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Napoleons Weg nach Waterloo.

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Auf Elba.

Napoleon wurde besiegt und nach Elba eskortiert.

Dort bewachte Oberst Campbell den souverän über Elba herrschenden, mit einem Schmerzensgeld von 1 Mio. Franken pro Jahr bedachten Napoleon [ 1]. In einem Gespräch [A] mit Lord Ebrington biedert sich Napoleon den Engländern an. Zugespitzt ließe sich der Inhalt wie folgt zusammenfassen:
Die Franzosen fange man über ihre Eitelkeit; den nun „arbeitslos“ gewordenen französischen Soldaten sei er immer ein Kamerad gewesen und diese hätten es ihm mit ihrer Treue gelohnt; die jungen Adligen hätte er bevorzugt behandelt, es sei ja nicht zumutbar, daß diese mit dem ungehobelten Volk zusammen in einem Bett nächtigten; sofern diese Soldaten nicht in einen Krieg geführt würden, käme es zu Unruhen und zur Revolution.
Großbritannien verfüge über ein wunderbares Regierungssystem, das es selbst dem vertrottelten Adel erlaube, ihren (Staats-)Geschäften nachzugehen; der russische Kaiser sei falsch aber geistreich, der österreichische Kaiser sei ehrlich aber geistlos und der preußische König sei geistlos mit militärischen Kenntnissen eines Korporals; Napoleon verabsäumte es auch nicht, zu bekunden, schon immer für die Wiederherstellung des französischen Adels im alten Glanze eingetreten zu sein [ 2].

Napoleon, der oberste Restaurator?

Alles auf Anfang…

Mithin empfahl sich Napoleon für eine weitere Verwendung im Spiel um Europa. Gefährlicher als Rußlands territoriale Ausdehnung war der Plan Alexanders, die Einführung einer parlamentarisch abgestützten Monarchie europaweit durchzusetzen. England verfügte zwar über ein Parlament aber auch über ein Wahlrecht, das allen demokratischen Prinzipien widersprach [ 3]. Sein Einfluß auf Preußen blieb trotz der Ehrendoktorwürde, die man in Oxford der halben preußischen Regierung, inklusive Blüchers, zuerkannte, gering.
Da lieferte der Wiener Kongreß Napoleon Bonarparte das Stichwort: Er sollte aus Europa entfernt und in eine weit entlegene Weltgegend verbracht werden [ 4][ 5].

Als der Korse davon erfuhr, sammelte er die ihm verbliebenen Recken und ruderte zurück, nach Frankreich. Dr. Dr. phil h.c. Feldmarschall Gebhard Leberecht Blücher Fürst von Wahlstatt erfuhr in Berlin davon. Stehenden Fußes und mitten in der Nacht marschierte er in das Schlafgemach eines Diplomaten und fragte seine verschlafene Durchlaucht: »Haben die Engländer eine Flotte auf dem Mittelländischen Meer?« Der verduzte Diplomat wurde von Blücher über Napoleons Ausflug in Kenntnis gesetzt und konnte nicht umhin zuzustimmen, daß England Elba nicht bewacht habe. Britania waves the rules.
Blücher: »Wir müssen wieder von vorn anfangen und daran sind die Engländer schuld.« Sprachs und verschwand in der Nacht [ 6].

In Wien verteidigt Stewart Großbritannien: »Sind wir Napoleons Aufseher? Wir stehen nicht mit ihm im Krieg. Mit welchem Recht hätten wir ihn bewachen sollen [ 7]

Der Bourbonen-König gab sich Mühe Napoleons Armee in einer Weise zu verwalten, die von ihr ausgehende Gefahr für seinen Thron zu minimieren. Zwei Problemen konnte er nicht Herr werden, den leeren Kassen und der Eitelkeit seiner Offiziere. Am 1. März 1815 landete Napoleon am Golf von Jouan. Er und seine 1000 Gesellen marschierten ohne nennenswerte Vorkommnisse bis Grenoble. Dort, am 7. März erhalten die Soldaten des Königs die Gelegenheit Napoleon zu erschießen. Eher um ein Blutvergießen zu vermeiden, schoß man nicht und schloß sich Napoleons Trupp an [ 8]. Diesem Beispiel folgten auch andere.

Am 11. März schreibt der preußische Gesandte in Paris von der Goltz an General Kleist von Nollendorf nach Aachen: »Ew. Exzellenz glaube ich anzeigen zu müssen, daß Bonaparte gegen alle Erwartungen bereits große Fortschritte gemacht hat, daß er bereits gestern abend vor den Toren von Lyon erwartet wurde und aller Wahrscheinlichkeit nach in diesem Augenblick schon in jener Stadt ist. Es scheint keinem Zweifel unterworfen zu sein, daß die Desertion vieler Regimenter schon stattgefunden hat und der größte Teil der Armee sich für Bonaparte erklären wird. Ich glaube, daß es auf jeden Fall geraten sein wird, ohne großes Aufsehen defensive Vorsichtsmaßregeln in den von Frankreich abgetretenen Provinzen zu treffen [ 9]

Blüchers Abschied vom Abschied.

Blüchers Versprechen an Isegrim Yorck wurde gehalten. Im Februar 1815 ersuchte er beim König um seinen Abschied. In einem Brief an seinen Freund Rüchel schrieb er [10] :

»der guhte wiener Congreß gleicht einem Jahrmargt in einer kleinen stadt, wo ein jeder sein vih hintreibt, es zu verkaufen oder zu vertauschen; wihr haben einen tüchtigen Bollen hingebracht und einen Schebigen ocksen eingetauscht, sagen die Berliner.
Ich für mein theill habe gleich meinen entschluß genommen und meinen abschid gefordert, erwahrte jeden tag die antwohrt und gehe den für immer nach Schlesien, will Berlin und den Hof nicht wiedersehen. es ist unerhört, wie man uns militairs behandelt; nach England hette man mich nicht genommen, wen der Regent nicht expreß darum geschriben, und nach Wien nahm der König den Policeiminister mit. Der Herr von Knesebeck ist die einzige militair Person, die zu allen dazu gezogen wird, und dieser mensch ist derjenige, der in Frankreich darauf bestandt, daß wihr nach den Rhein zurück marschiren und da Friden Schlissen sollten, und wen ichs nicht bei kaiser alexander durchsetzte, so sahen wir Paris nicht….«

Napoleon und mehr noch König Friedrich Wilhelm III. verdankt Blücher, daß er Paris ein zweites Mal sehen sollte. Am 15.3. schrieb der König an den Feldmarschall: »Ich habe Ihr Gesuch um den Abschied nicht erfüllen können. Da die Erscheinung Napoleon Bonapartes in Frankreich wenigstens die Möglichkeit herbeiführen könnte, daß er noch einmal durch die vereinten Waffen der verbündeten Mächte bekämpft werden müßte, so mag Ich Mich gern überzeugen, daß Ich in einem solchen Kampfe auf Sie wieder mit eben der Zuversicht rechnen darf, mit der Ich die Sache des Vaterlandes in dem letztverflossenen in Ihre Hände gelegt habe…[11]

Verkehrte Welt.

Am 25. März 1815 einigen sich die Teilnehmer des Wiener Kongreß darauf, Napoleon den Krieg zu erklären, wenn England das nötige Kleingeld beisteuere.

England sagte zu – vielleicht zu zahlen.

Noch von Elba aus und während seines Marsches nach Paris entsandte der Despot unaufhörlich Friedensbotschaften und Friedensengel. Von Elba aus erhielt Murat, bis dato König von Neapel, die Aufgabe den Kongreß von Napoleons Qualitäten zu überzeugen, den Erhalt eines stabilen Europas zu sichern. Von Lyon aus erhielt der in der Schweiz weilende Bruder Napoleons Joseph den Auftrag, den Kongreß darüber zu informieren, daß Napoleon die Bedingungen des Pariser Friedens anerkenne.
Seiner habsburgischen Frau Marie Louise schrieb er von Grenoble, Lyon und Auxerre aus, und bat sie, sich an seiner Seite krönen zu lassen.
Am 20. März in Paris angelangt mußte Fouché in einem Brief Marschall versichern, »daß das Kabinett der Tuilerien bereit wäre, jeden Vorschlag der englischen Regierung anzunehmen, der einen soliden und dauerhaften Frieden sichert« . Selbst dem russischen Kaiser Alexander traute Napoleon zu, daß er das ihm zugesandte Angebot ewiger Freundschaft zur Kenntnis nehmen würde [12].

Derweil beriet das englische Unterhaus über das künftige Vorgehen: Napoleon gewähren lassen oder Ludwig XVIII. auf den Thron zu setzen. Einig war man sich nur in der Ablehnung des Vorschlags von Kaiser Alexander, den Herzog von Orléans zum König von Frankreich zu machen.

Napoleons Bemühungen, dem brit. Unterhaus und ganz Großbritannien seinen Friedenswillen und Humanismus zu bekunden gingen sogar so weit, in England die Gewehre zur Friedenssicherung zu bestellen und dem, von Louis XVIII. so entschieden verteidigten freien Handel (mit Sklaven) zu entsagen [13].

Napoleon beauftragte den liberalen Journalisten Constant mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die, an die vergangene napoleonische Rechtsordnung anschließend, Zusatzakte (acte additionnel) heißen sollte und am 23. April veröffentlicht wurde. Die Demokratie hatte gesiegt: die Zahl der Wahlberechtigten stieg von 15000 auf 100000 Mann. Noch bevor über die Zusatzakte abgestimmt war, veranlaßt Napoleon Wahlen [14].

Blücher bei der Truppe…

Das neu aufgestellte preußische Heer wartete am Niederrhein auf seinen Oberbefehlshaber. Blücher traf ein, freute sich über die neue Armee und erfuhr, daß er über keinen Thaler verfügte, die Armee zu unterhalten. Sollte sich Preußen, nur weil ihm die finanziellen Mittel fehlten, an der entscheidenden Schlacht gegen Napoleon teilzunehmen, aus dem Kreis der Großmächte verabschieden?

Auch hier hatte die Weltgeschichte nicht mit Gebhard Leberecht Blücher Fürst von Wahlstatt gerechnet. Am 16. Mai ließ er in Namur eigenmächtig auf London trassieren und die Wechsel, wenn auch mit enormem Verlust, in Elberfeld verkaufen! Dem Bankhaus Rothschild war der preußische Feldmarschall allemal Sicherheit genug, so daß es durch Vermittlung des brit. Generalkommissars Herries statt der von Finanzminister Bülow im April von England erbetenen 100000 Pfd. Sterl. satte 200000 Pfd. Sterl. vorschoß, überbracht von Herries und Salomon Rothschild persönlich [15].

…und bei den Sachsen.

Besonders intelligent war es Blücher ein sächsisches Heeresteil zu unterstellen, dessen Bereitschaft zur Schlacht zwar unbestreitbar war, wenn es auch nicht den ehemaligen Verbündeten und ewigen Fürsprecher Sachsens Frankreich, sondern die Preußen treffen sollte und zwar in persona den Fürsten von Wahlstatt Blücher. Die Einigung im Streit um Sachsen weckte u.a. Befürchtungen, das sächsische Heer könnte wie das Land gemäß der Herkunft der Soldaten ebenfalls aufgeteilt werden.
Der sächsische König befand sich mittlerweile in Wien, als freier Mann das Tanzbein schwingend, ohne Eile der Einigung zuzustimmen, die ihn zum König von halb Sachsen gemacht hätte, würde ihn doch ein siegreicher Napoleon zum König von ganz Sachsen machen. Also unterrichtete er seine Truppen nicht über ihre geplante Verwendung auf Seiten der Allianz gegen Napoleon [16][17].

Das Schlachten in Belgien.

Napoleon hatte keine Zeit, kein Geld, keine Pferde und keine funktionierende Verwaltung. Im Süden des Landes kam es zu Aufständen [18]. Napoleon marschiert nach Norden, in der Hoffnung, daß der Sieg über Blücher und Wellington seine Autorität im Land selbst festige und daß sich England aus dem Konflikt zurückzöge.
Der Monitor sorgt für den nötigen Patriotismus: »Die alten Soldaten eilen überall voll größter Begeisterung herbei, um die 120 Bataillone unserer Infanterieregimenter zu füllen… Überall ist das Volk von patriotische Geist erfüllt und bereit, alle Opfer zu bringen, um die Unabhängigkeit der Nation und die Ehre seines Thrones aufrechtzuerhalten [19]« .

In Belgien hatte er die Wahl, die südöstlich vor Brüssel liegenden Preußen anzugreifen, dabei Gefahr laufend, daß Wellington, nach reiflicher Überlegung und nach Ausarbeitung eines gründlichen Planes, Blücher spontan zu Hilfe eilte oder Wellington, der nordwestlich vor Brüssel lag, unter der Gefahr anzugreifen, daß Blücher Fall auf Knall Wellington unter die Arme griff [20].

Die Schlacht bei Ligny.

Marschall Ney zieht mit zwei Corps nach Quattre Bras, um die Verbindung zwischen Blücher und Wellington abzuriegeln. Napoleon selbst marschiert mit der Hauptmacht von 75000 Mann gegen die Preußen bei Ligny. Das III. Corps unter Vandamme dringt in Saint Amand ein und besetzt das linke Ufer der Ligne. Das IV. Corps drang in Ligny ein und nahm seinen Weg Richtung Bry.
Blücher griff nun an der Spitze eines Bataillons mit zwei Brigaden an und warf die Franzosen zurück. Immer neue französische Angriffswellen verhinderten ein weiters Vorankommen. Gegen Saint Amand schickte er eine Brigade in ein lang andauerndes Gefecht. Für die Preußen wurde es eng. Bülow ließ auf sich warten und Wellington kam nicht [21].

Napoleon verlegte den Schwerpunkt seines Angriffes von Saint Amand nach Ligny. Blücher schwächte seine Position in Ligny, um in Saint Amand vorrücken zu können. Als die Franzosen bei Ligny vordrangen, um den Preußen in den Rücken zu fallen, sammelte Blücher die greifbaren Reste seiner Kavallerie und jagte an ihrer Spitze den Franzosen entgegen.
Nach schweren Verlusten wurde der Angriff abgeblasen. Beim Rückzug wurde Blüchers Pferd erschossen. Der Feldmarschall kam beim Sturz unter ihm bewußtlos zu liegen. Der neben Blücher reitende Nostiz stieg ab und blieb mit gezogenem Säbel bei Blücher. Die Franzosen jagten vorbei, den Preußen hinterher, ohne sich um die beiden zu kümmern. Ein preußischer Gegenangriff ermöglichte es dann, mit Unterstützung des Ulanen Schneider, den Feldmarschall unter dem Pferd herauszuziehen. Wenige Minuten später vertrieben die Franzosen in einem Gegenangriff die Preußen endgültig von diesem Fleckchen Erde [22].

Die Nacht war hereingebrochen und Gneisenau hatte in Blüchers Abwesenheit den Rückzug angeordnet, mangels Kavallerie gedeckt durch einige alte Regimenter Fußvolks. Rückzug bedeutete in diesem Zusammenhang nach Wavre zu gehen, um mit Bülow, falls nötig, Wellington zu unterstützen.

Blücher, nach der Schlacht am 17.7. in Wavre, in einem Brief an seine Frau [23] :

»Napoleon hat mich gestern nachmittag um 3 Uhr mit 120000 man linien Truppen angegriffen; daß gefecht dauerte bis in die nacht, beide armeen haben ville menschen verlohren, ich habe mich heutte neher an den lord Wellington gezogen, und in einigen tagen wird es wahr scheinlich wider zur Schlacht kommen. alles ist voll muht und wenn Napoleon noch einige solcher Schlachten liffert, so ist er mit seiner armeh fertig. vorgestern ist ein Divisions=Generall, namens Bourmont, mit seinen ganzen stabe zu mich über gegangen und gestern wider ein obriste und mehrere officir. ich bin in der afair damit weggekommen, daß sie mich einen Englischen Schimmel erschossen haben. Gneisenau hat daßselbe gehabt. wihr sind beide von den Fallen mit den Pferden etwas mitgenommen, sonst bin ich und meine umgebung gesund, und mein kreuz braffer Nostiz hat mich einen großen Dienst gethan, da er mich unter dem Pferde herausgeholffen… «.

Die Schlacht bei Waterloo.

Napoleon schickte Marschall Grouchy mit 32 000 Mann Blücher hinterher und wandte sich mit der verbleibenden Streitmacht gegen Quattre Bras.
Die Engländer gingen zurück und zogen Napoleon in Wellingtons Stellung von Mont Saint Jean. In der Nacht zum 18. fiel heftiger Regen und verwandelte die Gegend in einen Sumpf. Der Hauptstellung Wellingtons vorgelagert befanden sich drei von den Engländern befestigte Anwesen, das Vorwerk Hougomont rechts, die Meierei la Haye sainte in der Mitte und das Dorf La Haie links.
Am späten Nachmittag hatten die Franzosen in verlustreichen Kämpfen la Haye sainte und das Vorwerk Hougomont erobert und der Weg war frei Wellingtons Zentrum anzugreifen [24].

Kurz darauf erschienen die ersten Preußen: die voll intakte Heeresgruppe von Bülow mit Blücher an der Spitze.
Noch bevor letzterer Wellington seine Ankunft mitgeteilt hatte, ließ er unter dem Kommando des Prinzen Wilhelm von Preußen die beiden Brigaden Fußvolk und Reiterei im Rücken des rechten Flügels von Napoleon vorrücken und die Dörfer Frichemont und Placenoit nehmen.
Von Marschall Grouchy – der mit seinen 32 000 Mann Blücher an den Fersen bleiben sollte – fehlte jede Spur, da er damit beschäftigt war den Pyrrhussieg von Wavre gegen Thielemann zu erfechten. Also mußte der Noch-Kaiser sein VI. Corps gegen Blücher marschieren lassen. Nach und nach trafen weitere preußische Heeresteile ein und erhielten alle die eine Order, Belle Alliance, Napoleons Hauptquartier, direkt anzugreifen [25].

Durch Einsatz seiner Jungen Garde gelang es Napoleon Placenoit zurück zu erobern. Jetzt war der Weg frei, mit aller Macht gegen Wellingtons Zentrum, in starkem Geschützfeuer, vorzugehen. Napoleons Verluste sind hoch, er schickt die Alte Garde in den Granathagel und das Feuer der Engländer wird schwächer. Die Franzosen erobern Kanone um Kanone. Da rückt Zieten über Papelotte vor, nimmt mit seinen 24 Kanonen die Franzosen unter Beschuß, und marschiert unter Trommelwirbeln im Sturmschritt Richtung Belle Alliance [26].

Wellington vermag den wenig bedrängten rechten Flügel nach der Mitte umzugruppieren und geht seinerseits gegen die Franzosen zum Angriff über. Das französische Heer zeigt Auflösungserscheinungen. An einen Sieg glaubt keiner mehr. Um 9 Uhr abends nehmen Pirch und Bülow das Dorf Plancenois und zwingen damit die noch am Leben befindlichen Franzosen ihre Schlafstätte in Frankreich zu suchen.

Lord Wellington und Fürst Blücher gleichen sich in nichts, der eine ganz Aristokrat und Denker der andere ein lebensfroher Spieler. Verglichen mit den Erfahrungen die der Feldmarschall mit Bernadotte oder Schwarzenberg machte, war die Zusammenarbeit mit Wellington glänzend. Blücher in dem Brief vom 19. Juni 1815 an seine Frau: »Schlachtfeld Belle=Alliance. Was ich versprochen, habe ich gehalten: den 16. Junius wurde ich gezwungen, der Gewalt zu weichen; den 18. habe ich in Verbindung meines Freundes Wellington Napoleon das Garaus zu machen… [27] «

Wellington – kein Mann von Gefälligkeitsurteilen – schreibt in seinem Bericht an den Prinzregenten von England: »Ich würde nicht nach meiner Überzeugung sprechen, wenn ich nicht dem Feldmarschall Blücher und dem preußischen Heer das glückliche Ergebnis dieses furchtbaren Tages beimäße, durch den Beistand, welchen sie mit so großer Bereitwilligkeit und so zu rechter Zeit mir geleistet haben [28]
Daß Wellingtons Bericht übel aufstieß weil er zudem das eigene Genie in geradezu britischer Weise aufblies, ist dem kulturell bedingten Unterschied zwischen britischer Gespreiztheit und preußischer Nüchternheit zuzuschreiben.

Anmerkungen:

[A] Napoleon in einem Gespräch mit Lord Ebrington:

»Ihr habt Frankreich alle Mittel gelassen, wieder furchtbar zu werden, und habt zu gleicher Zeit die Eitelkeit aller Franzosen verletzt und Gefühle der Erbitterung hervorgerufen, die, wenn sie sich nicht in irgend einem äußeren Streite entladen können, früh oder spät eine Revolution oder den Bürgerkrieg erzeugen werden. Ich kenne den Charakter der Franzosen zu gut; er ist nicht stolz wie der Engländer, aber noch weit ruhmrediger; bei ihm ist die Eitelkeit die Quelle von allem, seine Eitelkeit macht ihn fähig, alles zu unternehmen. Die Soldaten waren mir aufrichtig ergeben, ich war ihr Kamerad. Ich habe Erfolge mit ihnen errungen, aber sie wußten auch, daß ich sie gut belohne; sie fühlen jetzt, daß sie nichts mehr sind. In Frankreich gibt es jetzt 700000 Mann, die die Waffen getragen haben….«
 
»Keine Klasse war vom Kriegsdienst befreit, die höchsten fanden Einständer für den Preis von 4000 Franken. Die Leute aus den unteren Klassen werden es jetzt fühlen, daß alle Soldaten nur aus ihren Reihen hervorgehen, ohne daß sie dieselben Aussichten auf Beförderung haben, wie unter mir. Übrigens habe ich doch auch junge Leute aus den höheren Ständen begünstigt; für einen Edelmann ist es hart, ihn mit dem Soldaten in ein Bett legen zu wollen, deswegen habe ich Elitekorps geschaffen, z.B. die Ehrengarde. Es war immer mein Wunsch, die adligen Familien in ihrem Glanze wieder herzustellen, und ich hatte in meiner Armee und in meinem Hofstaate viele junge Leute aus diesen…..«
 
»In England kann der Fürst bei Ernennngen seinen persönlichen Neigungen folgen, er darf krank, selbst ein wenig verrückt sein, und die Geschäfte gehen deswegen nicht minder ihren geregelten Gang, weil ihre Ordnung vom Ministerium und Parlamente gemeinsam geschieht. In Frankreich ist der König die Quelle von allem, man legt dort größte Wichtigkeit auf seine kleinsten Handlungen..«
 
»Alexander… ist so unbeständig und falsch, daß man nicht wissen kann, ob die Gesinnungen, die er an den Tag legt, aufrichtig sind… Wir stritten eins über die verschiedenen Regierungsformen, er war für die Wahlmonarchie, ich dagegen einer ganz entgegengesetzten Meinung, denn wer ist würdig gewählt zu werden? Die Erbfolge ist besser als die Würfel.
Der Kaiser von Österreich hat weniger Geistesumfang, als Alexander, aber er ist ehrlicher. Auf ihn würde ich mich eher verlassen…
Was den König von Preußen betrifft, so gehen seine militärischen Kenntnisse nicht weit über die eines Korporals hinaus. Von den Dreien ist er unstrittig am wenigsten geistreich [2]


 

Quellen:
[ 1] von Lettow-Vorbeck, Oscar, Befreiungskriege Bnd. 1, Berlin 1904, S. 1
[ 2] ebd. S. 38
[ 3] ebd. S. 13 und S. 15
[ 4] Lentz, Thierry, 1815, München 2014, S. 273
[ 5] von Lettow-Vorbeck, Oscar, a.a.O. S. 25
[ 6] Varnhagen von Ense, Fürst Blücher von Wahlstatt, Wolfenbüttel 2016 (Nachdruck der Originalausgabe von 1912), S. 307
[ 7] Lentz, Thierry, a.a.O. S. 278
[ 8] von Lettow-Vorbeck, Oscar, a.a.O. S. 45
[ 9] ebd. S. 51
[10] Hrsg.: Capelle, Wilhelm, Blüchers Briefe, Leipzig 191?, S. 68
[11] von Lettow-Vorbeck, Oscar, a.a.O. S. 82f
[12] ebd. S. 92
[13] ebd. S. 102f
[14] ebd. S. 120f
[15] Ehrenberg, Richard, Große Vermögen – Ihre Entstehung und ihre Bedeutung, Jena 1905, S. 68
[16] Krause, Arnulf, Der Kampf um Freiheit, Darmstadt 2013, S. 300f
[17] von Lettow-Vorbeck, Oscar, a.a.O. S. 80
[18] von Lettow-Vorbeck, Oscar, a.a.O. S. 124
[19] ebd. S. 120
[20] Varnhagen von Ense, a.a.O. S. 313
[21] ebd. S. 318
[22] Varnhagen von Ense, a.a.O. S. 320
[23] Capelle, Wilhelm, a.a.O. S. 70
[24] Varnhagen von Ense, a.a.O. S. 327
[25] ebd. S. 331
[26] ebd. S. 333
[27] Capelle, Wilhelm, a.a.O. S. 71
[28] Varnhagen von Ense, a.a.O., S. 335