lettow-Vorbeck läßt die Unaufrichtigkeit des Angebotes in zwei Sätzen (siehe S. 13 a.a.O.) deutlich werden: »Es lag im Interesse Österreichs, zuerst die Frage mit Polen zu regeln, gelang es, Preußen dort möglichst viel zuzuwenden, dann konnten dessen Ansprüche an Sachsen zurückgeschraubt werden. Um nun den preußischen Minister Hardenberg hierfür zu gewinnen, wurden diesem weitgehende, aber nicht bindende Versprechungen in bezug auf Sachsen gemacht.«

England stimmte, der letztlich vom Kongreß gebilligten Lösung, größere Teile Sachsens Preußen anzugliedern, nur unter der Bedingung zu, daß der Handelsplatz Leipzig nicht an Preußen fiele [12]; was er aber getan hätte, wenn – wie von England in Aussicht gestellt – ganz Sachsen an Preußen gefallen wäre. Das Angebot war also nichts weiter als ein Köder, hingeworfen in der Absicht Hardenberg auf die englisch-österreichische Seite zu ziehen, d.h. das kriegsentscheidende russisch-preußische Bündnis zu sprengen.

[B] Wilhelm von Humboldt in seiner Denkschrift vom 9. November 1814 an den König von Preußen:
»Preußen allein sieht jetzt die Sache aus ihrem wahren Gesichtspunkte an…
Es fühlt, daß Rußlands Forderungen dem preußischen Interesse, nachteilig sind. Allein es sieht auf der anderen Seite ein, daß in der jetzigen Lage der Dinge beharrliches Entgegenstreben gegen die Pläne Rußlands, Verweigern der Anerkennung seiner in Anspruch genommenen polnischen Besitzungen und daraus früher oder später entstehender Krieg unpolitisch sind, und daß der wahre Endzweck weit besser durch augenblickliche Nachgiebigkeit, darauffolgende Konsolidation der Staaten und nachherige feste Verbindung erreicht werden würde.
In dieser Lage hat Preußen das größeste Interesse, den Bruch, wenn derselbe auch noch lange kein Krieg wäre, zu verhindern[13]

Quellen:
[ 1] Burg, Peter, Der Wiener Kongreß, München 1984, S. 11f
[ 2] von Rimscha, Hans, Geschichte Russlands, Darmstadt 1970, S. 426
[ 3] Burg, Peter, a.a.O., S. 18
[ 4] Burg, Peter, a.a.O., S. 25
[ 5] Lentz, Thierry, 1815 Der Wiener Kongress und die Neugründung Europas, München 2014, S. 131
[ 6] Streisand, Joachim, Deutschland 1789-1815, Berlin 1977, S. 247
[ 7] Burg, Peter, a.a.O., S. 27
[ 8] Lentz, Thierry, a.a.O., S. 199
[ 9] von Lettow-Vorbeck, Oscar, Geschichte der Befreiungskriege 1813 – 1815, Berlin 1904, S. 14
[10] Marx/Engels – Werke Band 9, „Lord Palmerston“, Berlin 1960, S. 378
[11] Humboldt, Wilhelm von, Ausgewählte Schriften, Berlin 1917, S. 362f
[12] Streisand, Joachim, a.a.O., S. 248
[13] Bleyer, Alexandra, Das System Metternich, Darmstadt 2014, S. 36