war nicht nur eine Angelegenheit der Kriegsgegner, vielmehr war der ganze Krieg nur eine der Episoden des vor allem in England orchestrierten Welttheaters.
Die englische Regierung unter Arthur James Balfour (1902 - 1905) verlor im Land nach und nach jeglichen Rückhalt. Austen Chamberlain bemühte in diesem Zusammenhand die Worte Sir Edward Greys [ 1]:
» ...er [Grey] habe Regierungen gekannt, welche die Unterstützung durch die Öffentlichkeit verloren hätten, ohne es zu bemerken; er habe andere gekannt, die diesen Verlust bemerkt aber nicht zugegeben hätten: dies hier sei die erste Regierung, die öffentlich eingestehe, das Vertrauen des Landes nicht mehr zu besitzen, die aber dennoch ihren Beschluß verkünde, weiterzuregieren,... Balfour [Premierminister] selber rechtfertigte diese Lage öffentlich als gesunde Auslegung der Verfassung. Heute aber ist es kein Geheimnis mehr, daß sein wahrer Grund der war, die englisch -japanischen Verhandlungen zum Abschluß zu bringen und den Bündnisvertrag unterzeichnet zu sehen...»
Nach Beendigung des chinesisch-japanischen Krieges verstärkte Japan die Rüstungsanstrengungen. Seine Kriegsvorbereitungen wurden von England und den USA unterstützt [ 2].
So überführte die britische Marine die zwei in Italien gebauten Kreuzer „Kasuga“ und „Nischin“ nach Japan [ 3].
Die seinerzeit zwischen China und Rußland getroffenen Vereinbarungen über die Mandschurei, wurden auf englisch, amerikanischen und japanischem Druck hin von China nicht ratifiziert. Rußland baute seine militärische Präsenz in der Region aus und verstärkte seine Flotte. 1902 kam es zum Abschluß des englisch-japanischen Bündnisvertrages. Japan sprach im Sommer 1903 in St. Petersburg vor, in beiderseitigem Interesse eine Regelung für die Mandschurei und Korea zu finden. Rußland vertrat den Standpunkt, darüber mit keiner anderen Macht als mit China verhandeln zu wollen.
Am 8./9. Februar 1904 unternahm der japanische Vizeadmiral Togo einen Überraschungsangriff auf die vor Port Arthur liegende russische Flotte, der Dank des englischen Mitgliedes in seinem Stab, erfolgreich verlief [ 4].
Im Gegensatz zu Balfour genoß in Rußland Kaiser Nikolaus II. überhaupt kein Vertrauen. Er hatte die Absicht mit Hilfe eines „kleinen siegreichen Krieges“ - wie Innenministzer Plewe formulierte - seine Autorität wieder herzustellen [ 5]. Es kam zur Schlacht bei Liaujang, in der die Japaner große Verluste hinnehmen mußte. Ab Juli 1904 begannen die Japaner mit der Belagerung von Port Arthur.
Der französische Botschafter in Petersburg, Paléologue, erklärte dem russischen Minister Pokrowsky, daß Wilhelm II. nicht nur Rußland zum Krieg gegen Japan ermutigt habe. „Er wisse aus der zuverlässigsten englischen Quelle, daß gleichzeitig Japan vom Deutschen Kaiser und der deutschen Regierung zum kriegerischen Vorstoß gegen Rußland ermuntert worden sei [ 6].“
Der vormalige Reichskanzler Fürst v. Bülow, nach dem Weltkrieg von Theodor Wolff (Journalist und Politiker DDP) darauf angesprochen, bewertete Paléologues Behauptungen als „vollkommen falsch, mehr als das, einfach sinnlos“.
Kaiser Wilhelm II. verstärkte seine Bemühungen Rußlands Freundschaft zurückzugewinnen. In seinen Briefen informierte er Cousin Nikolaus II. über militärische Einzelheiten, der japanisch-chinesische Beziehungen (z.B. die japanischen Waffenlieferungen an China). Die erste japanische Armee überschritt am 1. Mai den Yalu, die 2. Armee wurde nachgezogen. Im August griffen die japanische Armee Port Arthur an, verlor 16 000 Mann und ein Waffenstillstand wurde vereinbart. Beide Seiten rüsten nach und Rußland setzte am 15. Oktober 1904 seine Ostseeflotte nach China in Marsch.
Der russische Kaiser Nikolaus II. schlägt Kaiser Wilhelm II. in seinem Telegramm vom 29. Oktober 1904 den Abschluß eines Bündnisvertrages vor [ 7]. Auf Initiative Kaiser Wilhelm II. berief der Reichskanzler am 31. Oktober 1904 eine Sitzung zur Erörterung eines deutsch-russischen Bündnisses ein. Wilhelm II. schlug Nikolaus II. vor, England militärisch unter Druck zu setzen, um Frankreichs Entscheidung für den Beitritt zum geplanten deutsch-russischen Bündnis zu erzwingen [ 8].
»In dieser Weise wird hoffentlich unser Vertrag seinen Zweck erfüllen, den Frieden Europas zu erhalten.«
Frankreich hatte sich bereits am 8. April 1904 an England gebunden und zwar im Vertrag zwischen Großbritannien und Frankreich über Ägypten und Marokko. Der spätere Versuch des Präsidenten Calliaux sich Englands Wünschen (1911) zu entziehen, führte zu Mord und Totschlag.
Im fernen Osten kosteten die japanischen Versuche die russische Festung Port Arthur einzunehmen insgesamt 100 000 Japanern das Leben. Grund genug für die russischen Generale Stessel und Fok im Dezember 1904 zu kapitulieren. In England trat die Regierung Balfour am 5. Dezember zurück. Mission acomplished. Sein Nachfolger Campbell Bannerman war zwar nach den Worten Balfours [ 9] „nicht vertrauenswürdig“, doch die liberalen Imperialisten in seinem Kabinett (Robert Crewe-Milnes, Edward Grey, Herbert Asquith, Richard Haldane) stellten die Kontinuität der britischen Politik sicher. Der Hund boll und die Kamele zogen weiter.
Im Januar kam es zu Streiks in den Petersburger Putilow-Werken. Am 9. Januar demonstrierten 150 000 Menschen vor dem Winterpalast. Die in Bereitschaft gehaltene Armee schoß auf die Demonstranten. Einige Tausend Menschen wurden getötet oder verletzt. Die Revolution war eröffnet [10].
Das Jahr 1905 war von Demonstrationen, Streiks und Baueraufständen durchzogen. Im Sommer 1905 meuterten die Matrosen des Panzerkreuzers Potjomkin.Ein halblegaler Gewerkschaftsbund wurde gegründet, Sozialrevolutionäre und linke Liberale gründeten den "Allrussischen Bauernverband" [11].
Der in den vergangenen Jahren in Rußland gepflegte Panslawismus forderte seine Opfer. Im Gebiet der Ukraine und Moldawien kam es zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, die wiederum brachte sich verstärkt in die sich organisierende sozialistische, wie bürgerliche revolutionäre Bewegung ein [12].
Rußland war erschüttert und Japan erschöpft. Im August 1905 kam unter Vermittlung des US-amerikanischen Präsidenten Theodor Roosevelts der in Portsmouth abgeschlossene Frieden zwischen Rußland und Japan zustande. Rußland trat das Pachtrechte an der chinesischen Halbinsel Liautung, die Südmandschurische Eisenbahn und die südliche Hälfte Sachalins an Japan ab [13].
Anfang Oktober kam es zu einem landesweiten Streik - der Eisenbahn sei Dank. Am 17. Oktober 1905 veröffentlichte die Regierung ein Manifest, in dem der Duma (dem Parlament) gesetzgeberische Rechte zugesprochen bekam und der Kreis derjenigen, die ein Wahlrecht erhalten sollten, ausgeweitet wurde. Vertreter der bürgerlichen Opposition nahmen Verhandlungen mit Witte auf, mit dem Ziel, einer Regierungsbeteiligung. Es gründeten sich bürgerliche Parteien, deren bedeutsamste die Konstitutionelle Demokratische Partei (Kadetten) eine konstitutionelle, parlamentarische Monarchie anstrebte. Die bürgerliche Oberschicht und Großgrundbesitzer sammelten sich in der Partei der Oktobristen.
Die Beteiligung des liberalen Bürgertums an der Regierung ging mit der verstärkten blutigen Verfolgung derjenigen einher, die auf eine vollständige Beseitigung der Monarchie drängten. Im Frühjahr 1906 erhielt Rußland eine aus französischen und englischen Quellen gespeißte Anleihe von 2,5 Mrd. Francs. Im April 1906 wurden die Grundgesetze des Russischen Reiches verabschiedet, die sich an der österreichischen Verfassung orientierten [14].
Kurz: England und die USA hatten Japan die Mittel für seinen Krieg gegen Rußland verschafft Am Ende des Krieges werden von England und Frankreich Rußland 2,5 Mrd. Francs gerade dann spendiert, als es die absolute Macht des russischen Kaisers beseitigte. Da das Parlament, die Duma, realpolitisch keine Rolle spielte, stärkten die Grundgesetze die Regierung und sie schwächten den Kaiser.
Quellen:
[ 1] Chamberlain, Sir Austen, Englische Politik, Essen 1938, S. 349
[ 2] Ganelin, R. Sch., Geschichte der UdSSR Teil 1, Moskau 1977, S. 310a
[ 3] Tirpitz, Alfred v., Erinnerungen, Leipzig 1919, S. 148
[ 4] ebd. S. 143
[ 5] Ganelin, R. Sch., a.a.O., S. 319
[ 6] Wolff, Theodor, Das Vorspiel, Leipzig 1924, auf www.projekt-gutenberg.org/wolfft/vorspiel/chap005.html
[ 7] Goetz, Walter (Hg.), Briefe Wilhelms II. an den Zaren 1894-1914, Berlin 1920, S. 138
[ 8] ebd. S. 144
[ 9] Chamberlain, Sir Austen, a.a.O., S. 540
[10] Ganelin, R. Sch., a.a.O., S. 319f
[11] ebd. S. 323
[12] Veidlinger, Jeffrey, Mitten im zivilisierten Europa, München 2022, S. 42ff
[13] Ganelin, R. Sch., a.a.O., S. 323
[14] ebd., S. 323ff