Jeder Krieg endet mit einem Staatsbankrott, den zu überwinden die Finanzjongleure zu atemberaubende Kreationen anregt. Aus Silbermünzen wurden Banknoten oder die Staatsbank wurde privatisiert. So verhielt es sich im Preußen nach den Befreiungskriegen, daß die Staatsbank pleite war und das Land nicht über die nötige Geldmenge verfügte, die zum Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Expansion notwendig gewesen wären. Die Königlich Preußische Bank, d.h. der König hatte das Münzrecht, was das Recht zur Kreditvergabe mit einschloß.
Infolge des 1795 in Basel beschlossenen französisch-preußischen Friedens erhielt Preußen weite ehedem polnische Gebiete zugesprochen. Es handelte sich dabei um Südpreußen und Neu-Ostpreußen.
Die dort von der Königlich Preußischen Bank gewährten Hypotheken (durch Grundbesitz abgesicherte Darlehen) hatten einen Umfang, der dazu führte, daß 1807 nach Verlust beider Provinzen über 5,75 Mio. Thaler abgeschrieben werden mußten. Das Gesamtdefizit der Königlichen Bank betrug 1807 7,2 Mio. Thaler [ 1].
Nach dem Zusammenbruch wurde 1817 die königlichen Bank restrukturiert. Man nahm sie aus dem Verantwortungsbereich der Finanzverwaltung und verwandelte sie in eine selbständige Kreditanstalt, die der Aufsicht des Staatsministers unterstellt war [ 2].
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen konnten schlechter nicht sein. 1816 führte die durch den Ausbruch des Vulkans Tambora verursachte Schlechtwetterperiode zu Ernteausfällen und Hungersnöten [ 3]. Das preußische Territorium war von kleineren Exklaven abgesehen in zwei große Gebiete, getrennt durch das Königreich Hannover, aufgeteilt. Im Westen die katholisch geprägten, nach französischem Recht handelnden Rheinprovinzen und im Osten die weitgehend evangelisch geprägten preußischen Gebiete für die das friderizianische Landrecht prägend war. Daß Posen dem Königreich angegliedert wurde, trug angesichts des Polen garantierten Transitrechtes [ 4] ebenfalls nicht zur Konsolidierung Preußens bei. Trotz der durch den Wiener Kongreß reich mit potentiellen Konfliktherden gepflasterten Ausgangslage, entwickelte sich Preußen zur politischen, wirtschaftlichen und militärischen Großmacht.
Die wirtschaftliche Entwicklung wurde durch ein zu geringes Volumen der sich im Umlauf befindlichen Geldmenge gehemmt. Die Nachbarstaaten hatten längst damit begonnen Banknoten in Umlauf zu bringen und auch schon die ersten Erfahrungen mit den sich daraus ergebenden Gefahren wie der Geldentwertung und des Vertrauensverlusts – beides jenseits der preußischen Tugenden – gemacht. Die Königliche Bank, die ritterschaftliche Pommersche Privatbank und das Seehandlungsinstitut erhielten das Recht zur Ausgabe von Bankkassenscheinen (Banknoten). Die Bankkassenscheine durften jedoch nur ausgegeben werden, wenn die ausgebende Bank über eine entsprechende Deckung in Form von Silbermünzen, Gold- u. Silberbarren verfügte.
Das Volumen der bis 1836 ausgegebenen Banknoten blieb daher mit 4,5 Mio Thalern gering, linderten nur die Folgen der Geldknappheit, stellte aber keine wesentliche Verbesserung der Lage dar [ 5].
Zur besseren Übersicht und Handhabung finanzpolitischer Vorgänge wurde 1833 ein Gesetz erlassen, daß in Preußen kein – ein Zahlungsversprechen an den Inhaber enthaltendes – Papier, in Umlauf gesetzt werden dürfte. Das Gesetz galt nicht für die Königlich Preußische Bank, da ihr allein das Münzregal (das Recht, Geldstücke zu prägen und auszugeben) zukam [ 6].
1833/34 wurde der Norddeutsche Zollverein gegründet. Die bis dahin moderat erfolgende Entwicklung von Handel und Industrie beschleunigte sich. 1816 besaß Preußen 522,2 Meilen befestigter Straßen, 1831 1147,5 Meilen und 1845 2300 Meilen [ 7]. 1842 wurde der Beschluß gefaßt, ein ganz Preußen erfassendes Eisenbahnnetz zu entwickeln. Da dem Staat aufgrund des Gesetzes von 1820 kaum möglich war Schulden aufzunehmen, mußte das Projekt privat finanziert werden. Preußen begünstigte die Kapitalbeschaffung indem es den Zinssatz für die Staatsschuldverschreibungen senkte.
Die Spekulation mit Eisenbahnwerten blühte, was bei der gleichbleibenden Geldmenge zur Kapitalknappheit in anderen, vom Eisenbahnbau nicht profitierenden Wirtschaftszweigen führte [ 8][ 9]. Es fand eine Umverteilung des Geldes statt, unter der vor allem die Handwerker, die kleinen Bauern und die Lohnabhängigen zu leiden hatten [10].
1837 folgte der Geheime Staatsminister Rother (bis dahin zuständig für das Seehandlungsinstitut) dem verstorbenen Bankpräsident Friese im Amt.
Interventionen des Staates in den Aktienhandel bei anhaltender Geldknappheit führte zur Zuspitzung der Krise. Der Gründer der Pommerschen Privatbank Ernst von Bülow-Cummerow ersuchte 1844/45 um die Genehmigung zur Gründung einer Zettelbank (Bank mit dem Recht Geldnoten auszugeben), blitzte in Berlin ab und wandte sich nach Dessau, hier seine Zettelbank als Dessauer Nationalbank zu gründen. Der anhaltinische Herzog unterstützte das Projekt und fragte in Preußen um Erlaubnis, dort Niederlassungen der Dessauer Nationalbank einrichten zu dürfen. Durfte er nicht [11][12].
Bülow-Cummerow fand jedoch im preußischen Finanzminister v. Flottwell einen starken Verbündeten. Für den 14. bis 19. Dez. 1845 wurde der Königliche Handelsrath einberufen. Es standen sich das Konzept mehrerer privater Notenbanken und das einer Zentralbank gegenüber. In keinem Falle wollte man Banken, die das Primat (Vormacht) der Politik infrage stellten; man wollte allerdings auch keine Bank, die der Willkür einer Regierung unterworfen war.
Rother vermochte es in seinem in sich schlüssigen Konzept beiden Aspekten bis ins Detail Rechnung zu tragen und konnte sich im Handelsrath wie im Staatsministerium durchsetzen. Seinem Gesuch Banknoten im Wert 10 Mio. Thalern auszugeben entsprach König Friedrich Wilhelm IV. in seiner Ordre vom 11. April 1846 [13][14].
Nicht aber dem Vorschlag, dies aus eigenem Recht heraus zu tun. Zu ungeheuerlich war damals die Vorstellung, Geld aus dem Nichts heraus zu schaffen. Die ausgegebenen 10 Mio. Thaler erfuhren einer Deckung durch Ausgabe von Bankanteilsscheinen in gleicher Höhe.
Am 5. Okt. 1846 wurde die Königl. Bankordnung veröffentlicht [15]:
thun hiermit kund und zu wissen:
Nachdem Unserer, in der Ordre vom 11ten April d. J. (Gesetz-Sammlung S. 153.) ausgesprochene Absicht wegen Betheiligung von Privatpersonen bei den Geschäften der Bank durch die Zeichnung eines Einschußkapitals von Zehn Millionen Thaler entsprochen worden ist, haben Wir beschlossen, der Bank eine den gegenwärtigen Bedürfnissen entsprechende Verfassung zu geben. Wir verordnen demnach, daß das bisherige Bank-Institut als:
fortbestehen soll und verleihen demselben nachstehende Bank-Ordnung…
Christian Rother hielt nichts von privaten Notenbanken. Eine private Bank strebe nach dem Monopol, was zur Herrschaft weniger über das Kapital führe. Hierdurch würde der Unterschied zwischen armen und reichen Bürgern vergrößert. Zudem befürchtete er, daß eine private Zentralbank die Geldversorgung in den wenig lukrativen Regionen vernachlässige, was zu einer ungleichmäßigen Entwicklung des Landes führe.
Vor allem sah er aber voraus, daß der Staat den Banken mit dem Recht zur Ausgabe von Banknoten » ...ein mächtiges Werkzeug anvertraut, das sie zur Erreichung ihrer auf Gewinn – auf Kosten des Staates selbst benutzen können und werden [16].«
Knapp 100 Jahre vor Keynes erkannte Rother die Notwendigkeit einer antizyklischen Geldpolitik, d.h. er sprach sich für eine fortgesetzte Kreditvergabe auch in Zeiten der Krise aus [17]. Die Preußische Bank sollte dem Wohle des Landes und all seiner Bürger dienen.
Die über die Bankanteilsscheine aufgebrachten Einschüsse von 10 Mio. Thalern waren durch die Bankanteilseigner nicht kündbar. Ihnen stand es jedoch frei ihre Anteilsscheine zu veräußern oder zu verpfänden.
Der Staat behielt es sich vor, zu einem späteren Zeitpunkt das Kapital um weitere 10 Mio. Thaler zu vergrößern. Da der inländische Kapitalmarkt abgegrast war, erlaubte man auch ausländischen Anlegern die Aktien zu erwerben. Das noch vorhandene Defizit der Bank von ca. 1,4 Mio. Thalern wurde mit Hilfe eines staatlichen Zuschußes in Höhe von 2 Mio. Thalern ausgeglichen, wobei der überschüssige Betrag, sowie die darauf erzielten Zinserträge, ins Grundkapital der Bank fließen sollten.
Der Bank war es erlaubt, folgende Geschäfte zu betreiben [18]:
Quellen:
[ 1] Lichter, Jörg, Preußische Notenbankpolitik in der Formationsphase des Zentralbanksystems 1844 bis 1857, Berlin 1999, S. 21
[ 2] Witt, Adolf, Die Preußische Bank, Leipzig 1909, S. 6
[ 3] Brönnimann/Krämer, Tambora und das «Jahr ohne Sommer» 1816, Bern 2016
[ 4] Treitschke, Heinrich von, Die Gründung des Deutschen Zollvereins, Leipzig 1913, S. 4
[ 5] Lichter, Jörg, a.a.O., S. 26
[ 6] Witt, Adolf, a.a.O., S. 7f
[ 7] Rühle, Otto, 1848 Revolution in Deutschland, Münster 1998, S. 18
[ 8] Witt, Adolf, a.a.O., S. 10f
[ 9] Scholz, Christopher, Geldmarktsteuerung und Krisenprävention, Tübingen 2016, S. 76
[10] Obermann, Karl, Deutschland 1815 – 1849, Berlin 1976, S. 174ff
[11] Witt, Adolf, a.a.O., S. 13
[12] Scholz, Christopher, a.a.O., S. 77
[13] Lichter, Jörg, a.a.O., S. 90
[14] Marx/Engels, MEW Bnd.4, Berlin 1977, S. 18
[15] Preußische Bank-Ordnung, Berlin 1846
[16] Rother, Christian in Denkschrift, die Verstärkung der Betriebs-Fonds der Königlichen Bank durch Ausgabe von Banknoten betreffend, 14. Nov. 1845. Zitiert nach Scholz, Christopher, a.a.O., S. 78f
[17] Scholz, Christopher, a.a.O., S. 81f
[18] Witt, Adolf, a.a.O., S. 18ff