Am 24. Feb. 1848 wurde in Paris der König verjagt und die demokratische Republik ausgerufen. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen bat Großbritannien um Unterstützung gegen die auch in seinem Land drohende Revolution – doch vergebens.
Die Rolle und das Gewicht des Bürgertums hatte sich auch im Deutschen Bund gewandelt. Der wachsende wirtschaftliche Erfolg verlieh ihr das nötige Selbstbewußtsein, sich gegen die Herrschaft der Fürsten aufzulehnen.
Die Bewegung wurde von der in den Kammern vorhandenen Opposition sowie von Zeitungen angestoßen. Kaufleute, Fabrikanten, Ärzte, Advokaten, Professoren, Künstler, Schriftsteller und ein Teil der Beamtenschaft schlossen sich an. Erstmals begehrten auch die Arbeiter auf.
Die Fürsten der deutschen Klein- und Mittelmächte hatten sich erfolgreich gegen die Aufstellung eines schlagkräftigen Bundesheeres gewehrt und räumten nun der Einsicht ihrer eigenen Ohnmacht folgend die Sessel – wenn auch nicht die eigenen, so doch die ihrer Regierungen [ 1].
Der Umschwung im Südwesten des Deutschen Bundes erfolgte nahezu gewaltlos.
Am 5. März 1848 trafen die Führer des Aufstandes in Heidelberg zusammen. Die von Hecker, Struve und Genossen vorgetragene Forderung zur Bildung einer sozialen Republik traf auf den von Gagern favorisierten Vorschlag zur Bildung einer konstitutionellen Monarchie in einem geeinten deutschen Nationalstaat [ 2].
Die Teilnehmer verabschiedeten die folgende Erklärung:
»Die Versammlung einer in allen deutschen Landen nach der Volkszahl gewählten Nationalversammlung ist unaufschiebbar, sowohl zur Beseitigung der nächsten inneren und äußeren Gefahren wie auch zur Entwicklung der Kraft und Blüte deutschen Nationallebens.«
Die Verheerung und Auflösung des Deutschen Reiches durch Napoleon Bonaparte auch mithilfe deutscher Jakobiner war nicht vergessen. Dieser Gefahr wollte die Mehrheit der Heidelberger Versammlung begegnen.
»…das gesamte deutsche Vaterland und die Throne« sollten mit dem Schutzwall einer Nationalversammlung umgeben werden [ 3].
Heinrich von Gagern, Minister von Hessen-Darmstadt, bat seinen Bruder Max in Begleitung eines hessischen Generals als Gesandter Nassaus bei den Fürsten um Unterstützung seiner Pläne nachzusuchen. Baden und Württemberg, Sachsen und etwas später auch Bayern schlossen sich Gagerns Vorstellungen an.
Zeitgleich lud der von der Heidelberger Versammlung gebildete Siebener-Auschuß alle deutschen Stände-Mitglieder und Notablen zum 31. nach Frankfurt zur Beratung der Modalitäten zur Bildung einer deutschen Nationalversammlung ein [ 4].
In Österreich stürzte in diesem Moment das Metternich’sche-Regime Knall auf Fall in sich zusammen. Österreich drohte, infolge der Konflikte in Oberitalien, Ungarn und Böhmen, der Untergang.
Im schweizer Fürstentum Neuenburg wurde mithilfe Freiwilliger aus Nachbarkantonen die preußische Herrschaft gestürzt.
In den großen Städten Preußens kam es zu hitzigen Versammlungen. Revolutionäre vor allem aus dem Rheinland und Polen nutzten die gute Infrastruktur des Landes und reisten nach Berlin [ 5]. Dort spitzte sich die Lage zu. Heftiger werdende Proteste einerseits trafen auf Gegenmaßnahmen von Heer und Polizei.
Der damals in Berlin weilende Theodor Fontane schrieb [ 6]:
»Vom dreizehnten bis siebzehnten hatten kleine Straßenkrawalle stattgefunden, alles sehr unbedeutend, nur anstrengend für die Truppen, die, weil beständig alarmiert, einen sehr schweren Dienst hatten. Am achtzehnten früh – Sonnabend – war man in großer Aufregung, und soweit die Bürgerschaft in Betracht kam, freudiger als die Tage vorher gestimmt, weil sich die Nachricht: „Alles sei bewilligt“ in der Stadt verbreitet hatte.«
Vereinzelte Übergriffe von Sicherungsorganen forderten erste Opfer. In seinem Bericht an den Innenminister schrieb der Berliner Polizeipräsident Minutoli: »…es ist leider als feststehend anzunehmen, daß man gestern ohne Warnung und Aufforderung eingehauen und Unschuldige schwer verletzt hat [ 7].«.
In der Nacht zum 18. März 1848 erließ König Friedrich Wilhelm IV. ein Patent, was dem Gagernschen Programm entsprach und in Preußen die Zensur abschaffte. Am 18. März versammelte sich eine Menschenmenge vor dem Berliner Schloß und jubelte dem König zu.
Der Schloßplatz füllte sich mehr und mehr. Unter das wohlbegüterte Bürgertum mischten sich ärmlich aussehende Arbeiter.
Vereinzelt wurde Protest laut. Der König ließ den Schloßplatz durch Infantrie und Dragoner räumen. Die so abgedrängten griffen in die Zügel der sie bedrängenden Dragonerpferde und versuchten den einen oder anderen Dragoner vom Pferd zu reißen [ 8].
Zwei Schüsse lösten sich unbeabsichtigt. Die Kugeln gingen ins Leere. Die Menschenmenge löste sich auf [ 9].
Der Vorfall wurde von den Demonstranten hochgespielt, als hätten Gewehrsalven die Menschen reihenweise umgemäht. In der Stadt wurden Barrikaden gebaut. Der König ließ im Umkreis von 3 km zum Schloß die Barrikaden wegräumen [10].
Die daraus resultierenden Kämpfe kosteten ca. 150 Aufständischen das Leben. Am Tag darauf zogen die Barikadenkämpfer erneut vor das Schloß und präsentierten dem König ihre auf Bahren mitgeführten Toten. Friedrich Wilhelm IV. nahm seinen Hut ab und verneigte sich [11].
Nach Verhandlungen mit den Aufständischen ließ der König gegen das Versprechen, die Barrikaden würden geräumt, seine Soldaten in die Kasernen zurückziehen.
Die preuß. Regierung wurde wie die anderer deutscher Länder von Reformern übernommen. Den Vorsitz übernahm in Preußen Graf Arnim-Boyzenberg (kurze Zeit später wurde er von dem Führer der rheinländischen Liberalen Ludolf Camphausen abgelöst). Regierungsmitglied waren zudem Alfred von Auerswald, Graf Schwerin (beide aus dem Vereinigten Landtag) und Freiherr Heinrich von Arnim (vordem Botschafter in Paris) [12].
Am 21. März 1848 verfaßte der von den Ereignissen erschütterte König eine von Arnim empfohlene Proklamation, nachder sich Friedrich Wilhelm IV. an die Spitze der deutschen Einheitsbewegung stellte [13].
Wenige Tage später ritt der König, begleitet von Ministern, Generalen, Bürgern und Studenten, durch die Straßen Berlins, seine Botschaft ins Volk zu tragen [14].
An die Deutsche Nation
Ihr seid fortan wieder eine einige große Nation, stark, frei und mächtig im Herzen von Europa!
Eine neue glorreiche Geschichte hebt mit dem heutigen Tage für Euch an!
Preußens Friedrich Wilhelm IV. hat Sich, im Vertrauen auf Euren heldenmüthigen Beistand und Eure geistige Wiedergeburt zur Rettung Deutschlands an die Spitze des Gesammt-Vaterlandes gestellt
Ihr werdet Ihn mit den alten, ehrwürdigen Farben Deutscher Nation noch heute zu Pferde in Eurer Mitte erblicken.
Heil und Segen dem constitutionellen Fürsten, dem Führer des gesammten Deutschen Reiches, dem neuen Könige der freien wiedergeborenen Deutschen Nation!
Berlin, den 31. März 1848
König Friedrich Wilhelm IV. erntete Hohn und Spott. Er war dem Ratschlag der liberalen Regierung gefolgt, wurde verhöhnt und lernte, künftig ähnliche Fehler zu vermeiden.
Außenpolitische Randbedingungen
Österreich befand sich Ende März 48 in Auflösung. Schleswig-Holstein wurde von dem national-liberalen Dänemark beansprucht. Die neue Preuß. Regierung entsandte auf Anregung Arnims Truppen an die Grenze, um einerseits Dänemark Handlungsbereitschaft zu signalisieren, vor allem aber um Preußen als die treibende Kraft zur Herausbildung eines deutschen Nationalstaates ins Bewußtsein der Menschen zu bringen.
Die in Berlin in Haft befindlichen polnischen Nationalisten aus Posen wurden freigelassen und gründeten in der Stadt Posen ein Komitee, das sich die Bildung eines polnischen Nationalstaates (d.h. auch die Provinz Posen aus Preußen herauslösen wollte) zum Ziel gesetzt hatte, kurzfristig aber die Beziehungen zwischen Preußen und Rußland vergiftete [15].
Das Frankfurter Vorparlament.
Am 31.3. trat in Frankfurt am Main das 500 Mitglieder zählende Vorparlament zusammen um die Parlamentswahlen vorzubereiten.
Auf Antrag Preußens sollten auch Ost- und West-Preußen sowie Posen zum Wahlgebiet gehören.
Mit dieser Zuordnung der eigenstaatlichen Gebiete Preußens zum deutschen Nationalstaat, verlor Preußen seinen Status als europäische Großmacht.
Ebenfalls gewählt werden, sollte im, seit kurzem von der in Kiel gebildeten liberalen, deutschen Regierung, beherrschten Schleswig-Holstein. Die Gebietserweiterungen des Deutschen Bundes wurden so am 11. April vom Bundestag beschlossen [16].
Herwegh aus Frankreich [17]:
»Die Republik ist für uns eine Gewissenssache, eine religiöse Angelegenheit;
die Monarchie kann heute auch von keiner Majorität uns mehr aufgedrungen werden.«
Im Südwesten Deutschlands und in Posen wurden Aufstände entfacht. Der Krieg gegen Dänemark stand vor der Tür.
Schluß mit lustig.
Hecker hegte, in Erinnerung der Ereignisse in Neuenburg (das von Preußen regierte schweizer Fürstentum Neuenburg wurde von Eidgenossen auch aus benachbarten Kantonen unter Kontrolle gebracht), die Hoffnung auf Unterstützung aus der Schweiz und startete seine Revolte nahe Konstanz. Aus Frankreich setzte ein Haufen deutscher Exilanten über den Rhein.
Der Aufstand wurde durch Bundestruppen aus Baden, Hessen und Württemberg Mitte April niedergeschlagen.
Die Aufständischen in Posen, angefeuert durch den katholischen Bischof Przyluski, erfuhren nicht geringen Zulauf durch Pariser Exilanten sowie durch Polen aus Galizien und Rußland. Zwei Wochen wogte das Toben gegen Deutsche und Juden, bevor das Preußische Heer die staatliche Ordnung Mitte Mai wieder herstellen konnte [18].
Ausarbeitung der Verfassung.
Die Ausarbeitung einer Verfassung erfolgte durch 17 vom Vorparlament bestimmte Vertrauensmänner. Der in Bonn lehrende Göttinger Professor Dahlmann hatte den Vortrag. Dieser Verfassungsentwurf orientierte sich an der englischen Verfassung und sah
Die Aufteilung der Aufgaben von Reich und Fürstentümern sollte ähnlich gestaltet werden wie sie sich später in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Bund und Ländern herausbilden sollte. Für das Territorium der Deutsche Nation galt ähnliches wie für die Zollunion: die Mitgliedschaft des Vielvölkerstaates Österreich war unvorstellbar im Kaiserreich Österreich wie im gesamten Gebiet des Deutschen Bundes. Preußen hatte seine Eigenstaatlichkeit zur Disposition gestellt. Österreich wollte das nicht tun. Es wollte aus seinen Weltmachtsträumen nicht aufwachen [19].
Bescheidener der Preußische König Friedrich Wilhelm IV. Selbst träumte er von einem Staatenbund, einem auf ewig regierenden österreichischen Kaiser und einem per Akklamation in Frankfurt gewählten vom Bischof zu weihenden König [20].
Die deutsche Nationalversammlung.
Dahlmanns Verfassungsentwurf wurde verrissen. Trotz erwiesener Unfähigkeit der Vorparlamentes gelang es die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung durchzuführen. Am 18. Mai zogen die Abgeordneten nach einem feierlichen Zug durch die Stadt in die Frankfurter Paulskirche ein [21].
Heinrich von Gagern wurde Präsident der Nationalversammlung. Auf seinen Vorschlag hin wurde als Reichsverweser der Erzherzog Johann von Österreich gewählt. Eine knappe Mehrheit beschloß, daß der Reichsverweser nicht an die Beschlüsse der Nationalversammlung gebunden sei. Erzherzog Josef nahm die Wahl erst an, nachdem der Bundestag im Einverständnis mit den deutschen Fürsten seine Zustimmung gab.
Der Reichsverweser wählte sich ein Ministerium, dessen Ministerpräsident der mit England enge Beziehungen pflegende Fürst von Leiningen. Diese Regierung verfügte über keinerlei ausführende Gewalt, keine Beamten, keine Polizei, keine Soldaten… und fand demgemäß keinerlei internationale Anerkennung [22].
Die deutsche Nationalversammlung sah denn auch ihre Hauptaufgabe in der Ausarbeitung einer deutschen Verfassung sowie in der Formulierung und Verabschiedung der Grundrechte [23].
Die letztlich verabschiedete Verfassung unterschied sich nur leicht von Dahlmanns Entwurf. Ein Reichsgericht sollte die Einhaltung der Verfassung und der Grundrechte [24] sicherstellen.
GRUNDRECHTE
§ 1. Das deutsche Volk besteht aus den Angehörigen der Staaten, welche das deutsche Reich bilden.
§ 3. Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen.
§ 7. Vor dem Gesetz gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben….
Die Wehrpflicht ist für alle gleich; Stellvertretung bei derselben findet nicht statt.
§ 8. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
§ 9. Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt, oder das Seerecht im Fall von Meutereien sie zuläßt, so wie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung, sind abgeschafft.
§ 10. Die Wohnung ist unverletzlich.
§ 11. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls vorgenommen werden…
§ 12. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet.
§ 14. Jeder Deutsche hat das Recht durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.
§ 22. Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.
§ 29. Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
§ 32. Das Eigentum ist unverletzlich.
Die preußische Nationalversammlung.
Die preußische Nationalversammlung trat erstmals am 22. Mai in Berlin zusammen und stellte im Gegensatz zur deutschen Nationalversammlung ein wirkliches Parlament dar, mit einem König, einer Regierung, einem wirklichen Staatswesen. Etwa die Hälfte seiner 400 Mitglieder strebte eine konstitutionelle Monarchie an. Die übrigen Mitglieder vertraten widerstreitende Themen [25][26].
Das staatliche Monopol zur Geldschöpfung blieb auch nach der Gründung der Preußischen Bank ein Politikum.
Die in Umlauf befindliche Geldmenge hing von der Entscheidung des Staatsministeriums ab, das jedoch kaum in der Lage war den künftigen Geldbedarf richtig einzuschätzen. Christian Rother hielt 1846 eine zusätzliche Geldmenge von 5 Mio. Talern erforderlich. Die Handelskammer Köln forderte eine noch erheblich größere Ausweitung.
Die von David Hansemann geleitete Handelskammer Aachen und Burtscheid richtete an Rother ein Gesuch private Kreditanstalten einzurichten [27].
1847 versuchte dann Hansemann mit fadenscheinigen Argumenten im Vereinigten Landtag Preußens die Rechtsgrundlage der Preußischen Bank zu erschüttern [28]. Das Ziel der bürgerlichen »Revolutionäre« Ludolf Camphausen (Ministerpräsident) und David Hansemann (Finanzminister) war es die lautstarken Forderungen der – Dank Napoleons – gut organisierten rheinischen Wirtschaft durchzusetzen.
Infolge der über Europa hinweghuschenden bürgerlichen Revolution war es zur Wirtschaftskrise gekommen, die die »Revolutionäre« nun dazu veranlaßte die Gründung privater Kreditbanken zuzulassen.
In März und April 1848 wurden 14 Darlehnskassen gegründet und das in Schieflage geratene Bankhaus A. Schaaffhausen wurde zur Hälfte verstaatlicht, d.h. der Staat Preußen kaufte sich mit 1 Mio. Talern ein damit die Bank ihren Verbindlichketen nachkommen konnte. Von ihr hingen 170 Fabriken mit 40 000 Beschäftigten ab [29].
Erstmals waren während der Revolution 1848 Industrie- und Landarbeiter in der politischen Arena erschienen. Sie begannen sich in Arbeitervereinen zu organisieren und auf nationalen Kongressen abzustimmen. Im Parlament kaum vertreten, versuchten sie den mangelnden politischen Einfluß durch größere Aggressivität auszugleichen.
Während der Unruhen in Wien forderten stellten die linken Abgeordneten den Antrag, die Revolutionäre in Wien militärisch zu unterstützen. Vor dem Parlament versammelte sich eine größere Menschenmenge und drohten die Abgeordneten zu lynchen, die gegen den Antrag stimmten.
Für den König war das der Anlaß, den aus Dänemark zurückgekehrten General von Wrangel mit 40 000 Mann nach Berlin zu beordern. Er zog in das friedliche Berlin ein und löste anschließend das nach Brandenburg geflohene Parlament im Dez. 1848 auf [30].
Im April 1849 trug die Nationalversammlung dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone an.
Ziemlich genau ein Jahr zuvor wurde derselbe König aufgrund seiner Proklamation, sich an die Spitze eines geeinten Deutschlands zu stellen, mit Hohn und Spott bedacht und jetzt trug man ihm eben diese Rolle an.
Seine Majestät Friedrich Wilhelm IV. lehnte ab. Die Parlamentarier gingen nach Hause. Das Parlament löste sich auf [31].
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen verfolgte seine eigenen Verfassungspläne und setzte dabei auf die Unterstützung Heinrichs von Gagern. Mit dem Doppelbund entwickelte Gagern ein Konzept, wie Österreich im Deutschen Bund gehalten werden konnte, während die fortschrittlicheren deutschen Staaten sich unter einer vergleichweise modernen Verfassung fester zusammenschließen könnten. Daß Hannover und Sachsen nach anfänglichem Interesse im Laufe der Zeit absprangen, sollte vorhersehbar gewesen sein.
Trotzdem fand sich in Erfurt von März bis April 1850 ein Parlament zusammen, das dem neuen Verfassungsentwurf in immerhin 12 der deutschen Staaten (der Erfurter Union) Gültigkeit verschaffte.
Nocheinmal sollte jedoch der archaische Feudalismus in Deutschland triumphieren, als Österreich mit russischer Rückendeckung dem kurhessischen Menschenschinder Kurfürst Friedrich Wilhelm vor dem Zorn seines Volkes im Namen des Deutschen Bundes rettete. Preußen hatte zur Sicherung seiner Verbindungswege eine an sich unbedeutende Anzahl von Soldaten in Kurhessen stationiert. Durch Kurhessen führten einige der wichtigsten Straßen, die die westlichen Provinzen Preußens mit seinen östlichen Provinzen verbanden.
Der Österreichische Ministerpräsident Felix von Schwarzenberg drohte in der Note vom 9.11.1851 Preußen mit Krieg, wenn es dieses Kontingent nicht zurückzöge [32] [33]. Preußen paßte mit seiner liberalen Politik weder in das Konzept des schwarzenberg’schen Neofeudalismuses, noch in das, des russischen Kaisers Nikolaus I.
Preußen hatte den Kurfürsten von Hessen gedrängt, der, von ihm außer Kraft gesetzten, Verfassung wieder Gültigkeit zu verschaffen. Ähnlich verhielt es sich mit Holstein. Österreich stand auf Seiten des dänischen Herzog Königs und Preußen auf Seiten der deutschen Bevölkerung.
Friedrich Wilhelm IV. scheute den Krieg und ließ sich nötigen, die Olmützer Punktation zu akzeptieren.
Schwarzenberg und der russische Kaiser Nikolaus aber auch Friedrich Wilhelm IV. starben wenig später. Mit Wilhelm I. und Kaiser Alexander II. änderte sich das europäische Kräfteverhältnis.
Quellen:
[ 1] Sybel, Heinrich von, Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band, Paderborn 2012, S. 95f
[ 2] ebd. S. 98
[ 3] Obermann, Kurt, Deutschland 1815 – 1849, Berlin 1976, S.
[ 4] Sybel, Heinrich von, a.a.O., S. 99
[ 5] ebd. S. 100f
[ 6] Fontane, Theodor, Berliner Märztage 1848, Bad Langensalza 2016, S. 10
[ 7] Obermann, Kurt, a.a.O., S. 280
[ 8] Fontane, Theodor, a.a.O. S., 11
[ 9] Obermann, Kurt, a.a.O., S. 283
[10] Sybel, Heinrich von, a.a.O., S. 102
[11] Obermann, Kurt, a.a.O., S. 285f
[12] Sybel, Heinrich von, a.a.O., S. 104
[13] ebd. S. 105
[14] Rühle, Otto, 1848 Revolution in Deutschland, Münster 1998, S. 63
[15] Sybel, Heinrich von, a.a.O., S. 108
[16] ebd. S. 110f
[17] Herwegh, Georg, zitiert nach Sybel, a.a.O., S. 113
[18] Sybel, Heinrich von, a.a.O., S. 113f
[19] ebd. S. 117f
[20] ebd. S. 120
[21] ebd. S. 125
[22] Obermann, Kurt, a.a.O., S. 349f
[23] ebd. S. 351
[24] Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volks vom 27. Dezember 1848 auf www.documentarchiv.de am 3.6.2018
[25] Obermann, Kurt, a.a.O., S. 353
[26] Rühle, Otto, a.a.O., S. 74
[27] Lichter, Jörg, Preußische Notenbankpolitik in der Formationsphase des Zentralbanksystems 1844 bis 1857, Berlin 1999, Seite 100
[28] ebd. S. 117f
[29] Obermann, Kurt, a.a.O., S. 291f
[30] Rühle, Otto, a.a.O., S. 84
[31] Sybel, Heinrich von, a.a.O., S. 230ff
[32] Clark, Christopher, Preußen, München 2008, S. 568f
[33] Sybel, Heinrich von, Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band, Paderborn 2012, S. 28f