Posen und Polen.
Am 15. Mai 1815 versprach Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, in einem königlichen Zuruf an seine polnischen Untertanen im Großherzogtum Posen ihre Nationalität, Religion und Sprache zu achten und ihnen den Zutritt zu allen öffentlichen Ämtern und Würden zu gewähren [ 1].
Die Teilung Belgiens zwang Rußland, dessen Schulden bei Hope & Co. der niederländische König Wilhelm I. nur dann übernehmen wollte, wenn die Niederlande ungeteilt blieben, gegen die Teilung der Vereinigten Niederlande vorzugehen.
Rußland machte mobil und die Befürchtungen der Polen, für den russischen Kaiser Nikolaus I. in den Krieg zu ziehen, wie auch die Hoffnung auf Unterstützung durch die Westmächte [ 2], beförderten den seit langer Zeit vorbereiteten polnischen Aufstand vom November 1830 [ 3].
Preußen hielt sich formell an die Beschlüsse des Wiener Kongresses, jedoch in einer Weise die den Zorn der reaktionären Kaiser von Österreich wie Rußland erregen mußte. In Preußen inklusive des polnisch geprägten Großherzogtums Posen herrschte Frieden!
Friedrich Wilhelm III. konnte in der Bevölkerung Posens auf breite Zustimmung zählen. Die Ausnahmen lassen sich wie folgt verstehen:
Die Vorrechte des vorwiegend polnischen Adels wurden beschnitten (Abschaffung der Leibeigenschaft und Einschränkung der Patrimonialgerichtsbarkeit). Die Stellung der katholischen Kirche wurde geschwächt. Konflikte mit dem polnischer Adel und der katholischen Kirche blieben nicht aus, ging deren Einfluß auf die mittlerweile „königstreuen Bauern“ verloren, was nicht wundert profitierten die Bauern vom allgemeinen Fortschritt in Preußen, der auch in Posen Einzug hielt und sei es nur, daß die von Kirche und Adel nicht gern gesehene Schulpflicht nun auch für die Kinder ehemals Leibeigener vom Staat abgesichert wurde.
Zur Erinnerung: In Preußen hatte ein Jeder bei Eignung Zugang zu allen Bildungseinrichtungen (Frauen waren allerdings vom Studium ausgeschlossen).
Obwohl der König von Preußen die Teilnahme seiner polnischen Untertanen am Aufstand gegen den russischen Kaiser als Landesverrat werten mußte, erhielten die polnischen Befreiungsarmeen Zulauf aus Preußen. Friedrich Wilhelm III. amnestierte alle, die innerhalb einer bestimmten Frist nach Preußen zurückgekehrt waren. Es blieben 1600 Personen, die wegen Landesverrat angeklagt wurden. 200 von ihnen wurden frei gesprochen.
1200 wurden gänzlich begnadigt. 180 Verurteilten wurde die Geldstrafe ganz erlassen und die Freiheitsstrafe halbiert.
22 Personen, reiche Grundbesitzer wurden ernstlich bestraft indem 20% ihres Vermögens den preußischen Bildungsanstalten zugewiesen wurde [ 4]. Diese Urteile ergingen nicht trotz des Königs von Preußen sondern aufgrund der vom König betriebenen Personalpolitik.
Die Aufständischen Polens versuchten mehrfach Verbindungen zum König von Preußen herzustellen. Friedrich Wilhelm III. lehnte jede Einmischung in den Konflikt ab und riet den Polen sich dem russischen Kaiser zu unterwerfen. Er unterließ fast jede Provokation, die den hitzigen Kaiser Nikolaus I. dazu veranlassen konnte, in Preußen einzumarschieren. Die während des Krieges ausbrechende Cholera, der auch Gneisenau zum Opfer fallen sollte, veranlaßte Preußen beiden Kriegsparteien medizinische Hilfe zu gewähren.
Gneisenau (vor wenigen Jahren noch im Visier der Metternich’schen Gesinnungsschnüffler) sicherte die Grenze zu Polen [ 5], nicht zuletzt in der Absicht, ein Übergreifen der grassierenden Pest und Cholera auf Preußen zu verhindern. Was nicht hieß, daß nicht Tausende von Polen in Preußen Zuflucht gefunden hätten [ 6]. Als sich die Reste der polnischen Befreiungsarmee (das Korps Gielguds mit 7000 Mann und General Rybinsky mit 17000 Mann) nach Preußen flüchteten, erhielten die Soldaten neue Kleider, Unterkunft, Verpflegung und Lohn.
Friedrich Wilhelm III. gab und hielt sein Wort: Niemand wurde abgeschoben, ohne daß ihnen zuvor vom russischen Kaiser Straffreiheit zugesichert worden wäre. So gültig das Wort des Königs von Preußen, so fadenscheinig war allerdings die Zusicherung des Kaisers von Rußland, der einen großen Teil der nach Polen zurückgekehrten Aufständischen ins innere des Landes (nach Sibirien) verbringen ließ.
Jene, meist begüterten Aufständische, die nach Paris oder London weiterziehen wollten, stellte Preußen ein Reisevisum aus. Ein kleinerer Teil ließ es sich allerdings in Preußen gut gehen. Als sie sich 1832, mit Knüppeln und Stangen bewaffnet, auf eine schwache Wachmannschaft losgehend, einer Umquartierung widersetzten, ließ der kommandierende Offizier nach mehreren Warnungen schießen. Neun Menschen fanden dabei den Tod [ 7]. Die Zeitung des polnischen Nationalkommitees in Paris titelte:
»Meuschelmord in Fischau« [ 8].
Daß moralischer Anspruch und Wirklichkeit polnischer Revolutionäre häufig auseinander klafften, lernte der oft genannte und wenig zitierte deutsche Dichter Heinrich Heine im Pariser Exil aus eigener Anschauung kennen. Seine Eindrücke verarbeitete er in dem Gedicht [ 9]:
Crapülinski und Waschlapski,
Polen aus der Polackei,
Fochten für die Freiheit, gegen
Moskowiter-Tyrannei.
… Speisten in derselben Kneipe,
Und da keiner wollte leiden,
Daß der Andre für ihn zahle,
Zahlte keiner von den Beiden.
…
Polen ist noch nicht verloren,
Unsre Weiber, sie gebären,
Unsre Jungfraun tun dasselbe,
Werden Helden uns bescheren,Helden, wie der Held Sobieski,
Wie Schelmufski und Uminski,
Eskrokewitsch, Schubiakski,
Und der große Eselinski.
Resümee des von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württembergs in der Reihe Deutschland und Europa herausgegebenen Heftes Polen in Europa [10]:
»Der polnische Aufstand war nicht nur an der überlegenen Zahl der russischen Truppen gescheitert.
Den Polen fehlte es auch an der massiven Unterstützung aus anderen Staaten, besonders aus Preußen, trotz aller Polenbegeisterung. [...] Zudem gelang es den polnischen Revolutionären nicht, die Bauern für sich zu gewinnen; die aristokratischen Kräfte wollten zwar einen polnischen Staat, aber keine Freiheit für die Bauern.«
Friedrich Wilhelm III. sah seine vornehmste Pflicht nicht darin, seinem Volk neue Helden zu verschaffen, sich in einen neuen Krieg verwickeln zu lassen, was andere europäische Großmächte nur zu gern gesehen hätten. Die klug wie unspektakuläre Politik des Königs war auf den Erhalt des inneren, wie auch des Friedens nach außen gerichtet, eine bei Lage der Dinge keine einfache Aufgabe.
Die Weise in der er das tat, geht aus den Worten des jungen Hauptmanns Helmuth von Moltke hervor: Preußen zeichne sich durch sein ruhiges, unaufhaltsames Fortschreiten, durch seine stetige Entwicklung seines inneren Verhältnisses aus, »welche Preußen an die Spitze der Reformen, der Aufklärung, der liberalen Institutionen und einer vernünftigen Freiheit – mindestens in Deutschland gestellt haben[11]«
Dennoch: der König von Preußen war als solcher kein Freund des Parlamentarismus. Für ihn war es undenkbar, daß ein Abgeordnetenhaus den Staat oder die Bevölkerung repräsentiere. Die mühsamen, langwierigen Verhandlungen zur Einführung einer neuen Städteverordnung, durch die den Städten des Landes weitreichendere Befugnisse, bis hin zur Abänderung bestehender Gesetze zur Regelung ihrer Angelegenheiten, gegeben wurden, bestärkten ihn in dieser Ansicht.
Ungeachtet dessen war er aber von dem Stein’schen Konzept, daß die Städte und Regionen angehenden Entscheidungen von jenen getroffen werden sollten, die sie betrafen und somit am besten dazu befähigt seien, überzeugt. Die überarbeitete Städteverordnung erschwerte es den etablierten Seilschaften in den Kommunen ihre Position zur Verfolgung persönlicher Interessen zu mißbrauchen. Einzig das junge Großherzogtum Posen, in dessen Kommunen sich keine tragfähigen politischen Erbhöfe gebildet hatten, führte die überarbeitete Städteverordnung durchgehend ein [12].
Luxemburg entledigt sich des niederländischen Königs.
Die Unabhängigkeitsbewegung Belgiens griff auf das Großherzogtum Luxemburg, das Mitglied des Deutschen Bundes war und dessen Festung gemäß Wiener Kongress von der Preußischen Armee unterhalten wurde, über. Gegenmaßnahmen des Bundestages zu Frankfurt wurden durch eine geschickte englische Diplomatie verzögert. Nassau verkaufte seine Ansprüche an Luxemburg, das Königreich Hannover wurde in Personalunion vom englischen König regiert und der Herzog von Holstein, König von Dänemark befand sich im Bündnis mit England.
In London zogen sich die Verhandlungen über die Unabhängigkeit Belgiens hin, deren Ergebnisse abzuwarten, dem Bundestag lange Zeit Grund genug war, keine Entscheidung fällen zu müssen. Als der Einsatz von Bundestruppen beschlossen wurde, entsandte man zunächst ungeeignete Truppen, denen man erst das Schießen beibringen mußte und nach einem Streit, wer für die Kosten der Truppen aufkommen sollte, wurden sie von dem preußischen Festungskommandanten nach Hause geschickt. Ersetzt wurden sie durch Soldaten aus dem englisch regierten Königreich Hannover. Überflüssig zu erwähnen, daß die Bildung einer luxemburgischen Selbstverwaltung durch Separatisten nahezu ungestört erfolgen konnte [13][14].
Der Herzog von Cumberland, Gouverneur von Hannover, vergaß im Hinblick auf Luxemburg den eigenen Stand und die eigenen Überzeugungen.
In seinem am 29. Oktober 1833 verfaßten Brief an den Herzog von Sussex schrieb er: » …Jedoch kann ich nicht umhin Ihnen zu sagen, daß ich im Jahre 1819 bei meinem seligen Bruder König Georg IV. gegen die Einführung der allgemeinen Stände protestiert habe, da diesen nach meiner Ansicht nie hätten sollen eingerichtet werden ohne vorherige Einwilligung und Zustimmung aller männlichen Agnaten, weil dadurch eine totale Veränderung der Verfassung des Landes bewirkt worden [15]« Ähnliche Bedenken hegte er im Falle Luxemburgs nicht.
Königstreue Schweizer in Neuenburg.
Neuenburg, eine sehr wohlhabende preußische Exklave in der Schweiz, wurde Gegenstand einer von der Schweiz und Baden aus betriebenen Pressekampagnie.
Friedrich Wilhelm III. wollte einer Unzufriedenheit Neuenburger entgegentreten und entsandte Mai 1831 General Pfuel mit einzigartigen Vollmachten in das Land. Die Verfassung wurde reformiert und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen führte ein allgemeines Stimmrecht in Neuenburg ein.
In dieser Weise sollte die Mehrheit der Ständeversammlung gewählt werden. Jetzt wagten die Eidgenossen der umliegenden
Kantone, unter der Führung von General Borquin, den Aufstand in Neuenburg. Die Bürger Neuenburgs hielten nichts von ihrer Befreiung und schlugen den Aufstand nieder [16]
Vive le Roi, vive sa loi
La liberté chérie!
Vive le Roi, vive sa loi,
Vive notre patrie!
Revolution in Deutschland?
Im Juli 1830 fegte in Frankreich eine Revolution die Bourbonen Herrschaft hinweg. Der König von Frankreich mußte gehen.
König Friedrich Wilhelm III. setzt auf die preußischen Reformer.
Mehr noch König Friedrich Wilhelm III. beruft den aus Protest gegen die Karlsbader Beschlüsse zurückgetretenen Wilhelm von Humboldt erneut in den Staatsrat. Auch General Boyen (hatte sein Ministeramt wegen der Karlsbader Beschlüsse aufgegeben) wurde vom preußischen König, als militärischer Berater reaktiviert. Der erkrankte Bernsdorf erhielt zu seiner Unterstützung Eichhorn beigesellt, dem er in deutschen Angelegenheiten freie Hand ließ.
Auch die milden Urteile gegen die - von Metternichs Zentraler Untersuchungskommission in Frankfurt ausfindig gemachten - „Revolutionäre“ sind Friedrich Wilhelms Entschluß zu verdanken, Grollmann zum Kammergerichtspräsidenten zu machen. Krauseneck, ein bekennender Gegner Österreichs wurde an die Spitze des Generalstabes gestellt. Altenstein blieb im Bildungsministerium und garantierte weiterhin die Freiheit von Forschung und Lehre. Hegel blieb vor allem auch in der Bildung die Orientierung im Staate und selbst Schleiermacher stellte sich trotz diametral entgegengesetzter Ansichten öffentlich hinter den König [17].
Dez. 1830 schrieb der rheinische Industrielle David Hansemann eine an den König gerichtete Denkschrift: »Über Preußens Lage und Politik am Ende des Jahres 1830«. Friedrich Wilhelm III. sollte für eine konstitutionelle Monarchie mit zwei Kammern, einem Oberhaus für den Adel und einem Unterhaus (für das vermögende Bürgertum) gewonnen werden. Nach Hansemann stütze sich jede vernünftige Regierung auf die „Mehrheit des Vermögens und der Bildung.“ Preußen solle die deutsche Einigungsbewegung anführen [18].
Es möge sterben
Was nicht zu leben weiß.
Und fragt ihr nach dem Erben?
Das junge Preußen sei’s.
Die Überbleibsel der Patrimonialgerichtsbarkeit sollten ebenso wie die ritterschaftliche Grundsteuerbefreiung abgeschafft werden. Die Pressefreiheit sollte wieder hergestellt und ein gesamtpreußischer Landtag einberufen werden [19].
In Berlin wurden Zettel verteilt auf denen die Handwerksgesellen Konstitution und Pressefreiheit forderten. Nun gab es auch Handwerksgesellen mit echten Nöten. Mitte September wurden neun arbeitslose Schneidergesellen wegen einer verbotenen Zusammenkunft verhaftet dank der von Wittgenstein und Kampz kontrollierten Polizei eskalierten die Spannungen bis sich Demonstranten mit Knüppeln und Steinen am Schloßplatz einfanden. Die Berliner Garnison beendet die Kundgebung.
208 Personen wurden verhaftet. 175 von ihnen zu 14 Tagen Haft verurteilt, acht Personen gingen straffrei aus, 25 Personen wurden mit härteren Strafen belegt, von denen ein zweijährige Zwangsdienst auf einer Festung mit anschließender 12-monatiger Zwangsarbeit das größte Strafmaß darstellte [20].
Nach sechs Jahren unermüdlicher Spitzeltätigkeit konnte Wittgenstein seinem König 1836 14 politische Gefangene präsentieren, davon sechs Polen [21].
Der 1781 geborene Historiker Heinrich von Sybel schrieb 1889 rückblickend [22]:
»Von politischer Erschütterung war in den weiten Provinzen der Monarchie wenig zu spüren; selbst in der beweglichsten derselben, dem Rheinland, hielt das wachsende Gedeihen von Industrie und Handel den verlockenden Eindrücken der französischen Freiheit die Waage.«
Treitschke [23]: »Mit Erstaunen bemerkten Freund und Feind, wie treu das katholische Rheinland zu seinem Herrscher stand; … Zahllose Sendboten aus Frankreich und Belgien trieben am Rhein ihr Wesen; überall fanden sie taube Ohren … Nur die dreiste Sprache des Klerus ließ zuweilen schon erraten, daß die Nachbarschaft der belgischen Priesterherrlichkeit mit der Zeit vielleicht den Frieden der preußischen Rheinlande stören würde.«
Sybel lenkt den Blick auf das eigentliche Problem [24]:
»Vor allem fand die Bevölkerung sich einig mit der Regierung in dem Wunsche auf Erhaltung des Friedens. Der König hatte gleich nach der Revolution den Entschluß ausgesprochen, in Frankreich keine Einmischung zu versuchen, in bestimmmtem Gegensatz zu Österreich und Rußland, welchen einen Kreuzzug zugunsten der Legitimität sehr gerne gesehen hätten.«
Österreich wird ausmanövriert.
Da der Bundestag sich handlungsunfähig erwies, Österreich durch die italienischen Kriege überlastet, nutzte Preußen 1830 die Gelegenheit einen Plan zur Verteidigung Deutschlands gegen einen französischen Überfall vorzulegen. Im August 1830 marschierte der französische Marschall Gerard mit 40 000 Mann in Belgien ein. Diesmal mit Billigung Palmerstons und der katholischen Kirche, die ihre belgischen Schäfchen nicht der Herrschaft eines calvinistischen Königs überlassen konnten [25].
Dem Plan entsprechend sollten drei Armeen aufgestellt werden: Ein preußisches, verstärkt durch kleinere norddeutsche Kontingente, ein süddeutsches, verstärkt durch preußische
Truppen und ein österreichisches Heer. Österreich sperrte sich zwei Jahre erfolglos. Da die süddeutschen Staaten die militärische Führung durch Preußen anerkannten, blieb Österreich nichts weiter, als sich zu fügen [26].
Unruhen im Kurfürstentum Hessen.
Kurhessen (Hessen Kassel) lag zwischen den westlichen und östlichen Provinzen Preußens. Der Kurfürst Wilhelm II. war nicht gewillt, den von Preußen angebotenen Zollverein einzutreten. Diese wirtschaftliche und militärische Schlüsselfunktion gedachte Kurfürst Wilhelm nicht aufzugeben. Preußen gelang es das Großherzogtum Hessen (Darmstadt) für eine Zollunion zu gewinnen. Für Hessen-Kassel hieß dies, daß der Weg zu seiner wichtigen Exklave am Main, Hanau durch das von Preußen administrierte Zollgebiet verlief.
Kurhessens wirtschaftliche Lage verschlechterte sich. Mit der Erhöhung des Brotpreises löst der Kurfürst einen Aufruhr as. Tagelöhner und Handwerksgesellen plünderten am 6. Sept. 1830 die Bäckereien. Am 15. Sept. versammelten sich die Bürger von Kassel vor dem Schloß. Gefordert wurde eine Volksvertretung und zollfreien Warenverkehr.
Der Bürgermeister überbrachte dem Kurfürsten Wilhelm II. eine entsprechende Petition. Der Kurfürst tat verständig und ließ wenig später das Militär aufmarschieren. Die Geste verfehlte ihre Wirkung und so mußte Wilhelm den Forderungen nachgeben. Die Verfassung wurde am 5. Januar 1831 verabschiedet und der Beitritt zum preußischen Zollverein in die Wege geleitet.
Kurfürst Wilhelm übertrug die Regierung dem Kurprinzen Friedrich Wilhelm als Mitregenten und floh nach Frankfurt [27][28].
Unruhen im Großherzogtum Hessen.
Ähnlich wie in Kurhessen war auch im Großherzogtum Hessen (Darmstadt) die Dummheit der Fürsten die Ursache von Unruhen.
Großherzog Ludwig starb im April 1830. Ihm folgte Ludwig II. der in seinen 50 Lebensjahren Schulden bei Anselm Rothschild in Höhe von 2 Mio. Gulden angehäuft hatte. Ludwig II. forderte von den Kammern mehr Geld oder Übernahme seiner Schulden. Die Kammern lehnten die Forderungen ab und die Menschen waren über das Gebaren des Großherzogs empört. Die Empörung hielt an, auch deswegen, weil ins Großherzogtum gewechselte Aufrührer aus Kurhessen wie auch die vom erzkonservativen Gießener Kurator Arens angeheizten Studentenunruhen dafür sorgten.[29].
In Kurhessen wie im Großherzogtum Hessen hatten also die hessischen Parlamente und die preußische Regierung ein gemeinsames Interesse, nämlich den Beitritt bzw. die Aufrechterhaltung der Zollunion mit Preußen! Die Handelswege zwischen den westlichen und den östlichen Provinzen Preußens verliefen innerhalb des gemeinsamen Zollgebietes.