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Ferdinand von Schill.

»Das ganze Unternehmen war ein Märchenzug, ein Stück aus der Rumpelkammer der Kabinettskriege.«

Wolfgang von Unger a.a.O. S. 331

In den von Georg Bärsch verfaßten Erinnerungen werden Ferdinand von Schill und seine Kameraden zu Menschen, die sich gemeinsam ohngeacht der Schwächen ihrer Kameraden ihnen gleich zur Befreiung Deutschlands von der Herrschaft eines der rücksichtslosesten Despoten der Geschichte entschlossen zeigten. Schills Unternehmen mußte scheitern, die Weise in der dies geschah ist bemerkenswert. Das Leben bringt zuweilen Menschen hervor, die im Einklang mit den Erfordernissen der Zeit, weiter nichts als das eigene Leben wagen.

Schill gehörte nicht zu ihnen. Das Schicksal des Ferdinand von Schill kann aber jenen als abschreckendes Beispiel dienen, die sich im Spiel gnadenloser Strategen von falschen Freunden und dem eigenen Geltungsdrang geblendet, im besten Glauben einem edlen Ziel zu dienen, auf dem Weg zur Schlachtbank befinden.

Georg Bärsch, am 30.09.1778 in Berlin geboren, nahm am unglücklichen Feldzug von 1806 im Armeekorps des Fürsten Hohenlohe-Ingelheim als Lazarettinspektor teil. Nachdem Hohenlohe nahe Berlin die Waffen gestreckt hatte, ging Bärsch nach Berlin. Dort verkündete am 17. Oktober 1806 der Gouverneur Graf von der Schulenburg [s1]: „Der König hat eine Bataille verloren, die erste Bürgerpflicht ist Ruhe.“

…die erste Bürgerpflicht ist Ruhe?

Bärsch hörte dies und daß der preußische Offizier, Sekonde-Leutnant Ferdinand von Schill (* am 06.01.1776 in Wilmsdorf bei Dresden) nicht geneigt war, den Krieg gegen die Franzosen einzustellen. Schill hatte bis dahin im renommierten Dragonerregiment Anspach-Bayreuth gedient, war in der Schlacht bei Auerstedt verwundet worden und hatte sich bis zur Festung Kolberg durchgeschlagen. Hier stellte er ein Freikorps zusammen und begann mit der militärischen Vorbereitungen zur Verteidigung Kolbergs, das auch Dank seines legendären Bürgerrepräsentanten Joachim Nettelbeck zu den wenigen Festungen gehören sollte, die Napoleon den Einlaß verwehrten.

Bärsch ließ sich Ende 1806 von der Firma Louis Poland mit Warenproben von Kaffee, Zucker und ähnlichem ausstatten, er ließ sich einen Pass ausstellen, der ihn als Commis voyageur (Handlungsreisender) auswieß und fuhr mit der Post nach Stettin.

Major von Jagow hatte zu der Zeit Wollin mit einer Abteilung des Schill’schen Korps angegriffen. Zwar war der Angriff abgeschlagen worden und Jagow tot, Schill wurde aber noch in der Nähe der Stadt vermutet und Bärsch schiffte sich nach Wollin ein [2].

Kriegsschauplätze 1806/07
 
Kriegsschauplätze 1806/07

In Wollin fand er einen Schiffer, der ihn und zwei weitere Passagiere (Wocke – vormals Regierungsreferendar in Posen und Müller) in seinem Nachen (bzw. Kahn) heimlich nach Kammin beförderte. Von Kammin aus ging es weiter nach Kolberg.

Ferdinand von Schill hatte am 1. Februar 1807 die Erlaubnis zur Errichtung eines Freikorps erhalten. Sein Trupp erhielt die Aufgabe, Streifzüge in die Umgebung Kolbergs zu unternehmen, Aufklärung zu betreiben sowie Verteidigungsmittel, Rekruten und Geld zur Verteidigung der Festung zu beschaffen. Im Laufe der Zeit wuchs Schills Freikorps auf über 1000 Mann an, was neben den Erfolgen im Kleinkrieg gegen die Franzosen, darin begründet war, daß die Prügelstrafe abgeschafft war und die Offiziere die Mannschaften achteten [s2]. Nicht die Geburt sondern die Leistung sollte für die Laufbahn ausschlaggebend sein.

Ein beredtes Beispiel dafür liefert der Lebenslauf des Sohnes eines Schullehrers zu Liebenwalde, Karl Friedrich Wilhelm Reyher, zunächst Hauptmann bei Schill, 1815 zum Major befördert, 1828 in den Adelsstand erhoben, 1843 Mitglied des Staatsrates und 1852 ausgezeichnet mit dem Roten Adlerorden 1. Klasse mit Eichenlaub, 1855 zum General der Kavallerie ernannt. Reyher hatte den gesamten Feldzug gegen Napoleon – von Groß-Görschen, die Katzbach, Montmirail, Belle Alliance (Waterloo) bis Paris mitgemacht [28f].

Festungskommandant Oberst von Lucadou war wenig erfreut, als Bärsch sich bei ihm nach Schill erkundigte. Für Lucadou gehörte Schill zu jenen Männern und Frauen, die ihm den geplanten, bequemen, wenn auch schmachvollen Lebensabend gefährdeten. Schill sah keine Möglichkeit seine Fähigkeiten unter dem Festungskommandanten Lucadou zur Entfaltung zu bringen und war nach Stralsund gegangen [c1]. Bärsch zog weiter nach Danzig.

Lucadou wurde im April 1807 durch Major Neithardt von Gneisenau ersetzt. Schill kehrte aus Stralsund zurück und entfaltete eine rege Tätigkeit. Die Lage in Kolberg spitzte sich zu. Zum Schutz der Festung hatte König Gustav von Schweden eine Fregatte entsandt, deren Artillerie den Angreifern ab 30. April erhebliche Verluste beibrachte [c2].

Mit Blücher in Schweden.

Im Gegenzug versprach der König von Preußen den Schweden Hilfstruppen auf Rügen zu landen. Blücher, der die jüngsten Niederlagen General Benningsens in Ostpreußen gegenüber seinen Soldaten, nicht ohne zuvor den General eine Weile mit „feuersprühenden Augen“ angeblickt zu haben, mit den Worten quittierte: »Kommt, Kinder, hier ist alles verloren! Wir sind verraten und verkooft!«, fand sich im Hause des ostpreußischen Gouverneurs General von Rüchel ein, um mit der sich hier verkehrenden Gesellschaft und der nicht selten anwesenden Königin, Leinwand für die Verwundeten zu zupfen, wobei das ihm zugeteilte Leinwandstück wohl versehentlich in der eigenen Säbeltasche wanderte. Da stellte sich die Frage: Wer geht nach Schweden; Rüchel oder Blücher? Rüchel mußte bleiben, die kommenden politischen Ereignisse zu regeln. Also ging Blücher

Am 6. Mai 1807 erhielt Blücher die königliche Order [b1]:

»…indem Ich zu Eurer Kriegserfahrenheit, zu Eurer Bravour und zu Eurer Anhänglichkeit an Meine Person und den Staat das Vertrauen habe, daß Ihr mit dem Korps so kräftig als möglich gegen den Feind wirken werdet. Eine ausführliche Instruktion hierüber kann Ich Euch nicht geben. Ich muß Euch vielmehr überlassen, ganz nach Eurer besten Einsicht und nach Umständen zu handeln; nur mit der schwedischen Armee werdet Ihr in dem genauesten Einverständnis handeln müssen, weil nur durch ein gemeinschaftliches Wirken ein größerer Zweck erreicht werden kann.«

Blücher traf Ende Mai in Stralsund ein.

Am 12. Mai 1807 schiffte sich Schill auf Befehl des neuen Festungskommandanten Gneisenau mit der Kavallerie von Kolberg nach Schwedisch-Pommern ein, zunächst in der Absicht, die Schweden um Unterstützung für Kolberg zu ersuchen dann aber um das von Blücher geführte Korps zu verstärken.

Während Blücher im schwedischen Stralsund mit dem König Gustav von Schweden über die Kündigung seines Waffenstillstandes mit den Franzosen verhandelt, die Verstärkung seines eigenen Korps betreibt und die Engländer mit 10 000 Mann auf Rügen landen halten die Kämpfe in Ostpreußen und Pommern an [b2]. Blücher residiert in Treptow und wird Mitte August 1807 Gouverneur von Pommern und der Neumark [b3].

Bärsch erlebte das Ende des alten Preußens in Krockows Freikorps.

In Danzig war es Major Graf Reinhold von Krockow, ehedem Rittmeister in Blüchers Husarenregiment, der mit Erlaubnis des Königs, ebenfalls ein Freikorps zusammenstellte. Bärsch erhielt Anstellung als Oberjäger und absolvierten nach einer millitärischen Grundausbildung, bei Hauptmann Braun das Offiziersexamen. Braun war zu der Zeit Generaladjudant des Gouverneurs General von Manstein [4].

Krockow verfügte über vier Kompagnien Infanterie zu je 150 Mann und einer Kavalerie von 200 Mann und Pferden. Als polnische Insurgenten in der Gegend von Stolp (Hinterpommern) Güter beschlagnahmten (requirierten), entsandte Krockow am 10.02.1807 – nicht zuletzt aus eigenem Interesse, befand sich das Gut Krockow doch in Stolp – einen Teil seines Korps unter dem Kommando Hauptmanns von Gutzmerow dem entgegenzutreten, letztlich aber um sein Korps mit Schills Truppen zu vereinen.

Stolp.

Nachdem die Polen Lauenburg, Lupow und Bütow besetzt hatten forderten die die Übergabe der Stadt Stolp. Der polnische Kommandand, an der Spitze von 1500 schlecht bewaffneten Reitern, blies seinen Haufen auf 6000 Mann auf und drohte mit weiteren 12 000 Mann des Generals Dombrowski [6].

Nun hatte die vom Freikorp gestellten Wachen am Neuen Tor in Stolp dem Alkohol so sehr zugesprochen, um das Eindringen der polnischen Reiter in die Stadt zu verhindern zu können. Bärsch befehligte die Wachen am Mühltor, denen es in nüchternem Zustand gelang, den polnischen Angreifern zu widerstehen.

Insgesamt büßte das Freikorps 50 Mann (Tote und Verwundete) ein. 200 tote polnische Reiter und 80 Pferde wurden von den Angreifern in der Stadt zurückgelassen. Sechs Polen hatten im alkoholisierten Zustand den Befehl zum Rückzug überhört und pures Glück (in diesem Fall das Eingreifen Bärschs) rettete sich davor von den Jägern erschossen zu werden [8].

Die Jäger zogen sich aus Stolp zurück, um einem zweiten Ansturm auf die Stadt auszuweichen, und erreichten über Freist, Schmollin, Charbrow, Klein-Perlin und Stresin am 23. Februar Neustadt [9]. Ohne Verzug ging es weiter nach Lauenburg, wo Major Krockow sich mit zwei Kompagnien seines Korps befand.

Das Freikorps in Danzig.

Der Gouverneurs von Danzig befahl kurz darauf Krockow sich nach Danzig zurück zu ziehen. Der in Stolp verwundete Bärsch nutzte seinen Krankenstand dazu sich mit Hilfe des Pfarrers Mrongovius der polnischen Sprache zu erlernen.

Als die Franzosen nach Danzig drängten erhielt die Garnison der Stadt am 26. März 1807 den Befehl zum Ausfall. Ziel war das von feindlichen Truppen besetzte Stolzenberg. Durch Versehen erhielt der Major des Freikorps Graf von Krockow den Befehl zum Ausmarsch eine Stunde zu spät, d.h. um 6:00 Uhr. Das Freikorps ging zwischen Gaspersee und Strand vor, die Kavallerie bis Oliva.

Der Angriff gegen Stolzenberg war bereits abgeschlagen worden und die Franzosen hatten mit dem Gegenschlag begonnen. Das Freikorps wurde nach Neufahrwasser zurückgedrängt und erlitt herbe Verluste. Bärsch dessen Pferd beim Übersetzen eines Grabens zusammengeschossen worden war, kam unter dem toten Tier zu liegen und konnte sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien. Polnische Ulanen kamen heran ihn zusammenzuschlagen [11].

Feldwebel der Leibkompanie August Schmidt aus Prädickow erkannte die Notlage, ging mit einigen Männern gegen die Ulanen vor und vermochte so Bärsch das Leben zu retten. Während der Kämpfe wurde Major Graf von Krockow verwundet und gefangen genommen [12]. Ebenfalls in Gefangenschaft geriet Premierleutnant von der Osten-Sacken, unter dessen Führung die Leibkompanie gestanden hatte.

Das Kommando über das Freikorps ging an Oberst Schüler von Senden, dessen spezielle Führung an Major von Mutius. Die Führung der Leibkompanie wurde Bärsch übertragen [13].

Weichselmünde.

Am 15. Mai unternahmen der russische General Kaminskoi einen Angriff auf die Franzosen. Bärsch erhielt den Auftrag das russische Vorgehen mit den 50 Mann seiner Leibgarde zu unterstützen, den Flecken Weichselmünde zu nehmen und anzuzünden. Bärsch erledigte seine Aufgabe und ließ den Flecken nachdem er den Einwohnern Gelegenheit gegeben hatte ihr mobiles Hab und Gut zu retten mit Widerwillen mithilfe russischer Pechkränze in Brand setzen. In der Nacht vom 25. zum 26. Mai zog sich Kaminskoi zurück und ließ seine Truppen nach Pillau einschiffen. Der Gouverneur Graf von Kalckreuth verhandelte über die Kapitulation. Oberst Schüler von Seden, wie auch viele seiner Offizere und Mannschaften hatten Mühe sich der Kapitulation nicht zu widersetzen. Erst ein Brief des Königs mit dem Befehl die Besatzungen von Neufahrwasser und Weichselmünde nach Pillau einzuschiffen besänftigte die Gemüter. Viele der polnischen Soldaten des preußischen Freikorps blieben zurück, um sich den Franzosen anzudienen [14].

Im Schutz einer englischen Fregatte erreichte das Jägerkorps am 27. Mai Pillau. Bärsch hatte die Ehre persönlich dem König in Königsberg dessen Ankunft zu melden. Das Jägerkorps sollte zur Reorganisation nach Königsberg marschieren. Dazu kam es nicht [15].

Nach der Schlacht von Friedland.

Am 14. Juni 1807 wurde die Schlacht von Friedland von den Franzosen gewonnen, General Benningsen schlug den russischen Kaiser die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen vor.
In Rügen stand Blücher mit einer englisch-schwedischen-preußischen Streitmacht von gut ausgerüsteten 30 000 Mann im Rücken, in London planten Wittgenstein und der hessische Hauptmann von Dörnberg in Absprache mit England und dem Kurfürsten von Hessen den Aufstand in Westfalen [b4]. In Spanien organisierte und befeuerte Wellington den Widerstand. In Tirol feierte Andreas Hofer ein Erfolg nach dem anderen. Österreich stand bereit, den Waffenstillstand mit den Franzosen aufzukündigen. Alles lief wie geschmiert, doch Preußen und Rußland konnten mit der ihnen im bevorstehenden Waffengang zugewiesenen Rolle nicht zufrieden sein. Der Kaiser von Rußland und der König von Preußen waren mit ihren Armeen (noch) nicht glücklich – selbst ein erfolgreicher Waffengang gegen Napoleon hätte beide zu Statisten der Weltgeschichte degradiert. Es bedurfte einer starken Armee, um nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft am Verhandlungstisch mitbestimmen zu können; eine Militärreform mußte her [a1].
Zur Umorganisation der Armeen bedurfte es der Zeit. Das nun durchgeführte Wendemavöver brachte das preußische Staatsschiff zum Kentern und es wäre abgesoffen, hätte der russische Kaiser Alexander I. bei seinen Verhandlungen mit Napoleon nicht auf den Erhalt von Preußens Eigenständigkeit wie auf die Regentschaft Friedrich Wilhelm III. bestanden. Der Frieden von Tilsit wurde unterzeichnet. Es begannen die preußischen Reformen.

«O, möchte ich doch noch vor meinem Ableben die ganze Welt in Feuer und Flammen sehen, so dürfte ich mich an diesem Schauspiel im Leben noch einmal und zuletzt ergötzen können. Glauben Sie mir, mein inniger Freund, die Welt ist nichts Besseres wert als zu verbrennen; sie ist zu schändlich und die Menschen größenteils zu große Unholde geworden. Ein Blick in die hoffende Zukunft von diesem Erdball entsandt, ist allein vermögend zu trösten, und diese Hoffnung hat meine gänzliche Ergebung bewirkt. Ich werde so lange ich noch bin, das erfüllen, was meine Überzeugung mir Pflicht nennt.«

Nach dem Frieden von Tilsit…

Blücher verstand die Welt nicht und er hatte nicht übel Lust trotz des von Preußen unterzeichneten Friedensvertrages loszuschlagen. Der König von Schweden indes hatte den Franzosen den Waffenstillstand gekündigt und sah sich von Preußen getäuscht. Er beschlagnahmte die preußischen Bestände. Blücher besetzte daraufhin das schwedische Wolgast – und verließ es wieder – nachdem Schweden das preußische Eigentum freigegeben hatte – über die Oderinseln nach Hinterpommern, während die Franzosen Stralsund und Rügen besetzten [b5].

Bärschs Freikorps geht nach Litauen.

Am 9. Juli 1807, löste Hauptmann Herwarth von Bittenfeld Major von Wilamowitz als Kommandant des Freikorps ab. Das Korps bezog in Litauen in Dörfern nahe Prökuls Quartier unter schlechten Bedingungen [18]. Bärsch bewarb sich daraufhin um die Nachfolge des Ober-Feldlazarettinspektors Klöpper und ließ sich Beurlauben um sich mit seinen künftigen Aufgaben vertraut zu machen. Klöpper wechselte nach Berlin und Bärschs Ambitionen mußten ruhen, da ihm der Aufenthalt als preußischer Offizier in Berlin von dem französischen Kommandanten der Stadt untersagt wurde. Am 1. Februar ging Bärsch nach Königsberg zurück und fand Beschäftigung im Büro des Festungsinspektors v. Gneisenau [20]. April 1808 wirkte Bärsch als eines der Gründungsmitglieder der Tugendbundes mit und wurde Redakteurs dessen Zeitung „Volksfreund“. Wenig später machte er nach dessen Eintreffen in Königsberg die Bekanntschaft Schills [22].

Als Preußen nach zähen Verhandlungen den Abzug der französischen Truppen aus Berlin bewirkte und ihm zugestanden wurde sie mit preußischen Truppen zu besetzen, erhielt von Schill den Befehl mit dem 2. Brandenburgischen Husarenregiment, dem dazu gehörigen leichten Füsilierbataillon und dem Leibgrenadierbataillon nach Berlin zu ziehen. Der Abmarsch der Franzosen verzögerte sich. Schill hatte die Möglichkeit sich in Haselen bei Daber von seiner Braut Elise (Tochter des Generals von Rüchel) zu verabschieden. Es sollte für immer sein [23].

Am 10. Dez. 1808 zog Schill unter dem Jubel der Bevölkerung in Berlin ein. Bärsch war dabei und bewirkte bei Gneisenau die Erlaubnis bei Schill zu verbleiben [25]. Was von Napoleon zu erwarten war, hatten die Hessen des Königreichs Westfahlen bereits im Jahre 1806 erfahren müssen. 20 000 Mann verweigerten den Franzosen ihre Teilnahme am Krieg gegen Preußen und probten den Aufstand, mit Erfolg. Der Krieg gegen Preußen fand ohne ihre Beteiligung statt [s2].

Beginn einer klassischen Tragödie.

Schill befand sich im engen Austausch mit patriotischen Kreisen, die eine Erhebung in Deutschland vorbereiteten. Berthold Seewald: „In diesem Netzwerk war Schill ausersehen, den Aufstand gegen Napoleons Bruder Jerôme im Königreich Westphalen anzuführen. [w1]“

Österreich plante am 9. April 1809 Frankreich den Krieg zu erklären, doch Preußen war bei weitem noch nicht in der Lage, sich in einen Krieg auf verlorenem Posten hineinziehen zu lassen. Dennoch gab es Stimmen im Offizierskorps die ein Bündnis mit Österreich forderten und nicht davor zurückschreckten mit Meuterei zu drohen. König Friedrich Wilhelm III. hielt – wie im Übrigen auch der österreichische Oberbefehlshaber – diesen Krieg Österreichs für ein aussichtsloses Unterfangen, im Gegensatz zum Erzherzog Karl vermochte Ihre preußische Majestät den österreichischen Kriegstrommlern die Gefolgschaft zu verweigern [w2].

Romberg ruft Schill.

Im Januar 1809 wurde Schill von dem Bauern Romberg, aus dem Ravensbergischen (Kgr. Westfahlen), gebeten, mit seinen Soldaten die zum Aufstand bereiten Bürger der Region anzuführen. Schill lehnte ab. Romberg erschien nach längerer Zeit erneut und legte Referenzschreiben einiger angesehener Bürger vor. Schill ließ sich bekehren [32].

Nach Beratung mit Adolf von Lützow ließ man Bärsch einen Aufruf abfassen, der die Bürger Westfahlens dazu aufrief, sich bis zu Schills Ankunft einstweilen selbst zu erheben aus ihrer Mitte eigene Anführer zu wählen [32].

Bärsch: »Ihn [Schill], der mit seinem Haufen kühner und entschlossener Männer in seinem bisherigen Wirkungskreise so viel geleistet, so Großes vollbracht, glaubte man vor allen andern berufen, der Befreier seines Volkes zu werden. Der Nimbus, den man absichtlich um Schill verbreitete, trug nicht wenig dazu bei, ihn selbst glauben zu machen, daß er die Fähigkeiten dazu besitze. Kühnheit und Mut reichen aber allein nicht hin, einen vollkommenen Feldherrn zu bilden. Auch Umsicht, vorsichtige und weise Benutzung der Verhältnisse, vor allem aber Mäßigung und Ruhe sind dazu erforderlich [30]

Mitte März sammelten Hauptman von Katte, Eugen und Moritz von Hirschfeld, von Tempski und weitere verweiste preußische Offiziere ehemalige preußische Soldaten um sich, um das von den Franzosen schwach besetzte Magdeburg zu übernehmen. Schill unterstützte das Unternehmen, das nie stattfinden sollte, mit Geld. Napoleons Geheimpolizei hatte wenig Mühe das Vorhaben aufzudecken, die Anführer flohen und ihr Gefolge wurde verhaftet [33].

Schill ließ sich durch die Parole: „Karl und Hof“ täuschen (der österreichische Erzherzog Karl hatte im April einige Erfolge gegen die Franzosen erzielt und sich nach Böhmen zurückgezogen). Schills Kontaktmann zu Dörnberg, Romberg war verhaftet worden und die Franzosen ließen die bei ihm gefundenen Papiere, insbesonderen den Aufruf an die Westfahlen sich zu erheben dem preußischen König zur Kenntnis bringen.

Ende April beabsichtigte Ferdinand Wilhelm Kaspar Frhr. von Dörnberg in Kassel den Aufstand zu proben. Dörnberg, der wider seinen eigenen Willen als Bataillonschef der westfälischen Gardegrenadiere angestellt worden war beabsichtigte „bei einem wiederausbrechenden Kriege mit Österreich, der ganz unvermeidlich schien, gleichzeitig einen Aufstand im nördlichen Deutschland ausbrechen zu lassen und denselben soviel wie möglich militärisch zu organisieren.“ Schill sollte an dem geplanten Aufstand mitwirken [35]. Glücklicherweise scheiterte das Unternehmen aufgrund einiger voreiliger, hochmotivierter und schlecht bewaffneter Bauern, deren vorzeitige Empörung den für später geplanten Aufstand aushebelte. Dörnberg floh und diente sich dem Herzog von Braunschweig-Öls an [36].

Am 28. April 1809, 4 Uhr nachmittags, zog das 2. Brandenburgische Husarenregiment zum Halleschen Tor Richtung Potsdam. Jene, die nicht mit Schill ziehen wollten oder könnten, sollten nach Berlin zurückkehren. Am 29. wurde in Großenkreuz und Jeserich Quartier genommen. Der Berliner Gouverneur General von Lestocq ließ durch den Major von Zepelin Schill die Aufforderung zukommen, unverzüglich nach Berlin zurückzukehren.

Auch König Friedrich Wilhelm III. mußte Schill bremsen, wollte er verhindern, daß seine Armee nach der österreichischen Pfeife tanzte und die, im französisch beherrschten Gebiet lebenden, inaktiven preußischen Soldaten und Offiziere, nach und nach Opfer der französischen Geheimpolizei würden.
Der König riet Schill sich einem Kriegsgericht zu stellen andere rieten Schill zur Flucht, da ließ Lützow Schill sich in Hofers Glorienschein spiegeln und der Kampf ward beschlossen [37].

Spielball der Mächte.

Doch im Gegensatz zu Andreas Hofer, dessen Tod von dem durch ihn grenzenlos verehrten Kaiser von Österreich kaltblütig inkauf genommen wurde, war es in Schills Fall der Souverän König Friedrich Wilhelm III. der nichts unversucht ließ, Ferdinand von Schill von einem fatalen Irrweg abzubringen.

Berauscht durch Einflüsterer österreichischer und englischer Couleur, schwelgte Schill in kindlicher Verehrung für Königin Louise, die ihm einst in Anerkennung seiner Verdienste um die Verteidigung Kolbergs eine Brieftasche von rotem Maroquin schenkte, in ihr ein Pergament mit den Worten [39]:

„Für den braven Herrn von Schill.
Louise.“

Man fühlt sich an Heinrich von Kleists Prinz von Homburg erinnert.

Schill trug Major von Zepelin auf, dem Berliner Gouverneur General von Lestocq mitzuteilen, daß er bedauere, nicht mehr umkehren zu können. Zepelin verabschiedete sich von Schill nicht ohne mitzuteilen, daß sich Magdeburg auf Schills Zug vorbereite und die Fähren über die Elbe auf Grund gesetzt wurden [41].

Am 30. April überquerte Schill die sächsische Grenze und nahm in Brück Quartier.
Am 1. Mai besuchte man den ehemaligen preußischen Hauptmann von François, die Nutzung seines Kartenmaterials zu erbitten. Dieser stellte seine Landkarten gerne zur Verfügung und erkundigte sich, ob sein jüngerer Bruder in Schills Dienste treten dürfte [41]. Leutnant François sollte sich in den bevorstehenden Gefechten in besonderer Weise auszeichnen.

Mit dem Kommandanten der Festung Wittenberg wurde ein Waffenstillstand vereinbart[44] danach zog Schill weiter nach Dessau, das er am 2. Mai erreichte. Dort fand er freundlich Aufnahme, vermochte einige bedeutende Einkäufe zu tätigen und rief in einer Proklamation zum Aufstand gegen die Franzosen auf [47]:

Leo von Lützow zog nun mit einer Abteilung von 42 Mann nach Köthen, entwaffnete ohne Widerstand die Schildwache, besetzte die Hauptwache und verbuchte den Zulauf von Feldwebel Mertzdorf und 50 Gardisten. Die in Köthen vorgefundenen Waffen und Ausrüstungsgegenstände wurden beschlagnahmt und nach Dessau transprtiert [49f].

Am 3. Mai zog Schill weiter nach Mosigkau. Derweil stellte Rittmeister von Köderitz 100 sächsische Kürassiere aus dem Regiment Zastrow auf, um sie gegen das Schill’sche Korps ins Feld zu führen[50].

Schill beorderte Premierleutnant von Brünnow mit der 4. Eskadron nach Halle. Auch hier gab es von der westfälischen Besatzung keine Widerwehr. Brünnow nahm als preußischer Rittmeister die Stadt für Preußen in Besitz, beschlagnahmte Waffen, Rüstzeug und Geld und traf am 4. Mai mit dem nach Bernburg weitermarschierten Korps zusammen [51].

Ende der Selbsttäuschung.

Mittlerweile war Dörnburgs Plan, in Hessen eine kampffähige Truppe aufzustellen gescheitert. Jetzt erst erfuhr er, daß Erzherzog Karl am 23. April in Regensburg von Napoleon geschlagen worden war und die Franzosen nach Wien marschierten. Der Gouverneur von Berlin Lestocq ließ Schill mitteilen, von ihm bitter getäuscht worden zu sein. Schill habe den König kompromittiert. Er habe unverzüglich nach Berlin zurückzukehren und sich der verschuldeten Strafe zu stellen. Der Feind würde nun mit bedeutend überlegenene Streitkräften gegen ihn vorgehen und vernichten [52].

Schill schlug vor, unter den gegebenen Umständen den Plan zur Befreiung Deutschlands aufzugeben und über Saale und Elbe zurückzugehen. Major Adolf von Lützow trat dem heftig entgegen und in seinem Windschatten sprachen sich Leutnant von Stössel, Leutnant Stock und Leutnant Diezelski gegen einen Rückzug aus. Schill beugte sich der Mehrheit seiner Offiziere [53].

Lützow schlug vor sich durch Hannover bis Ostfriesland hindurchzuschlagen, auf englische Hilfe zu hoffen und sich notfalls nach England abzusetzen. Ein anderer Vorschlag war es, nach Böhmen zu gehen und in österreichischen Sold überzugehen [54]. Schill selbst zog es an die Ostsee, nach Stralsund, wo er hoffte die geschleiften Festungswerke wieder errichten zu können, vieleicht die Wiederbelebung des Kampfgeistes den er in Kolberg vorgefunden hatte. Über Rügen könne man sich nötigenfalls ebenso nach England absetzen [55].

Dodendorf.

Mitten in die Beratung platzte die Nachricht, daß sich das 1. Westfälische Regiment mit ca. 1000 Mann bei Dodendorf in Stellung gebracht habe. Es wurde beschlossen dem Feind die Stirn zu bieten und so zog man ihm entgegen. Vor Dodendorf wurde Leutnant Stock als Parlamentär vorgeschickt und nach kurzen mißglückten Verhandlungen von den Westfalen erschossen [58].

Der in drei Karree aufgestellte Gegner wurde angegriffen. Die 1. Eskadron stand unter dem Befehl von Diezelskis, die 2. unter dem von Lützows, die 3. unter dem von Kettenburgs und die 4. Eskadron stand unter dem Befehl Brünnows [59]. Bei den Kämpfen fiel Diezelski von mehreren Kugeln getroffen, auch Kettenberg und Stössel wurden erschossen und von Lützow schwer verwundet.

Die 400 Husaren und 60 reitende Jäger vertrieben die gut 1000 Mann der Westfalen. Es wurden sechs Offiziere und 150 Mann gefangen genommen. Der Gouverneur von Magdeburg General Michaud bangte um seine Stadt und ließ Kuriere nach Kassel aussenden, den westfälischen Kriegsminister Ehlé um Verstärkung zu ersuchen [64].

Schill zog am 6. Mai weiter nach Neuhaldensleben. Die verlorenen Pferde zu ersetzen, beorderte er Leutnant von der Horst nach Kehnert, wo der Graf von der Schulenburg-Kehnert, eine Stuterei betrieb, die bisher von jeder Requisition verschont geblieben war [67].
Derweil zog Leutnant von François mit einem Trupp von 25 Husaren nach Halberstadt und nahm 20 französische Gefangene. Schills Leute hofften die in westfälische Gefangenschaft geratenen Kameraden gegen die Franzosen austauschen zu können.

Vereinzelt schlossen sich weiter Männer Schill an, deren mangelnde Ausbildung und Bewaffnung, sie nicht als Verstärkung erscheinen ließen. Andrerseits verließ Rittmeister von Kuhnheim das Regiment um aus familiären Gründen – mit Billigung Schills – nach Berlin zurück zu gehen [68].

Am 7. Mai wurde der Marsch über Kolditz, Burgstall nach Tangermünde fortgesetzt. In Kolditz verhaftete Bärsch den Intendanten des dortigen, ehemals königlichen, Domänenamtes, Oberst Dupin (Schwager des Marschalls Augereau, Herzog von Castiglione). Die Freilassung der eigenen Leute im Tausch gegen einfache Franzosen war gescheitert, nun erhoffte man ihre Freilassung im Gegenzug zu der des französischen Obersten [69].

Schill empfing die westfälischen Präfekten Graf von der Schulenburg-Bodensdorf (Stendal), von Frohreich (Neuhaldensleben) und von Bülow (Salzwedel) die ausgeschriebenen Requisitionen zu verhandeln. Dem Grafen von der Schulenburg wurden 4000 Taler für die requirierten Pferde sofort gezahlt und die Begleichung einer Restschuld für später vereinbart. Schill seinerseits ließ Stadtkassen beschlagnahmen, die er bisher verschont hatte [70].

In Arneburg erhielt Schill Besuch von Grolmann (Freund Gneisenaus, Gehilfe Scharnhorsts, Mitglied des sittlich-wissenschaftlihen Vereins in Königsberg) und drängte Schill nach Westfalen zu ziehen, „wo eine kräftige Erhebung des Volkes zu erwarten sein“. Schill ließ sich jedoch nicht von seinem Wege abbringen [72].

Jeder greife zu den Waffen… oder?

Bereits am 5. Mai hatte Hieronimus (Jerome) Napoleon von Gottes Gnaden usw. einen Anschlag verbreiten lassen in dem er seine Anwürfe gegen Schill mit einem Kopfgeld von 10 000 Franken krönte. Schill reagierte und ließ dummerweise ebenfalls einen Anschlag verbreiten, in dem er sich siegesgewiß zeigte und auf die Erfolge des Erzherzogs Karl verwies.

Damit nicht genug. Der Schill trotz allem wohlgesonnene Gouverneur von Berlin, Generalleutnant von Lestocq, war durch Generalmajor Stutterheim abgelöst worden. Es drohten all jenen schwerste Strafen, die sich Schill anschlössen.

Schwerer als das wog jedoch die Nachricht vom Rückzug Erzherzog Karls nach Böhmen. Österreich hatte sein Pulver verschossen. Sollte Schill, bar einer jeglichen Hoffnung auf ein glückliches Ende, weitermachen?
Schills kleine Erfolge, sein Aufruf, sein Entschluß nach Stralsund zu gehen, all das bewog gut 150 Mann des, in Berlin stationierten Infanteriebataillon von Schill (die Absicht der Namensänderung war noch nicht umgesetzt) zu dem Entschluß, sich unter Führung des Leutnants August von Quistorp Schill anzuschließen. Viele der Männer hatte Schill in Kolberg selbst in die Armee geholt.

Am 4. Mai verließ der Trupp unter Quistorps Führung Berlin Richtung Neuendorf (Sachsen). In Sachsen hatte der inaktive preußische Leutnant Alexander von Blomberg einige Freiwillig um sich geschart und bildete nun Quistorps Avantgarde (Vorhut). Die von Berlin aus Quistorp nachgesandten Offiziere Hauptmann von Petersdorf und Leutnant von Rüllmann vermochten Blomberg in seinem Quartier in Neuendorf zu überraschen und zu verhaften. Der dabei entstandene Lärm alarmierte Quistorp. Als der damit drohte, auf Petersdorf und Rüllmann feuern zu lassen, ließen beide von ihrem Vorhaben ab und kehrte nach Berlin zurück [82].

Anläßlich einer Parade in Königsberg verurteile der König am 8. Mai 1809 das Vorgehen Ferdinand von Schills:

Quistorp überquerte unverzüglich die Elbe, beschlagnahmte zwei Kähne und fuhr damit nach Arneburg, das er am 12. Mai erreichte. Hier begrüßte ihn Schill mit Musikkorps und einer am Marktplatz der Stadt gehaltenen flammenden Rede: ‚die verlorenen Provinzen wolle er dem König zu erkämpfen versuchen, und wenn das nicht gelinge, untergehen, denn ein Ende mit Schrecken sei einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen‘. August von Quistorp erhielt das Kommando über Schills Infanterie.

Am 14. Mai verließ Schill Arneburg. Quistorp ging mit zwei Kompanien nach Schnackenburg, nahm einige Kähne in Beschlag und fuhr elbabwärts nach Dömitz (Mecklenburg-Schwerin). Quistorp gelang es die dort als Gefängnis dienende Festung im Handstreich zu nehmen. Schill, der mit der Kavallerie von Gorleben her nachrückte wurden die Schlüssel überbracht.

Die heruntergekommene Festung sollte unter dem Kommando des Leutnants Karl von François mit 50 gut ausgebildeten und gut bewaffneten Infanteristen, 10 Jäger, 18 Ulanen, 40 Kanoniere, 200 Pikenierer und 100 unbewaffneter Rekruten besetzt und instand gesetzt werden [85]. Die von Schills Truppe genommenen 150 Kriegsgefangenen (unter ihnen Oberst Dupin) sollten in der Festung verbleiben.

In Dömitz empfing Schill zwei Abgesandte des Herzogs, denen er versprach die Residenzen in Doberan und Ludwigslust zu schonen [87].

In der Hoffnung auf englische Unterstützung entsandte Schill den Rittmeister Gustav von Bornstädt nach Hamburg, von wo aus er sich nach England einschiffen sollte. Hierzu aber gab man ihm in Hamburg keine Gelegenheit. Alexander von Bothmer erhielt den Auftrag sich mit dem englischen Admiral Saumarez, der mit seiner Flotte in der Ostsee kreuzte, in Verbindung zu setzen. Auch diese Bemühung blieb erfolglos [87].

François zieht den Kopf aus der Schlinge.

Das Kgr. Westfalen war bisland wenig erfolgreich im Kampf gegen Schill. Also beabsichtigte Napoleon den Herzog von Valmy mit 60 000 Mann nach Norden in Marsch zu setzen, sobald ihnen die Spanier und Tiroler dazu die Gelegenheit gaben [89]. Vorerst allerdings war es ein beachtliches, holländisches Heer, das die Franzosen am 20. Mai unter General d’Albinac gegen Schill ins Feld führten [91].

Während sich Leutnant von François in Dömitz mit General d’Albinacs Vorhut schlug war Schill auf dem Weg nach Wismar, das er am 21. Mai erreichte. Schill gab Befehl die Festung zu räumen und entsandte am 22. Leutnant von Brünnow mit zwei Eskadrons nach Krivitz die Besatzung von Dömitz aufzunehmen. François wehrte sich redlich, mußte einen Aufstand der Gefangenen niederschlagen und verlor einen Parlamentär, beim Versuch die holländischen Franzosen davon abzuhalten, das Dorf in Schutt und Asche zu legen, obwohl der Rückzug aus der Festung schon beschlossen sei.

François hatte seinen Abzug gut geplant und vermochte sich am 24. Mai, noch bevor die Franzosen ihre für den Sturm vorgesehenen Mannschaften mit einen großen Kahn über die Elbe transportieren konnten, zurückzuziehen.

30 junge Pikniere, die zur Bewachung der Gefangenen gedient hatten fielen in die Hände der Franzosen. Der General nahm sie nicht ernst und beabsichtigte, sie freizulassen, nachdem jedem von ihnen 50 Prügel verabreicht worden wären. Die Buben beschwerten sich und wollten lieber sterben als so gedemütigt zu werden, woraufhin sie von d’Albinac freigelassen wurden, so die Legende [95].

Hätte d’Albinac über eine Kavallerie verfügt, würde François Mannschaft schnell gestellt und zerrieben worden sein. So folgte ihm ein Detachment zu Fuß, zur preußischen Grenze bei Lenzen, doch weder François noch die Holländer erhielten Erlaubnis die Grenze zu überschreiten. François marschierte ins Mecklenburgische, Kurz vor Butzow wurde ein Kurier des mecklenburgischen Obersten von Bülow abgefangen, der dem Bürgermeister des Ortes auftrug, Schills Männer solange aufzuhalten, bis sie von den nacheilenden Holländern gestellt werden könnten [96]. Am Abend des 25. Mai erreichte François mit seinen Männern Rostock, wo ihn Leutnant von Brünnow bereits erwartete [96].

Damgarten.

Schill entsandte am 21. Mai Leutnant Graf von Moltke mit 30 Mann Kavallerie und 100 Mann Infanterie als Vorauskommando von Wismar nach Rostock. Die Stärke der Schill’schen Streitmacht höher als vorhanden veranschlagend, gelang es ihm Generalleutnant von Pressenthin zur Kapitulation des in Rostock sitzenden mecklenburgischen Bataillons zu erreichen. Schill selbst zog mit dem Korps am 22. in die Stadt ein. In der Stadt ließ er mit den dort reichlich vorgefundenen Waffen die eigenen Rekruten ausrüsten [97].

Bärsch sollte die Detachements und die Besatzung von Dömitz (Leutnant von François) aufnehmen, nach Warnemünde gehen, sich einiger Schiffe bemächtigen und mit 70 Pferden, der Kasse, kannonen und Montierungsstücken nach Rügen einschiffen. Auf Rügen sollte er eine Eskadron Ulanen und eine Landwehr aufstellen und sich anschließend mit Schill in Stralsund treffen [98].

Schill drängte es nach Stralsund. Ohne Gepäck, die Rückkehr seiner Detachments nicht abwartent, zog er ohne weiteren Aufenthalt in Rostock zu nehmen weiter. An der Recknitz wurde er von den vorteilhaft, hinter dem Damm liegenden Truppen des französischen Gouverneurs von Stralsund, General Candras erwartet, d.h. von dessen Generalmajor von Pressenthin und dessen Oberst von Bülow.

Die Brücken über die Recknitz waren zerstört. Schills Infanterie löste ihre feste Formation auf und baute eine Behelfsbrücke. Leutnant von Ledebur setzte mit einem Boot bei Freudenberg über den Fluß und nahm den linken Flügel der Mecklenburger unter Feuer. Die zogen sich mangels Munition aus Damgarten zurück. Mittlerweile gingen die Jäger über die notdürftig hergestellte Brücke und die Kavallerie durchschwamm mit den Pferden die Recknitz. Bei den Mecklenburgern verbreitete sich Unruhe, die zur Auflösung des Verbandes führte. Von Pressenthin und von Bülow flohen.

Um 5 Uhr nachmittags war das Gefecht beendet [101ff]. Der französische Gouverneur von Stralsund General Candras ließ Napoleons Einzug in Wien (13. Mai 1809) feiern und floh derweil mit seinen polnischen Ulanen auf preußisches Gebiet (Anklam und Usedom) [102].

Stralsund und Tod.

Schill ritt mit 30 Husaren und 15 Jägern seinem Korps voran in das von 150 zurückgebliebenen Artilleristen besetzte Stralsund. Bei Schill Eintreffen sperrten die Franzosen die Haakstraße und brachten vier Kanonen vor Zeughaus und Artilleriekaserne in Stellung. Schill ging ungedeckt gegen die Stellung vor und wurde mit heftigem Feuer aus Gewehren und Kanonen belegt. Der voranreitende Leutnant von der Goltz und 10 Jäger wurden getötet. Leutnant von der Bornstädt ging, von den Franzosen unbemerkt, durch die inneren Höfe des Gymnasiums in den Hof des Zeughauses, in die rechte Flanke des Feindes, der sein Geschütz verließ, ins Zeughaus floh und dort den Tod fand [103ff].

Nachdem der französische Widerstand gebrochen worden war, rückte das zurückgebliebene Gross des Korps nach. Stralsund und die Provinz wurden im Namen des Königs von Schweden in Besitz genommen.

Schills Korps war auf 1860 Mann angewachsen, davon jedoch 1100 Mann notdürfig exerzierter Infanterie oder Landsturm. Viele der mit Schill aufgebrochenen Offiziere waren nicht mehr da, tot oder auf ihren Missionen verschollen. Schill selbst wandelte sich, achtete weder das eigene noch das Leben anderer. Er trank viel und verlangte zur Wiederherstellung der vollständig geschleiften Verteidigungsanlagen Stralsunds das letzte. Statt Jubel vernahm er mehr und mehr Kritik.

Die Nerven lagen blank als am 29. Mai der französische General Gratien und der dänische General von Ewald gemeinsam Quartier in Damgarten nahmen. Im Parolenbefehl vom 30. Mai ließ Schill u.a. verlauten [108]:

»Nachdem der sehr unglückliche Ton im Korps eingerissen, daß nach Willkür meine Befehle abgeändert, öfters gar nicht befolgt werden, und das beständige Marschieren bis jetzt verhindert hat, daß eine solche Abweichung mir noch mehr aufgefallen, so werde ich solche jetzt umso mehr ahnden.«

Leutnant Bluhm wurde davongewiesen und Leo von Lützow ging freiwillig.

Morgens am 31. Mai nahm Gratiens Streitmacht auf der Straße nach Stralsund Aufstellung: als Avantgarde ein sehr bunt gemischtes Korps unter Befehl Oberst Valettes, das Hauptkorps vorwiegend aus Infanterie und Artillerie bestehend und als Rückgrat der Reserve ein dänisches Bataillon.

Oberst Valetta führte einen Scheinangriff auf das Tribseer Tor um sich nach einem ernsten Gefecht auf das hinter einer Anhöhe versteckt vorgehende Hauptkorps zurückzuziehen.

Der eigentliche Sturm wurde erst gegen die Außenwerke vor dem und dann gegen das Kniepertor selbst durch dem dänischen General von Ewald persönlich vorgetragen. Er drang, bei verhältnismäßig schwacher Gegenwehr, durch das Tor in die Stadt und warf Schills Truppen auf den Alten Markt zurück. Schill hatte sich täuschen lassen und den Hauptangriff am Tribseer Tor erwartet. Die Verteidigung seines sich in Auflösung befindlichen Korps bestand aus todesverachtenden Einzelaktionen. Schill jagte mit seinem Pferd und einigen Kameraden wahllos durch die Straßen und macht nieder, was sich ihm entgegenstellte. Der dänische Husar Krohn verpaßte ihm einen Hieb über die Stirn. Als die stark blutende Wunde wenig später versorgt wurde nutzte ein Holländer die günstige Gelegenheit Schill durch einen Schuß in den Kopf zu töten [124ff].

Ordnung hielt der bisher zur Untätigkeit verurteilte Leutnant von Brünnow der am Frankentor 150 bis 180 Husaren und 500 Mann Infanterie hinter sich versammeln konnte, die nun außerhalb der Stadt vor dem Tor Aufstellung nahmen, sich den französischen Holländern entgegen zu stellen und nun vom holländischen Oberst Stedmann zur Kapitulation aufgefordert wurden. Man gab Brünnow die Gelegenheit sich vom Tod Schills überzeugen zu können, seine Sache sei verloren, er habe sich in Gefangenschaft zu begeben.

Leutnant von Brünnow forderte:

»Freien Abzug auf der Stelle mit Pferd und Waffen oder nach 10 Minuten Angriff auf Leben und Tod.»

General Gratien war’s recht. Brünnows Männer zogen unbehelligt ab [129].

Kriegsgericht in Preußen.

Bärsch, von den anrückenden Vasallen Napoleons bedrängt stach in der Nacht zum 28. Mai übereilt von Warnemünde aus in See. Zwei seiner 19 Schiffe mußte er zurück lassen [145].

Auf See kam es zum Zerwürfnis mit Lt. François. Bärsch wollte nach Preußen [148]. François nach Schweden. Letzterer segelte denn auch mit zwei weiteren Schiffen Richtung Schweden. Die drei Schiffe wurden wurde von den Dänen aufgebracht, die Mannschaften wurde gefangen genommen und nach Kopenhagen verbracht [152].

Bärsch segelte nach Pommern. Nachdem er und die ihn begleitenden Soldaten sich dem König von Preußen auf Gnade und Ungnade ergeben hatten, erteilte der kommandierenden General in Pommern, Blücher, die Erlaubnis, an Land gehen zu dürfen.

Auch Brünnow hatte sich mit seinen Männern nach Pommern (Demmin) durchgeschlagen und harrte des Schicksals das ihn dort ereilen sollte.

Der Pragmatiker Blücher verteilte die Mannschaften auf die regulären Einheiten des preußischen Heeres.

Die befehligenden Offiziere mußten vor’s Kriegsgericht.
Deserteure hatten mit dem Schlimmsten zu rechnen.

Der kommandierende General höchstselbst stand dem Gericht vor, zu richten – nach Recht und Gesetz – was wohl zu leisten einer Autorität bedurfte wie sie einzig durch Blücher das Licht der Welt erblickt hatte.

Blücher: »Schill ist als ein braver Mann Gestorben, seine Collegen haben gleichfalls braff gethan, und haben sich ohne weitterem in meinen Schutz begeben, ich habe sie trotz allem waß da wider wahr angenommen. 900 mann Infanterie und 240 Man Kavallerie sin in meine verwahrung. Um ihre begnadung habe ich am König geschrieben, sie sind so wohl Offizier als Unterofficier und gemeine schuldloß da Schill sie sagte, es geschehe mit königlicher Bewillig, daß er über die Elbe ginge, als untegebene befolgten sie unsrn dinst gemäß die befehle ihres Scheffs, wie sie später hin entdeckten daß es nicht des Königs sey allein Schill declarirte vor der Fronte daß er ohne ansehn der Person todtenschießen ließe der sein befehl zuwiderhandelte [h1]

Es bogen ächzend sich die Balken doch brachen nicht.

Bedauerlich nur, dass sich einige Offiziere zweifelsfrei den Befehlen des Königs widersetzt hatten und verurteilt werden mußten. 52 Angeklagte erhielten Festungshaft. Ihre schlimmste Sorge war es mit dem einhergehenden Ansehensverlust leben zu müssen. Leutnant von Blankenburg: „Wir werden endlich zu der Klasse von Menschen herabsinken, die nur die Verachtung ihrer Nebenmenschen haben [h2].“ Eine Befürchtung, die nicht eintreten sollte.

Schlimmer verhielt es sich mit den in französische Gefangenschaft geratenen Kameraden.

Kriegsgericht á la manière française.

Zwölf, während eines Gefechts in Gefangenschaft geratenen Offiziere wurden von den Franzosen auf die Zitadell nach Wesel verbracht. Elf wurden der Räubereien beschuldigt, eine Anschuldigung, die nach dem französischen Strafrecht mit dem Tode geahndet wurde [180].

Kapitän-Raporteur Cavin konzentrierte sich bei der Befragung auf die militärischen Sachverhalte und der von ihm verfaßte Bericht an den Präsidenten des Kriegsgerichtes Bataillonschef Grand, gab nicht hinreichend Grund eine Todesstrafe verhängen zu können.

Grand wies den Kapitän-Raporteur an, direkt nach der Herkunft der Mittel zu fragen, die es Schill erlaubten seinen Feldzug durchzuführen [190]. Die gegebenen Antworten bedeutete für die 11 Offiziere das Todesurteil.

Am 16. Sept. pünktlich um 13:00 Uhr wurden sie von der Zitadelle zum Richtplatz geführt. Seit dem frühen Morgen hatte sich dort eine größere Menschenmenge versammelt und der Zustrom hielt weiter an. Die Franzosen fürchteten Unruhen und ließen die Tore Wesels schließen.

Die französische Geheimpolizei über die Stimmung in der Stadt:

mauvais, trĂªs-mauvais – ein foyer d’insurection [212].

Am Nachmittag wurden Leopold Jahn (Massow in Pommern), Daniel Schmidt (Berlin), Ferdinand Galle (Berlin), Karl von Wedell (Griesheim), Adolf von Keller (Strasburg in Preußen), Konstantin Nathanael Gabain (Preußisch-Holland), Ernst Friedrich von Flemming (Rheinsberg) Friedrich Felgentreu (Berlin), Karl von Kesselbrink (Krien in Pommern), Friedrich von Trachenberg (Rathenow) und Albert von Wedell (Braunsforth in Pommern) durch ein Erschießungskommando getötet.

Die 557 Soldaten und Unteroffiziere, die in Stralsund in Gefangenschaft gerieten wurden nach Braunschweig transportiert, wo sie am 17. Juni angelangten [222]. Die Soldaten Schills, die aus dem Kgr. Westphalen stammten, sollten vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Der Rest – sofern gesund und arbeitsfähig – wurden zu Galeerendiensten nach Cherbourg und Brest verbracht. Die Krüppel wurden in freigelassen.

Mindestens sieben der „Westphalen“, die sich dem Kriegsgericht zu stellen hatten, gelang die Flucht [226]. 14 blieben zurück und wurden am 17. Juli abgeurteilt, in drei Gruppen aufgeteilt und am 18., 20. und 22. Juli 1809 erschossen [230f].

Bärsch, hatte sich beurlauben lassen, bevor er sich Schill anschloss und wurde aufgrund dessen frei gesprochen.

Nach den Befreiungskriegen machte er sich an der Spitze des Landkreises Prüm in der Eifel einen Namen durch sein raues Regiment und die von ihm verfaßten Schriften zur Landeskunde [t1].

Hauptquelle:
 
[Seitenangabe] Brunner, Karl, Ferdinand von Schill und seine Getreuen, Berlin 1911, Seite (wie in Klammern [] angegeben)

weitere Quellen:
[ s1] Streisand, Joachim, Deutschland von 1789 bis 1815, Berlin 1977, S. 135
[ s2] ebd. S. 138
[c1] Venturini, Carl, Chronik des neunzehnten Jahrhunderts Bnd. 4, Altona 1810, S. 220
[c2] ebd. S. 219
[w1] Seewald, Berthold, Man schnitt ihm den Kopf ab und konservierte ihn in Weingeist, www.welt.de/208477199, Stand: 20.06.2022
[w2] ebd.
[b1] Unger, Wolfgang von, Blücher Bnd. 1, Berlin 1907/08, S. 324f
[b2] ebd., S. 327ff
[b3] ebd., S. 334
[b4] ebd., S. 330
[b5] ebd., S. 331f
[a1] Taak, Merete van, Zar Alexander I. – Napoleons genialer Antipode, Tübingen 1983, S. 221
[h1] Bock, Helmut, Schill – Rebellenzug 1809, Berlin 1969, S. 256
[h2] ebd. S. 258
[ t1] Treitschke, Heinrich von, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Dritter Teil, Leipzig 1927, S. 104