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Der Kaiser im Nahen Osten.

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Gründe der Nahostreise.

Die Nahostreise Kaiser Wilhelm II. paßt vorzüglich ins nationale politische Kalkül: Erinnerung an die anglo-preußische Zusammenarbeit zur Unterstützung des osmanischen Sultans im Kampf gegen den ägytischen Abtrünnigen Mohammed Ali. Erinnerung an das von Friedrich Wilhelm IV. initiierte anglo-preußische Bistum in Jerusalem. Versöhnung der während des Kulturkampfes in Mitleidenschaft gezogenen evangelischen und katholischen Christen. Die Vorstellung eines Deutschen Reiches, das dafür eintrat Palästina den Anhängern aller Religionen zu öffnen.

Vor allem aber ging es ums Geschäft.

Dem Kaiser ging es um das Resievergnügen, um die Möglichkeiten seine Neugierde auf den Orient zu befriedigen und seinen archäologischen Interessen zu folgen, um sich selbst die später gestellte Frage: Babel oder Bibel, d.h. kann man nach all den archöologischen Funden der Bibel noch Glauben schenken vorab zu beantworten.

Schon bevor der Kaiser abreiste erschienen in einzelnen Zeitungen Karrikaturen und Schmähgedichte, um diese Reise, oder schon die konstitutionelle Monarchie ins Lächerliche, zu ziehen. Die Reise diene keinem Zweck und dem narzistischen Verlangen des Kaisers geschuldet [ 1].

Deutsch-englische Beziehungen.

Dem Ägypter Mohamed Ali gelang es 1831 mit französischer Rückendeckung Palästina einzunehmen. England, Rußland und Preußen unterstützten das Osmanische Reich in seinem Feldzug gegen Mohamed Ali, wobei Preußen (Moltke) im osmanischen Heer wirkte und die Briten sich der Marine annahmen [ 2].

Hierauf mußte der Sultan Rücksicht nehmen, als er dem, auf Anregung Friedrich Wilhelm IV. und 1841 auch tatsächlich gegründete, anglo-preußische Bistum Jerusalem zustimmte [ 3].

Mit dem Sansibar-Helgoland Vertrag 1890, der neben dem Austausch der beiden Inseln vor allem der britischen Expansion in Afrika den Weg ebnete, dokumentierte jetzt das Deutsche Reich seine pro-britische Außenpolitik.

Die Organisation der von Wilhelm II. geplanten ersten Palästinareise (1898), legte der Deutsche Kaiser in die Hände einer Londoner Firma.

Die deutschen Bemühungen, um eine Verbesserung der Beziehungen zu Großbritannien, fanden auch in England Befürworter, die es allerdings nicht vermochten, sich gegen die besser organisierten Gegner der Annäherung zu behaupten. Sie wurden langsam aber konsequent ins Abseits gedrängt.

Soweit war 1898 die Welt noch in Ordnung und die von Cook & Co organisierte Reise konnte beginnen [ 4]. Am 12.10.1898 brach Kaiser Wilhelm II. in Begleitung von etwa 700 Personen zu der Reise auf, die ihn nach Istanbul, Jerusalem und Damaskus führen sollte.

In Istanbul.

Kaiser Wilhelm II. wurde von Sultan Abdul Hamid II. außergewöhnlich freundlich empfangen. Ihm zu Ehren wurde am Yildiz Kiosk eine Parade veranstaltet. Der Sultan ließ Bilder von Vater und Großvater Kaiser Wilhelm II. sowie von Feldmarschall v. Moltke aufhängen [ 5].

Nicht nur der gewaltige Umfang der Nahostreise auch die aufrichtig, direkte Art des Kaisers beeindruckten den, durch die sublim-nebulös britische und die verschlungene französische Diplomatie gebrannten Sultan Abdul Hamid II.

Die beiden Herrscher vereinbarten einen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag, sowie die Fortsetzung des unter großen Widrigkeiten stehenden Baus der Bagdadbahn. Zur Erinnerung an seinen Besuch in Istanbul ließ Wilhelm II. in der Nähe der Blauen Moschee einen nach eigenen Entwürfen gefertigten Brunnen, den Deutschen Brunnen bauen [ 6].

In Palästina.

In Palästina besuchte der Deutsche Kaiser die heiligen Stätten von Christen, Juden und Muslimen, u.a. die Omar Moschee. »Droben führte der Vorsteher der Moschee die Majestäten noch auf die Kanzel des Felsendomes hinauf, wo ein kolossaler, wie immer bei den Muhammedanern mit der Hand geschriebener Koran, ein Meisterwerk arabischer Kalligraphie zu sehen war, der auch die lebhafte Bewunderung der Majestäten fand [ 7]

Kaiser Wilhelm II. fand trotz eines engen Reise-Programms Interesse und daher die Zeit Theodor Herzl eine kurze Audienz zu gewähren. Das ist insofern auch bemerkenswert, weil Theodor Herzl damals einer größeren Öffentlichkeit unbekannt war. Herzl überreichte dem Deutschen Kaiser Pläne zum Bau jüdischer Siedlungen in Palästina und hoffte auf Unterstützung.

Wilhelm II. zeigte sich sehr beeindruckt und verwendete sich wenig später selbst und persönlich, die Zustimmung des Sultan zu Herzls Siedlungspläne zu gewinnen, was dem Deutschen Kaiser nicht gelang [ 8][ 9].

In Jerusalem weihte Kaiser Wilhelm II. eine protestantische und eine katholische Kirche ein. Sie wurden errichtet auf Grundstücken, die ihm vom Kalifen zu diesem Zweck geschenkt worden waren [10].

Letzte Etappe der Reise des Kaisers war Damaskus. Am Grabe des Sultan Salahuddin (Saladin) versicherte er den Muslimen [11]:

»Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, dass zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird.«

Das Oberhaupt der Ulema der damaligen islamischen Welt, Schaikh Abdullah Effendi antwortete mit einem Bittgebet, in dem er »namens der Welt des Islam den Segen Allahs auf den Kaiser, das Deutsche Reich und alle Deutschen herabrief [12]

Die versöhnende Politik über alle Religionsgrenzen hinweg sollte keine Schule machen. Der Kaiser war noch auf der Rückreise, als ihm der Bischof von Gibraltar und der Herzog von Westminster vorwarfen, mit seiner Reise den philantropischen Werken in der Türkei geschadet zu haben [13].

Quellen:

[ 1] Graichen, Gisela/Gründer Horst, Deutsche Kolonien, Berlin 2007 S.242f
[ 2] Carmel, Alex, Palästina-Chronik, Ulm 1978 S. 14
[ 3] ebd. S. 16
[ 4] Graichen, a.a.O. S. 241
[ 5] Gross, Ahmad, Kaiser Wilhelm II. – Deutschland und der Islam, www.ansar.de Stand: 2008
[ 6] ebd.
[ 7] Schneller, Ludwig, Die Kaiserfahrt durchs Heilige Land, Leipzig 1900, S. 198
[ 8] Graichen/Gründer, a.a.O. S.249
[ 9] Krause Landt, Andreas, Das Eisenband um Orient und Okzident – Eine kleine Geschichte der Bagdadbahn, Veröffentlicht auf www.preussen.de, Stand 10.11.2016
[10] Gross, a.a.O.
[11] ebd.
[12] Schneller, a.a.O., S. 250
[13] ebd. S. 248

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