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1840 Palästina und Gottgnadentum.

Die Zuspitzung der französisch-britischen Rivalität nutzte Preußen seine Beziehungen zu den Angelsachsen zu verbessern. Aus dieser Beziehung sollte ein neues Bistum in Palästina hervorgehen.

Frankreich strebt nach der Dominanz im Mittelmeer.

Mehemed Ali Pascha, der mächtigste Fürst des osmanischen Reiches, Beherrscher Ägyptens, des Sudans und Syriens, war kein Freund Englands, zumal England maßgebend für die Versenkung seiner Flotte, die er zur Unterstützung des Sultans Machmud II. zur Niederschlagung eines Aufstandes der Helenen entsandt hatte, war.
Mehemed Ali Pascha war auch kein Freund des Sultans, da der ihm die, für seine Dienste, im Kampf gegen die syrischen und griechischen Aufständischen, versprochene Statthalterschaft über Syrien vorenthielt [ 1].

1830 wurde in Frankreich die Bourbonen-Herrschaft gestürzt. Die zweite Kammer des Parlamentes hob Louis Philippe von Orléans auf den Königsthron, was, würde es nach dem Wunsche des russischen Kaiser Alexander I. gegangen sein, bereits 15 Jahre zuvor hätte geschehen können.

Alexanders Nachfolger Nikolaus I, ein verbitterter Feind aller Aufklärung, geprägt von den Aufständen, die seiner Thronbesteigung folgten, lief keinerlei Gefahr in die Fußstapfen seines Bruders Alexander zu treten. Er verachtete den vom Parlament gekürten Bürgerkönig Louis Philippe so sehr um ihn und Frankreich durch fortdauernde Beleidigungen zu verärgern.

Frankreich unterwarf sich Algerien, was England nicht zulassen wollte. Somit wurde Mehemed Ali Pascha den Franzosen zu einem willkommenen Bündnispartner zur Sicherung seiner algerischen Beute.

1833 schloß Rußland ein Defensivbündnis mit dem Osmanischen Reich. Die Gegenleistung des Sultans war die Sperrung der Dardanellen für fremde Kriegsschiffe. Die Quadrupel-Allianz (England, Rußland, und Österreich – das sparsame Preußen nur mit aufmunternden Worten) rüstete Sultan Mahmud zum Krieg gegen Mehmed Ali.

Am 24, Juni 1839 kam es zur Schlacht bei Nisis, die die Truppen des Sultans verlor. Sultan Mahemud starb kurz darauf, Nachfolger wurde der 16 jährige Abd ul-Medschid. Großadmiral Achmed Pascha bezweifelte die Autorität des jungen Sultans und lief mit der gesamten osmanischen Flotte zu Mehemed Ali über. Mehemed Ali ergriff die Gelegenheit und wollte mit Frankreichs Hilfe den Sultan stürzen [ 2].

Die Konferenz von London 1840.

Der englische Premier Palmerston lud 1840 zur Konferenz nach London.

Das Preußen jener Jahre war zu schwach, um anderes im Schilde zu führen, als seine Grenzen gegen die französische Bedrohung zu sichern. Ihm lag es fern, sich an irgendwelchen Kriegen zu beteiligen. Dieser Einstellung Friedrich Wilhelm III., der im Juni 1840 starb blieb auch sein Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. treu.

Friedrich Wilhelm IV. anläßlich des Huldigungsfestes in Berlin Okt. 1840 [ 3]:

»Wem von Ihnen nun der Sinn nicht nach einer so genannten glorreichen Regierung steht, die mit Geschützdonner und Posaunenton die Nachwelt ruhmvoll erfüllt, sondern wer sich begnügen lassen will mit einer einfachen, väterlichen, echt teutschen und christlichen Regierung, der fasse Vertrauen zu Mir.«

Davon abgesehen vertrat König Friedrich Wilhelm IV. die Ansicht des Kaisers von Rußland, der die alte Viererallianz zwischen England, Rußland, Österreich und Preußens erneuern wollte. Vor allem wollte der König von Preußen die Schwäche des Sultans ausnutzen, um die evangelischen Kirche in Jerusalem zu verankern, damit sie den dort bereits vertretenen orthodoxen und lateinischen Kirche gleichgestellt werde. Um die Zustimmung des Sultans erhalten zu können, bedurfte es eines Bischofs als Oberhaupt eines eigenen evangelischen Bistums [ 4].

Friedrich Wilhelm IV. war ein Träumer, ein Träumer allerdings, der seine byzantinisch anmutende Vorstellung eines preußischen Königtums von Gottes Gnaden durchzusetzen beabsichtigte. Zwischen Gott und König sollte kein Blatt Papier mehr passen [ 5].

Konsequent lieferte er seiner Monarchie die einzig mögliche Legitimation, nämlich eine ethische. Das zeichnet ihn vor anderen Herrschern, nicht nur seiner Zeit, aus. Der König von Preußen war angetreten sich seine Kirche zu schaffen, sie in den Mittelpunkt rückend aufzuwerten, um die Gesellschaft auf ein stabiles Fundament zu stellen. Das Ansehen der evangelischen Kirche zu heben, bedurfte es ihrer Präsenz in Jerusalem.

Palmerston unterstützte die Idee der Gründung eines Jerusalemer Bistums. Der Brite konnte Preußen als Bundesgenossen im Kampf gegen eine drohende französische Vorherrschaft im Mittelmeer gut gebrauchen.

Die Konferenz in London forderte von Mehemed Ali seine syrischen Besitzungen aufzugeben. Doch der dachte nicht daran auf die Forderung einzugehen. Ohne den König Friedrich Wilhelm IV. davon in Kenntnis gesetzt zu haben, riet der preußische Gesandte in London, Heinrich von Bülow, Lord Melbourne, Frankreich vor vollendete Tatsachen zu stellen und Mehemed Ali Pascha militärisch zu bedrängen, ihn zu Zugeständnissen zu nötigen, bevor Frankreich reagieren könne.

Mit englischem Geld ausgestattet erschien die englisch-österreichische Flotte an der syrischen Küste (Küstenstreifen von der heutigen syrischen Küste über die libanesische bis zur israelischen Küste), besetzte einige syrische Festungen und versorgte gegen Mehemed Ali Pascha aufbegehrende Drusen und Maroniten mit Waffen.
Mehemed Alis Sohn, Ibrahim Pascha mußte Syrien räumen und zog sich mit seiner Armee nach Ägypten zurück [ 6]. Nachdem in Syrien erfolgreich für Unruhe gesorgt worden war zog die englisch-österreichische Flotte weiter nach Alexandria. Mehemed Ali wurde zur Unterzeichnung einer Konvention gezwungen, nach der er die Herrschaft über Syrien und Kreta aufzugeben und die Flotte dem Sultan zu überlassen habe.

Auf Bülows Drängen hin, sollte Mehemed Ali Pascha vom Sultan Ägypten als erblichen Besitz erhalten. Frankreich hatte bei seinen Abenteuern in Algerien Federn lassen müssen und war froh über das Einlenken der Quadruppel-Allianz. Doch die Pforte weigerte sich, Bülows Plänen zu folgen. Gemeinsam mit Österreich wurde der Herrscher des Osmanischen Reiches davon unterrichtet, daß ihm die beiden deutschen Staaten jegliche Unterstützung entzögen, falls der Sultan nicht einlenke. Nachdem auch Rußland auf die deutsche Linie eingeschwenkt war, kam es am 30. Januar 1841 zum Abschluß des Londoner Vertrages [ 7] [ 8]

Das evangelische Bistum von Jerusalem.

Friedrich Wilhelm IV. von Preußen plante die Einrichtung eines Evangelischen Bistums in Jerusalem durch England bzw. die Anglikanische Kirche realisieren zu lassen, vor allem aus der praktischen Erwägung, daß die englische Kirche bereits über Grundbesitz in der heiligen Stadt verfügte. Die brit. Regierung stand dem Projekt zunächst ablehnend gegenüber.
Der von Preußen mit Sondierungen beauftragte Bunsen vermochte es jedoch, die Anglikanische Kirche für die Pläne des preußischen Königs zu gewinnen, begünstigt, erregten doch Pusey und Newman durch ihren Versuch die Anglikanische Kirche in den Schoß der katholischen zurückzuführen lebhaften Widerstand [ 9].

Das Augsburger Bekenntnis.

Ein von Anglikanern und Protestanten gemeinsam getragenes Bistum von Jerusalem, mußte das Augsburger Manifest (von Melanchton 1530 verfaßt) übernehmen.
Dies Manifest [10] enthält Grundsätze, die den Kirchengemeinden einen Schutz vor politischem und wirtschaftlichem Mißbrauch gewähren sollen.

Artikel 4 des Augsburger Bekenntnis:
"Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können, sondern daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben..."
Artikel 15
"Darüber hinaus wird gelehrt, daß alle Satzungen und Traditionen, die von Menschen zu dem Zweck gemacht worden sind, daß man dadurch Gott versöhne und Gnade verdiene, dem Evangelium und der Lehre vom Glauben an Christus widersprechen."
Artikel 16
"Deshalb sind es die Christen schuldig, der Obrigkeit untertan und ihren Geboten und Gesetzen gehorsam zu sein in allem, was ohne Sünde geschehen kann. Wenn aber der Obrigkeit Gebot ohne Sünde nicht befolgt werden kann, soll man Gott mehr gehorchen als den Menschen."

Unter Federführung der Anglikanischen Kirche unter Respektierung des Augsburger Bekenntnis wurde das Evangelische Bistum von Jerusalem gegründet. Im Nov. 1841 wurde der evangelischen Bischof von Jerusalem Alexander durch den Erzbischof von Canterbury geweiht.
Der König von Preußen fungierte als Stiftungsgeber und spendete die Hälfte des zum Unterhalt des Bistums erforderlichen Geldes. Nach nicht allzu langer Zeit entstanden ein Weisenhaus, ein Hospital und eine Schule. Drei Gemeinden kannten den Bischof als ihr Oberhaupt an, eine deutsche, eine englische und eine arabische Gemeinde [11].

In seinen Traum versunken zeichnete Friedrich Wilhelm IV. Pläne zum Bau einer Kirche in der Heiligen Stadt. Seinen Baumeister August Stüler bat er die Entwürfe zu verfeinern [12]:

Mein Plan durch Stüler, der sehr modificationsfähig ist trägt nach meinem Gefühl das Gepräge christlich evangelischer Demuth und hat die Form der urchristlichen, ich möchte sagen, der fast apostolischen Baue…

Die Liebhaberei Friedrich Wilhelm IV. sollte, wenn auch nicht zu seinen Lebzeiten, Früchte tragen.

47 Jahre später.

Am 30. Oktober 1889 weihten Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Victoria die Erlöserkirche in Jerusalem ein. In der von ihnen unterzeichneten Urkunde über die Einweihung fehlt nicht der Hinweis auf Friedrich Wilhelm IV., der dafür Sorge trug, der evangelischen Kirche in der Heiligen Stadt Raum zu geben.

Quellen:

[ 1] Muhammad Ali Pascha auf www.coladores.lima-city.de aufgerufen am 5.5.2019
[ 2] Illustrierte Weltgeschichte Vierter Band, Berlin 1923, S. 208
[ 3] Herre, Franz, Friedrich Wilhelm IV. – Der andere Preußenkönig, Gernsbach 2007, S. 68
[ 4] Treitschke, Heinrich von, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert Fönfter Teil, Leipzig 1927, S. 119ff
[ 5] Ranke, Leopold von, Aus dem Briefwechsel Friedrich Wilhelm IV. mit Bunsen, Leipzig 1873, S. 87
[ 6] Treitschke, Heinrich von, a.a.O. S. 111
[ 7] ebd. S. 112f
[ 8] Illustrierte Weltgeschichte, a.a.O. S. 229
[ 9] Treitschke, Heinrich von, a.a.O. S. 119
[10] Das Augsburger Bekenntnis auf www.ekd.de aufgerufen am 5.5.2019
[11] Treitschke, Heinrich von, a.a.O. S. 121
[12] ebd. S. 119ff