Nüchtern betrachtet handelte es sich beim Kulturkampf um eine Etappe auf dem Weg zum modernen Rechtsstaat. Der Staat übernahm zuvor von der Kirche ausgeübte Funktionen. Betroffen hiervon waren das Bildungssystem, das Familien- und Erbschaftsrecht (weil abhängig vom Urteil über Rechtmäßigkeit einer Ehe), die Alten- und Krankenpflege (geleistet durch Pflegekräfte zu Bedingungen, die jenseits der Zuständigkeit des Rechtsstaates lagen).
Die Polemik der katholischen Kirche an dem zum Kulturkampf hochstilisierten, Konflikt, ist nicht einzigartig: das eigene Verhalten bleibt unreflektiert und dem Gegner werden üble Motive unterstellt, die man, mittels provozierter bzw. inszenierter Ereignisse und/oder durch unzulässige Schlüsse vom Einzelnen auf das Allgemeine, führt.
Der Instrumentalisierung der polnischen Minderheit in Preußen durch die katholische Kirche folgte, eine Gegenreaktion. Ein Ansiedlungsgesetz wurde in Preußen 1886 verabschiedet, das 100 Mio. Mark bereitstellte die Landgüter des polnischen Adels aufzukaufen, um sie als mittelgroße Betriebe deutschen Bauern zu vermachen. Im Reichstag fand das Gesetz keine Mehrheit, wohl aber im konservativ beherrschten preußischen Abgeordnetenhaus als „Förderung des Deutschtums“ verkauft [ 1]. Dem so in Posen seiner Ländereien (600 000 ha) teils verlustig gegangenen polnischen Feudalherrn genügte dies den Deutschen „Rassismus“ und ein Streben nach der „Weltherrschaft“ [ 2] zu unterstellen.
Der Deutsche Kaiser und preußische König von Gottes Gnaden war evangelisch und damit, für jeden erkennbar, der christlichen Ethik verpflichtet. Das brachte der Beruf so mit sich. Zur Erlangung der „Weltherrschaft“ allerdings eignet sich der evangelische Glaube überhaupt nicht, wie sich u.a. aus dem Artikel 28 des Augsburger Bekenntnisses von 1530 ersehen läßt:
»Die geistliche Gewalt soll nicht in das Amt der weltlichen Gewalt, die weltliche Gewalt soll nicht in das Amt der geistlichen Gewalt greifen.«
Das dem König von Preußen die Gnade zuteil wurde König von Preußen zu werden, ein weltliches Amt, legitimiert keine geistigen oder politischen Weltherrschaftspläne. Kurz: Einen evangelischen Papst kann es nicht geben!
Politik und Verfassung des Deutschen Reiches entsprachen dem von einzelnen katholischen Bischöfen aufgebauten Feindbild nicht.
Mit dem Ausscheiden Österreichs aus dem Deutschen Bund 1866 verlor die katholische Kirche einen wichtigen Verbündeten, die Politik in Deutschland zu beeinflussen. [ 2]. Ersatz hoffte sie in den süddeutschen Staaten zu finden. Unter dem Schutz der akademischen Freiheit, bis dato an den katholischen Universitäten ein Fremdwort, hatte sich in Freiburg und Tübingen eine theologische Schule entwickelt, die letztlich dem Protestantismus vorwarf, den Tod an die Stelle des Lebens zu setzen, die Grundsätze des Protestantismus liefen »allem Gemeinleben und in ihrer Konsequenz notwendig allem Christentum zuwider« [ 3].
Die beschleunigte Industrialisierung führte in ihrem Verlauf zu wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen. Die hierdurch verunsicherte Bevölkerung vermochte die katholische Kirche in ihre Organisationen, den katholischen Volksvereinen, den Casinogesellschaften und weiterer Laienorganisationen einzubinden [ 4].
In einem Erlass an Harry Arnim, dem preußischen Gesandten in Rom, schrieb Bismarck Ende April 1868:
»Wir können, wie die Dinge sich eben in Süddeutschland gestaltet haben, denjenigen nicht Unrecht geben, welche in der katholischen Kirche, wie sie dort ist, eine Gefahr für Preußen und Norddeutschland erblicken und gegen jede Begünstigung und Förderung der Kirche gegen alles, was ihren Einfluß vermehren könnte, dringend warnen [ 5]«.
Am 18. Juli 1870 erfolgte die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas.
Am Neujahrstag 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet. Trotz seiner starken Stellung in dem neuen Nationalstaat wurde Preußen anfälliger für die im süddeutschen Raum geführten Auseinandersetzungen. Als 1871 die Entfernung kirchenkritischer Lehrer und Professoren aus den Schulen und Universitäten gefordert wurde, reagierte Preußen um schon im Vorfeld der einsetzenden Kampagnien eine Vereinnahmung der Katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium durch den Heiligen Stuhl zu verhindern. Die Katholische Abteilung im Kultusministerium wurde aufgelöst.
Am 14. Dez. 1871 legte Kultusminister Mühler dem Landtag ein neues Schulaufsichtsgesetz vor [ 6].
§ 1.
Unter Aufhebung aller in einzelnen Landesteilen entgegenstehenden Bestimmungen steht die Aufsicht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten dem Staate zu. Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betrauten Behörden und Beamten im Auftrage des Staates.
§ 2.
Die Ernennung der Lokal- und Kreisschulinspektoren und die Abgrenzung ihrer Aufsichtsbezirke gebührt dem Staate allein. Der vom Staate den Inspektoren der Volksschule erteilte Auftrag ist, sofern sie dies Amt als Neben- oder Ehrenamt verwalten, jederzeit widerruflich. Alle entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben.
§ 3.
Unberührt durch dieses Gesetz bleibt die den Gemeinden und deren Organen zustehende Teilnahme an der Schulaufsicht, sowie der Artikel 242 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.
§ 4.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten wird mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.
Die Erteilung des religiösen Unterrichts in den Volksschulen erfolgte durch die betreffenden Religionsgesellschaften, was dem Posener Erzbischof Ledochowski als Rechtfertigung genügte, den Religionsunterricht in der polnischen Sprache abhalten zu lassen [ 7].
In den Gottesdiensten befleisigte er sich natürlich des lateinischen.
Schon im Preußischen Landtag schlossen sich katholische Abgeordnete unter Führung August Reichenspergers in einer „Katholischen Fraktion“ zusammen um gegen die Politik des Kultusministers v. Raumer vorzugehen. Aus der „Katholischen Fraktion“ ging das „Zentrum“ hervor, das sich nach einem Aufruf Peter Reichenspergers 1870 gegründet hatte. Neben den beiden Reichensperger nahm der einstige Minister des 1866 von Preußen eroberten Königreiches Hannover Windhorst Einfluß auf die Politik des Zentrum.
Hierzu erklärte Windhorst noch 1887: »Was zunächst die Behauptung welfisch betrifft, so sage ich, das ist für mich ein Ehrenname. Es ist das Geschlecht der Welfen eines der glorreichsten, welches in Deutschland regiert hat […] ich bin und bleibe treu meinem angestammten Königshause, soweit das meine Untertanenpflichten gestatten [ 8].«
Dies Königshaus selbst war im Gegensatz zu Windhorst alles andere als katholisch.
Im ersten Reichstag erfuhr der von der katholische Zentrumspartei eingebrachte Antrag, Preußen möge zur Wiederherstellung des Kirchenstaates militärisch eingreifen (die Abschaffung des Kirchenstaates erfolgte gemäß dem Willen der Mehrheit seiner Bevölkerung), eine deutliche Absage, andererseits stimmte das Zentrum für die Übernahme der von Preußen geprägten Verfassung des Norddeutschen Bundes durch das Deutschen Reich [ 9].
Bereits bei Bildung der Zentrums-Fraktion im Deutschen Reichstag, hatte sich Bismarck veranlaßt gesehen, hervorzuheben, daß es nicht im Wesen einer politischen Versammlung läge, als Plattform theologischer Debatten zu dienen.
Es war jedoch nicht Bismarck der den Begriff des Kulturkampfes einführte sondern der berühmte Pathologe und liberale Abgeordnete Rudolf Virchow [10]. Virchow war Wissenschaftler und als solcher gehörte er zu den Menschen, die, dem Syllabus von 1865 zufolge, irrten. Im Syllabus hatte Pius IX. die Ansichten zusammentragen lassen, bei denen es sich seiner unfehlbaren Meinung nach um Irrtümer handelte.
Der Reichskanzler bestritt, daß das Zentrum analog zum geistigen Oberhaupt der Katholiken, dem Papst, im Namen aller katholischen Bürger sprechen könne, und markierte damit den Widerspruch zwischen dem autokratischen Machtsystem der katholischen Kirche und einer Regierung, die der Mitwirkung des, aus freien und gleichen Wahlen hervorgegangenen, Reichstages bedurfte.
Bismarck dramatisierte im Rahmen der Debatte zu den Maigesetzen in seiner Rede im Herrenhaus am 10. März 1872 [11]:
»Es handelt sich nicht um den Kampf, wie unseren katholischen Mitbürgern eingeredet wird, einer evangelischen Dynastie gegen die katholische Kirche, es handelt sich um den Kampf zwischen Glauben und Unglauben; es handelt sich um den alten Machtstreit, der so alt ist wie das Menschengeschlecht, um den Machtstreit zwischen Königtum und Priestertum, den Machtstreit, der viel älter ist als die Erscheinung unseres Erlösers in dieser Welt, den Machtstreit, in dem Agamemnon in Aulis mit seinen Sehern lag, der ihm dort die Tochter kostete und die Griechen am Auslaufen verhinderte, den Machtstreit, der die deutsche Geschichte des Mittelalters bis zur Zersetzung des deutschen Reiches erfüllt hat unter dem Namen der Kämpfe der Päpste mit den Kaisern, der im Mittelalter seinen Abschluß damit fand, daß der letzte Vertreter des erlauchten schwäbischen Kaiserstammes unter dem Beile eines französischen Eroberers auf dem Schaffot starb und daß dieser französische Eroberer im Bündnis mit dem damaligen Papst stand«.
Womit Bismarck auf die unrühmliche Rolle der katholischen Kirche im Zusammenhang mit der Kriegserklärung Frankreichs gegen den Norddeutschen Bund 1870 anspielte.
Windhorst unterstellte Bismarck ins linke Lager abzudriften, das monarchische Prinzip zu verraten und sich zum Sklaven der liberalen Mehrheit in den Parlamenten zu machen.
Das Zentrum sei eine dem Parlamentarismus verpflichtete, konfessionsübergreifende, konservative Partei [12]. Das hielt die Partei allerdings nicht davon ab, auf Beibehaltung der, der katholischen Kirche gewährten, Sonderrechte zu drängen.
»Die Souveränität kann nur eine einheitliche sein
und muß es bleiben:
die Souveränität der Gesetzgebung.«
Dr. Falk 1872 [13]
1872 forcierte der preußische Kultusminister Adalbert Falk die von seinem Vorgänger eingeleitete Kirchenpolitik. Reichskanzler Bismarck erklärte mit der geschaffenen Klarheit den inneren Frieden des Landes zu festigen und suchte eine Handhabe gegen die, sich auf die im Entstehen befindliche katholische Soziallehre berufende, Bewegung zu finden, die er im Bunde mit der Sozialdemokratie wähnte [14].
Diese Handhabe lieferte ihm eine von Bayern ausgehende Änderung des deutschen Strafgesetzbuches, derzufolge ein Geistlicher Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdender Weise nicht zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erklärung machen durfte [15].
Im Mai 1872 lehnte Papst Pius IX. die Ernennung des Kardinals Gustav von Hohenlohe-Schillingsfürst zum deutschen Botschafter am Vatikan ab [16]. Der Kardinal war als Gegner der Jesuiten bekannt. Die Regierung ließ den Posten unbesetzt. Das kurz darauf erfolgende Verbot aller Niederlassungen und Kongregationen der Jesuiten in Deutschland wurde vom Reichstagsabgeordneten Wagener begründet. Er warf den Jesuiten vor (vor allem in Schlesien und Posen) in Zusammenarbeit mit französischen und italienischen Ordensbrüdern den Aufbau von Vereinen zu betreiben, deren Zweck es wäre die unteren Volksschichten zu fanatisieren und dem deutschen Staat zu entfremden.
Die Rolle die die Jesuiten beim Prozess der Abspaltung Belgiens von den Niederlanden spielten, waren den Mitgliedern des Reichstages in lebhafter Erinnerung und so wundert es nicht, daß der Gesetzesantrag mit 183 gegen die 101 Stimmen der ultramontanen Partei (Zentrum), der Polen und eines Teils der Fortschrittspartei angenommen wurde [17].
§ 1
Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiet des Deutschen Reichs ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen derselben ist untersagt. Die zur Zeit bestehenden Niederlassungen sind binnen einer vom Bundesrat zu bestimmenden Frist, welche sechs Monate nicht übersteigen darf, aufzulösen.
§ 2
Die Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen Kongregationen können, wenn sie Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden; wenn sie Inländer sind, kann ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden.
§ 3
Die zur Ausführung und zur Sicherstellung des Vollzugs dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen werden vom Bundesrate erlassen.
Der Kultusminister legte den preuß. Abgeordneten vier Gesetzesvorlagen – die für alle Kirchen gleichermaßen galten – mit folgendem Inhalt vor [19][20]:
1. Grenzen des Rechts zum Gebrauch kirchlicher Straf- und Zuchtmittel
Das Gesetz verbietet jedem Religionsdiener „Straf- oder Zuchtmittel anzudrohen, zu verhängen oder zu verkünden, welche weder dem rein religiösen Gebiete angehören, noch lediglich die Entziehung eines innerhalb der Kirche oder Religionsgesellschaft wirksamen Rechtes oder die Ausschließung aus der letzteren betreffen…“ Die Einhaltung staatlicher Gesetze oder die Befolgung von der Obrigkeit erlassener Anordnungen, die Ausübung bzw. Nichtausübung des öffentlichen Wahl- oder Stimmrechtes dürfen durch die Kirche nicht bestraft werden.
2. Anstellung und Vorbildung der Geistlichen
Angestellt werden dürfen nur deutsche Geistliche, die ein deutsches Gymnasium abgeschlossen haben, an einer staatlichen Hochschule in Deutschland Theologie, Philosophie, … studiert und eine staatliche Prüfung abgelegt haben. In Provinzen, in denen keine Theologische Fakultät an einer staatlichen Hochschule existiert, können kirchliche Seminare besucht werden, sofern diese durch das Kultusministerium hierzu berechtigt wurden. Kirchliche Anstalten die der Vorbildung von Geistlichen dienen, unterstehen der staatlichen Aufsicht. Dies betrifft auch Hausordnung und Lehrplan. Die dort tätigen Lehrer müssen ihre Befähigung nachweisen. Ihre Einstellung unterliegt dem Einspruchsrecht des Staates.
Die Anstellung, Versetzung und Änderung des Anstellungsverhältnisses unterliegt ebenfalls einem staatlichen Einspruchsrecht.
3. Kirchliche Disziplinargewalt und Errichtung eines königlichen Gerichtshofes
„Die kirchliche Disziplinargewalt darf nur von deutschen [kirchlichen] Behörden ausgeübt werden. Strafen, gegen die Freiheit und das Vermögen gerichtet dürfen nur nach Anhörung des Beschuldigten verhängt werden. Der Entfernung aus dem Amte muß ein geordnetes [staatliches] prozessualisches Verfahren vorausgehen. Körperliche Züchtigung ist unzulässig, Geldstrafen dürfen den Betrag von 30 Thalern oder den Betrag des monatlichen Einkommens nicht übersteigen. Die Strafe der Freiheitsentziehung darf nur in der Verweisung in eine Demeritenanstalt [kirchliche Strafanstalt] bestehen, die Dauer von 3 Monaten nicht übersteigen und nicht wider den Willen der Betroffenen vollstreckt werden… Gegen Entscheidungen der kirchlichen Behörden steht jedem Betroffenen Berufung an den königlichen Gerichtshof für die kirchlichen Angelegenheiten offen… Kirchendiener, welche die Vorschriften der Staatsgesetze und obrigkeitlichen Anordnungen verletzen, können auf Antrag der Staatsbehörde durch gerichtliches Urteil aus ihrem Amte entlassen werden… Die Anordnung des Gerichtshofes erfolgt, wenn die der der kirchlichen Instanz ohne Erfolg geblieben ist.“
4. Austritt aus der Kirche.
“ … jeder der mit bürgerlicher Wirkung aus der Kirche, der er bisher angehörte, austreten will [hat] dies in Person vor dem Richter seines Wohnortes zu erklären“. Dieser hat ein Protokoll anzulegen, auf Verlangen des Austretenden eine Bescheinigung zu erstellen und der betroffenen Kirchengemeinde Mitteilung darüber zu machen.
Bismarck 1874: »Wir haben vor 1826 unter der Herrschaft des Landrechts gelebt, das weiter ging, und dieselben Herren, die jetzt behaupten, durch die Maigesetze, die nicht so weit gehen, wie das Landrecht, geschädigt zu sein, mögen doch bedenken, daß ihre Väter in Ehren selig geworden sind unter jenem Regime [21].«
Da die Vorlagen vor allem gegen die Verfassungsartikel verstießen, die den Kirchen bei der Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten freie Hand ließen, mußten die entsprechenden Artikel dahingehend abgeändert werden, daß dies nur im Rahmen der staatlichen Gesetze und demzufolge einer gesetzlich geordneten Aufsicht des Staates möglich sei. Diese Änderung der Verfassung wurde am 4. Febr. 1873 mit 245 zu 110 Stimmen angenommen.
Bischof v. Ketteler: »Es ist de fide, daß die Kirche mit allen aus ihrer göttlichen Institution fließenden Rechten jeder weltlichen Gewalt durch Gott, den Urheber jedes Rechtes, entzogen ist. Der Staat kann durch seine Gesetze und Verfassungen Rechte und Freiheiten, die Gott der Kirche verliehen hat, weder geben noch nehmen[22].«
Mit Rückendeckung des Zentrum, weigerte sich ein Teil des katholischen Klerus, die im Mai beschlossenen und wenig später in Kraft getretenen Maigesetze zu respektieren.
Die Bischöfe protestierten und wandten sich an das Herren- und Abgeordnetenhaus sowie an Kaiser Wilhelm I. Gegenüber Falk erklärten sie ihre Verpflichtung, zu gebieten, »daß kein Gläubiger in irgendwelchem Falle unterlasse, was die Kirche gebiete, und daß er in keinem Falle etwas thue, was die Kirche verbiete, unbekümmert darum, ob im ersten Falle das Staatsgesetz verbiete, im zweiten Gebiete [23].«
Bischof Martin von Paderborn kam der Forderung des Oberpräsidenten von Westfahlen, Statuten und Lehrplan der philosophisch-theologischen Lehranstallt einzureichen, nicht nach. Die Bischöfe von Trier und Köln widersetzten sich ebenfalls, die nach dem neuen Gesetz geforderte Qualifizierung der Lehrer nachzuweisen. Niemand konnte vermuten, daß sich der Kulturminister Falk an die Gesetze hielt und die Lehranstalten schließen ließ.
Der Papst sendete dem mit dem preußischen Fiskus hadernden Bischof von Ermland aufmunternde Worte und einen dicken Smaragdring mit Brillanten. Der Bischof hatte sich dadurch verdient gemacht, sich über einen, katholischen Soldaten von einem altkatholischen, als akatholischen Priester verspotteten Feldpriester, abgehaltenen Gottesdienst zu empören.
Der schlesische Dombischof Freiherr von Richthofen bezweifelte die Unfehlbarkeit des Papstes und wurde vom Breslauer Fürstbischof Förster mit dem Bann belegt und ohne selbst gehört worden zu sein des Amtes enthoben. Letzteres verstieß gegen geltendes Recht und Kultusminister Falk zahlte v. Richthofen weiterhin das Gehalt eines Dombischofs und beließ ihm die Wohnung des Dombischofs [24].
Die von der katholischen Kirche durchgeführten Anstellungen verstießen oft gegen die Regularien. Mit der dem Oberpräsidenten nicht angezeigten Beförderung des Posener Erzbischofs Ledochowski zum stellvertretenden König von Polen, eine der Funktionen eines Primas von Polen, trieb der Papst sein teuflisches Spiel auf die Spitze [25]. Einmal davon abgesehen, daß die staatliche Integrität Preußens und des Deutschen Reiches infrage gestellt wurde, würde die Duldung eines in Deutschland residierenden Primas von Polen den Frieden mit Rußland gefährden.
Ledochowski allein verstieß in über 50 Fällen gegen das geltende Recht, wobei die Einstellung von Priestern ohne Einvernehmen mit den staatlichen Stellen kirchliche Eheschließungen zur Folge hatten, die nach dem Gesetz nicht gültig waren, wodurch Erbfolge und Versorgungsansprüche der Hinterbliebenen nicht gesichert waren. Dem Übel abzuhelfen wurden 1873/74 von Falk die Zivilstandsgesetze vorgelegt, die den Priestern bei Eheschließungen, Beerdigungen und Geburten zur Pflege der Register einen Geistlichen anderen Glaubens zur Seite stellten [26].
Ledochowski organisierte sich die Unterstützung durch die katholischen Priester, den polnischen Adel und deren Gemeinden.
Erzbischof Ledochowski wurde vom Oberpräsidenten aufgefordert von seinem Amt zurückzutreten. Zu den gerichtlich anberaumten Terminen erschien der Angeklagte nicht und erklärte endlich, daß »die Bestimmungen der katholischen Kirche ihren Mitgliedern und umso mehr ihren Bischöfen verbieten, in rein geistlichen und kirchlichen Angelegenheiten das Recht der Jurisdiktion der weltlichen Gerichte anzuerkennen, daß er somit die Kompetenz des Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten in Berlin nicht anerkenne, zu dem Termin nicht erscheine und, im Falle eines Zwanges, keinen Aufschluß über die gegen ihn erhobenen Anklagen erteilen würde [27]. Am 3. Februar 1873 wurde Ledochowski verhaftet und wenig später von seinem Amt entsetzt.
Die Diözesen Posen und Gnesen wurden vom Landrat bestellten Administratoren für die zur Wahl und Bestätigung eines neuen Bischofs benötigte Zeit übertragen.
Pius IX. sorgte insgeheim für einen apostolischen Delegaten, der anstelle Ledochowskis die Geistlichen mit den päpstlichen Weisungen zu versorgen hatte.
Die Bischöfe Martin (Paderborn), Melchers (Köln) und Eberhard (Trier) weigerten sich ebenfalls dem König zu versichern sich an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten. Auch sie wurden von ihren Ämtern entsetzt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Die Bischöfe im Ghzm. Oldenburg hatten hingegen keine Probleme ihrem Großherzog die Versicherungen zu geben, die ihre preußischen Kollegen dem König von Preußen verweigerten [28].
Mitglieder des (katholischen) Vereins der Ritter des schlesischen Malteserordens allen voran der Bailli, Herzog von Ratibor erklärten 1872 in einer Adresse an den Deutschen Kaiser [29]:
»Wir wollen nicht, daß bestehende Gesetze bestritten und mißachtet werden, denn mit der Autorität der Gesetzgebung wird die Grundlage des Staates, der Schutz des Rechtes aller untergraben. […] Wir verwahren uns auf das Entschiedenste gegen den allenthalben gemachten Versuch der extremen Partei, sich als alleinige Vertreter der Katholiken Deutschlands hinzustellen.«
Bei den folgenden Vorstandswahlen wurden die als Staatskatholiken verunglimpften Unterzeichner der Adresse abgewählt. Der Herzog als Vorsitzender abgesetzt. Die ihm verbundenen Mitglieder des Malteserordens erklärten ihren Austritt[30].
In Reaktion auf die Ergebnisse des Ersten Vatikanischen Konzil (8.12.1869 bis 18.7.1870) bildete sich in Deutschland, der Schweiz und Österreich eine altkatholischen Bewegung heraus, katholische Priester, die sich dem Regime Papst Pius IX. nicht unterwerfen konnten. Einer ihrer herausragendsten Vertreter war Ignaz von Döllinger, der schon im Vorfeld des Konzils durch zahlreiche Artikel in der Augsburger Zeitung, die er unter dem Pseudonym „Janus“ verfaßt hatte, gegen die Vorstellungen Pius IX. Stellung bezog [31].
Am 4. Juni 1873 wurde von 55 weltlichen und 20 altkatholische Gemeinden vertretende geistlichen Abgeordneten der Theologe Prof. Joseph Hubert Reinkens zum Bischof gewählt. Am 11. August erhielt Reinkens in Rotterdam vom jansenistischen Bischof Hermann Heykamp die bischöfliche Konsekration. Reinkens gab seinen Eid, den gesetzlichen Bestimmungen Folge zu leisten und erhielt im Oktober die Urkunde, in der die preußische Regierung ihn als katholischen Bischof anerkannte. Die Anerkennung durch Baden und Hessen-Darmstadt folgten [32].
Die Altkatholiken verwarfen die Mariendogmen der Unbefleckten Empfängnis und der leiblichen Aufnahme Mariens, ebenso den Syllabus von 1864. Sie folgten dem von den Jesuiten durchgesetzte Dogma nicht und waren von der „grundsätzlichen Unverdientheit der göttlichen Gnade und deren absolutem Vorrang vor jeglichem menschlichen Wollen“ überzeugt [33]. Als katholisch gilt den Altkatholiken, was – nach Vinzenz von Lérins (†. ca. 440) »überall, immer und von allen geglaubt worden ist [34].«
Bismarck sah in den Altkatholiken wenig mehr als ein Mittel, den Einfluß der katholischen Kirche in Deutschland zu schwächen:
»Dasselbe bestand in dem von einzelnen Canonisten vertretenen Gedanken, daß die römisch-katholische Kirche durch die Beschlüsse des Vaticanums ihre Natur verändert habe, ein andres Rechtssubject geworden sei und die in ihrem früheren Dasein erworbenen Eigenthums- und Vertragsrechte verloren habe. Ich habe dieses Mittel früher als er [Arnim] erwogen, glaube aber nicht, daß dasselbe eine stärkere Wirkung auf den Austrag des Streits geübt haben würde, als die Gründung der altkatholischen Kirche es vermochte, deren Berechtigung logisch und juristisch noch einleuchtender und rechtfertiger war, als es die angerathene Lossagung der Preußischen Regierung von ihren Beziehungen zur römischen Kirche gewesen sein würde.
Die Zahl der Altkatholiken giebt das Maß für die Wirkung, welche dieser Schachzug auf den Bestand der Anhänger des Papstes und des Neokatholicismus geübt haben würde [35].«
Auch die Schweiz wollte sich nicht an der Hand Pius IX. ins Mittelalter führen lassen. Die Übernahme der Schulhoheit durch den Staat erfolgte 1861 nahezu problemlos. 1865 trat der Streit offen aus, als der Papst das Bistum Genf zerteilen wollte. Für Genf bestimmte er, ohne die Genfer Regierung davon zu unterrichten, den Stadtpfarrer Mermillod zum Bischof. Genf anerkannte den neuen Bischof nicht.
Das Unfehlbarkeitsdogma wurde in der Schweiz von den Bischöfen Lachat (Basel) und Mermillod (Genf) öffentlich begrüßt. Für die Genfer Regierung Grund genug Mermillod 1872 die Tätigkeit als Bischof zu untersagen, was dazu führte, daß das Bistum Genf in seiner ursprünglichen Größe bis zum heutigen Tage erhalten blieb. Im Bistum Basel bezweifelte die Hälfte der rund 412 000 Katholiken die päpstliche Unfehlbarkeit und traten aus der römisch-katholischen Kirche aus. Von ihnen schlossen sich 73 000 der Altkatholischen (Christkatholischen) Kirche an. Als der Baseler Bischof Lachat jene Priester, die sich dem Dogma widersetzten, exkommunizierte [aus der Kirche ausschloß] wurde er von den Kantonsregierungen abgesetzt. Gegen die Absetzung protestierten 97 katholische Pfarrer aus dem Berner Jura, die nun ihrerseits des Amtes enthoben und durch altkatholische Priester ersetzt ersetzt wurden. 84 der 97 protestierenden Katholiken wurden des Landes verwiesen [36].
In der Immediateingabe vom 22. Mai 1874 an den Kaiser wiederholten die preuß. Bischöfe ihre Erklärung, daß sich die Kirche den einseitigen Staatsgesetzen und Verordnungen über kirchliche Dinge nicht unterwerfen könne.
Am 13. Juli 1874 verübte der katholische Böttchergeselle Kullmann einen Anschlag auf Bismarck in Kissingen. Der aus Neustadt-Magdeburg stammende Kullmann war Mitglied des von dem Missionspfarrer Störmann in Salzwedel geleiteten katholischen Männervereins.
Im weiteren Verlauf des Jahres bat Bismarck – nachdem der Reichstag anläßlich der Verurteilung des katholischen Abgeordneten Majunke wegen Majestätsbeleidigung eine Erklärung abgab, die Strafverfolgung von Reichstagsabgeordneten während der Sitzungsperiode von der Zustimmung des Reichstages abhängig zu machen – den Kaiser um seine Entlassung. Der Kaiser lehnte das Gesuch ab und der Reichstag machte die anschließende Abstimmung über den Etat des Außenministeriums zum Vertrauensvotum für Bismarck. 199 Abgeordnete stimmten für den Etat, 71 dagegen.
1874 organisiert Lord Russel in London eine Massenversammlung, zur Unterstützung der deutsche Politik gegen die katholische Kirche.
Anläßlich dieser Kundgebung schrieb Lord Russel [37]:
»Viele Jahre meiner parlamentarischen Laufbahn waren der Förderung reilgiöser Freiheit gewidmet. […] Ganz dieselben Prinzipien, welche mich verpflichteten, gleiche Freiheit für Katholiken, protestantische Dissenters [Protestanten, die der anglikanischen Staatskirche den Rücken gekehrt hatten] und Juden zu verlangen, verpflichten mich jetzt, zu protestieren gegen die Verschwörung, die danach strebt, das Deutsche Reich in, wie sie hofft, nie abzuschüttelnde Ketten zu schlagen. […] Uns gehen die Einzelheiten der deutschen Gesetze nichts an; sie mögen gerecht, sie mögen streng sein, wir können dies nur dem deutschen Volke zu seiner Entscheidung überlassen, wie wir ja auch selbst entschieden haben. Das aber können wir jedenfalls sehen, daß die Sache des Deutschen Kaisers die Sache der Freiheit und die Sache des Papstes die der Knechtschaft ist.«
Ende 1874 wurde das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung den Parlamenten vorgelegt, verabschiedet und am 6. Februar 1875 vom Kaiser unterschrieben, deren Allgemeine Bestimmungen lauteten [38]:
§ 1.
Die Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle erfolgt ausschließlich durch die vom Staate bestellten Standesbeamten mittels Eintragung in die dazu bestimmten Register.
§ 2.
Die Bildung der Standesamtsbezirke erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehörde. Die Standesamtsbezirke können aus einer oder mehreren Gemeinden gebildet, größere Gemeinden in mehrere Standesamtsbezirke getheilt werden.
§ 3.
Für jeden Standesamtsbezirk ist ein Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter zu bestellen. Für den Fall vorübergehender Behinderung oder gleichzeitiger Erledigung des Amtes des Standesbeamten und der Stellvertreter ist die nächste Aufsichtsbehörde ermächtigt, die einstweilige Beurkundung des Personenstandes einem benachbarten Standesbeamten oder Stellvertreter zu übertragen. Die Bestellung erfolgt, soweit nicht im §. 4 ein Anderes bestimmt ist, durch die höhere Verwaltungsbehörde.
Geistlichen und anderen Religionsdienern darf das Amt eines Standesbeamten oder die Stellvertretung eines solchen nicht übertragen werden.
Der Papst erklärte am 5. Februar 1875 in einem Brief an die Bischöfe Preußens die zwischen Preußen und der Landesvertretung vereinbarten Gesetze für nichtig und verbot ihnen Gehorsam zu leisten. Am 4. März 1875 brachte Kultusminister Falk das sog. Sperrgesetz im Abgeordnetenhaus ein, demzufolge die weiteren Zuwendungen Preußens an Einrichtungen der katholischen Kirche von einer schriftlichen Erklärung der betroffenen Geistlichen abhingen, in denen sie sich zur Befolgung der staatlichen Gesetze verpflichteten [39].
54 Jahre war es her, als König Friedrich Wilhelm III., die päpstliche Bulle De salute animarum sanktionierend, den Grundsatz formuliert, »daß die katholische Kirche des preußischen Staates, soweit sie von diesem Staate Nutzungen und Leistungen beziehe, diese nur beziehen könne und dürfe, so weit und so lange sie die Majestät des preußischen Staates und seiner Gesetze achte und anerkenne [40].«
Die von dem Sperrgesetz betroffenen Leistungen an die katholische Kirche beschränkten sich nicht auf Zahlungen aus der Staatskasse, sondern auch auf die Nutzung von Immobilien und auf sonstige Zuwendungen (z.B. Naturalien). In der katholischen Kirche wurden nun Stimmen laut, die die Legitimität des preußischen Königs infrage stellten. Der Papst allein befinde über die Rechtmäßigkeit der Königswürde. Es nimmt nicht wunder, daß nun auch die ursprünglich von den Liberalen getragene Politik der Trennung von Kirche und Staat, von den Konservativen, die stets der Gleichung: Grundherr + Pfarrer => duldsame Landarbeiter vertrauten, vertreten wurde.
Am 31. Mai trat in Preußen das Klostergesetz in Kraft. Alle Orden und Kongregationen der kath. Kirche mußten sich innerhalb der folgenden sechs Monate auflösen. Ausgenommen waren Einrichtungen die sich der Krankenpflege widmeten. Kathol. Niederlassungen die dem Unterricht und der Erziehung der Jugend dienten erhielten eine Frist von vier Jahren gesetzt [41].
Am 18. Juni 1875 wurden die Art. 15, 16 und 18 der Verfassung ganz aufgehoben [42].
Nach einem Gesetz vom 30. Juni wurde die Vermögensverwaltung in den kath. Kirchengemeinden einem Kirchenvorstande, von dem der Geistliche ausgeschlossen war, und einer Gemeindevertretung übertragen. Dieses Gesetz wurde von den Bischöfen mitgetragen, um dem Staat nicht die Möglichkeit zu eröffnen, sich des Kirchenvermögens zu bemächtigen.
Ledochowski wurde am 7.2.1876 aus der Haft entlassen. Nachdem er sich in Berlin feiern ließ zog es ihn nach Krakau wo er seine Tätigkeit in einer Weise forsetzte, die sogar die dortigen österreichischen Behörden zu dulden nicht in der Lage waren. Von der Ausweisung bedroht, setzte sich Ledochowsky nach Rom ab. Von dort aus wollte der frische Kardinal seinen bischöflichen Pflichten für Posen und Gnesen nachkommen.
Im Jahre 1878 waren von den zwölf preuß. Bischöfen nur noch drei im Amt (Culm, Ermland und Hildesheim) sechs Bischöfe waren abgesetzt worden, drei Bistümer (Fulda, Trier und Osnabrück) blieben infolge des Todes der Bischöfe ohne Bischof, da sich das Domkapitel und die Regierung nicht auf einen Nachfolger eingen konnten [43].
Am 7. Febr. 1878 starb Pius IX. [44] Der neue Papst Leo XIII. vermochte seine Ambitionen auf das geistliche Gebiet zu beschränken und Bismarck sah nun die Sicherstellung von Einkünften, die dem Deutschen Reich direkt zufließen sollten, als dringlichste Aufgabe an. Der Kulturminister Falk wurde einem neuen konservativen Bündnis geopfert. Im Kern blieben die neuen Kirchengesetze erhalten (Zivilehe, Bildungspolitik, staatliche Gerichtsbarkeit), wenn auch die Gesetze zur Kontrolle der Kirchen und der Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des Rechtes verschwanden bzw. überflüssig wurden. Schlußendlich erhielten auch die Jesuiten ihre Recht zurück, im Deutschen Reich Niederlassungen zu unterhalten.
Die Zeit war über den Konflikt mit der katholischen Kirche hinweg gerollt. Zwar glaubten die Katholiken weiterhin daran, daß sich die Sonne um die Erde dreht, bis vor kurzem ein Sünder, der das bestritt, ihren missionarischen Eifer, den Rest der Menschheit davon zu überzeugten, schämten sie sich doch auszuleben.
Anhang:
Bismarck in seiner Rede vor dem Preußischen Landtag am 30. Januar 1872:
»Ich habe es von Hause aus als eine der ungeheuerlichsten Erscheinungen auf politischem Gebiete betrachtet, daß sich eine konfessionelle Fraktion in einer politischen Versammlung bildete, eine Fraktion, der man, wenn alle übrigen Konfessionen dasselbe Prinzip annehmen wollten, nur die Gesamtheit einer evangelischen Fraktion gegenüberstellen müßte: dann wären wir allerseits auf einem inkommensurablen Boden, denn damit würden wir die Theologie in die öffentlichen Versammlungen tragen, um sie zum Gegenstande der Tribünendiskussion zu machen.
[. . . ]
Konfessionell kann eine Regierung als solche nur dann auftreten, wenn sie eine Staatsreligion hat, wie wir sie nicht haben. Der Vorredner will dem substituieren fünf bis sechs Staatsreligionen, von denen jede ihre staatliche Geltung und Berechtigung haben soll – denn das wiederhole ich: was für die katholische Kirche nach dieser Richtung gefordert werden kann, wird gerechterweise auch für alle übrigen christlichen und nichtchristlichen Konfessionen gefordert werden, nämlich eine ziffermäßige Beteiligung nach Maßgabe einer genauen, durch das statistische Büro zu ermittelnden Volkszählung, wobei außerdem noch festgestellt werden müßte, ob alle Katholiken ihrerseits mit dieser Quotisierung am Staate einverstanden sind, und das glaube ich nun und nimmermehr, denn ich bestreite den Herren, daß, wenn sie die Fragen, die in ihren Wahlreden mit dieser Genauigkeit niemals berührt, geschweige denn juristisch verstanden werden können, hier der Staatsregierung in dem Sinne gegenüber vertreten – daß sie dabei die Mehrheit ihrer eigenen Glaubensgenossen auf ihrer Seite hätten. Das bestreite ich und gewärtige ich den Beweis! [45].«
Quellen:
[ 1] Egelhaaf, Gottlieb, Geschichte der neuesten Zeit, Stuttgart, 1913, S. 214
[ 2] Majunke, Paul, Geschichte des „Kulturkampfes“ in Preußen-Deutschland, Paderborn 1902, S. 11f
[ 3] Treitschke, Heinrich von, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert Dritter Teil, Leipzig 1927, S. 205
[ 4] Gall, Lothar, Bismarck, Berlin 2008, S.548f
[ 5] ebd., S. 542
[ 6] Majunke, Paul, a.a.O., S. 66
[ 7] Otto von Bismarck – Kulturkampf 1871-1887 auf www.otto-von-bismarck.net aufgerufen am 10.8.2019
[ 8] Böhtlingk, Arthur, Bismarck und das päpstliche Rom, Berlin 1911, S. 117
[ 9] Gall, Lothar, a.a.O., S. 547
[10] Otto von Bismarck – Kulturkampf 1871-1887, a.a.O.
[11] Bismarck, Otto v., Fürst Bismarck’s gesammelte Reden Bd. II, Berlin 1894, S. 6f
[12] Gall, Lothar, a.a.O., S. 560f
[13] Robolsky, Herrmann, Geschichte des Kulturkampfes, Leipzig 1885, S. 80
[14] Gall, Lothar, a.a.O., S. 549
[15] ebd., S. 552
[16] ebd., S. 563
[17] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 59f
[18] ebd., S. 60
[19] ebd., S. 81ff
[20] Böhtlingk, Arthur, a.a.O., S. 244ff
[21] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 144
[22] Böhtlingk, Arthur, a.a.O., S. 253
[23] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 91
[24] ebd., S. 98
[25] ebd., S. 102f
[26] Majunke, Paul, a.a.O., S. 111
[27] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 107f
[28] ebd., S. 126f
[29] ebd., S. 114
[30] ebd., S. 115f
[31] Thönissen, Wolfgang, Altkatholische Kirche, auf www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Altkatholische_Kirche, aufgerufen am 15.08.2019
[32] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 125
[33] Wriedt, Markus, Christliche Netzwerke in der Frühen Neuzeit, auf www.ieg-ego.eu, Stand 4.8.2019
[34] Thönissen, Wolfgang, a.a.O.
[35] Bismarck, Otto v., Gedanken und Erinnerungen, München, Berlin 1982, S. 396
[36] Der Kulturkampf www.geschichte-schweiz.ch, aufgerufen am 15.08.2019
[37] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 179
[38] Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1875, Nr. 4, Seite 23 – 40 Fassung vom: 6. Februar 1875
[39] Robolsky, Herrmann, a.a.O., S. 142f
[40] ebd., S. 142
[41] Böhtlingk, Arthur, a.a.O., S. 321f
[42] ebd., S. 318
[43] ebd., S. 330ff
[44] ebd., S. 338
[45] Lautermann/Schlenke (Hrsg.), Das bürgerliche Zeitalter 1815-1914, München 1980, S. 415f