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Bismarcks Volkswirtschaftsrat.

Die wachsenden Ausgaben der Regierung des Reichskanzlers stärkte die Position des Reichstages. Bismarcks Versuche, sich den Etat für je zwei Jahre vom Parlament bewilligen zu lassen, scheiterten. Seine 1879 mit den konservativen Parteien durchgesetzte Schutzzollpolitik vermochte die Einnahmen des Staates zu erhöhen, ebenso die der Großgrundbesitzer und der Schwerindustrie, löste aber gleichzeitig einen wachsenden Widerstand im Bürgertum und bei den Arbeitern aus. Bismarck hatte die sozialistische SPD durch die Sozialistengesetze geknebelt, was große Teile der Liberalen nicht mitzutragen bereit waren [ 1].

Mit der Schaffung eines Volkswirtschaftrates wollte er die Bedeutung des Parlamentes schwächen, wäre der Volkswirtschaftrat zu der Instanz geworden, über die Wirtschaft, Handwerk und Arbeiter ihre Interessen vertraten. Mit der Sozialgesetzgebung schuf ihm Bismarck zudem eine passende Aufgabe und in der Verwaltung des Sozialversicherungswesens eine eigene Domäne [a]. Im selben Zug würde Bismarck den Sozialisten den Wind aus den Segeln genommen haben [ 2]. Auf den Reichskanzler, den Fürst von Bismarck, sollten die Arbeiter ihre Hoffnungen setzen und nicht auf die von ihnen selbst gegründeten Parteien und Gewerkschaften.

Von sozialen Schäden und deren Reparatur.

Die Unternehmensverbände der drei Sektoren Handel, Industrie und Landwirtschaft hatten schon seit längerem die Einrichtung einer Koordinationsstelle gefordert,

So z.B. am 22.2.1878 der II. Kongreß des Zentralverband deutscher Industrieller die Einsetzung eines „Beirates der Regierung in wirtschaftlichen Fragen aus höheren Beamten und Vertretern des Handels, der Industrie (der Gewerbe), der Landwirtschaft und des Verkehrswesen“.
Am 8.10.1878 faßte der VIII. Deutsche Handelstag die Resolution, in der behauptet wird: „Die Bildung eines volkswirtschaftlichen Senats als begutachtender, staatlich anerkannter Beirat der Reichsregierung in wirtschaftlichen Fragen ist notwendig [ 3].“

Mit der Errichtung eines Volkswirtschaftsrates einerseits und der staatlich organisierten Sozialversicherung andererseits zog das Deutsche Reich die in der Verantwortung der Zivilgesellschaft (Parteien, Parlamente und Unternehmen) liegenden Aufgaben an sich. Der Bürger gab Rechte wie Pflichten auf, und stärkte die Zentralgewalt.

Bereits im Herbst 1871 hatte Bismarck sein „sozialpolitisches Programm“ formuliert: „Entgegenkommen gegen die Wüsche der arbeitenden Klasse durch Gesetzgebung und Verwaltung und Hemmung der staatsgefährlichen Agitation durch Verbots- und Strafgesetze [ 4]“.

„Es scheint eine Subvention der Armen, es scheint eine Subvention der Arbeiter, in Wahrheit läuft es auf nichts heraus, wie auf eine Subvention der Großindustrie, die um so viel, als dem Arbeiter mehr von Reichs wegen geleistet wird, um so viel weniger den Arbeitern ihrerseits zu zahlen braucht in der Konkurrenz mit anderen Erwerbszweigen um dieselben Arbeiter [ 5] .“ So sah das Eugen Richter von der Fortschrittspartei.

In der Thronrede zur Eröffnung des Reichstages, die der Kanzler schreibt und der Kaiser vorliest, in diesem Fall von Bismarck vorgelesen wurde, da der Kaiser aus gesundheitlichen Gründen den Tag anderweitig zu verbringen gedachte. Damals wurde sowohl die Thronrede in den Zeitungen abgedruck, die Entschuldigung des Kaisers für sein Fernbleiben wie auch dessen voller Terminplan, zu dessen Höhepunkt ein Theatherbesuch am Abend zählte, den Abzuarbeiten der Kaiser seine ihm noch verbliebenen Kräfte widmete.

Auszug aus der „Thronrede“ vom 17. November 1881 [ 6]:

»Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde. Wir halten es für Unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichstag diese Aufgabe von neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterland neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. In Unseren darauf gerichteten Bestrebungen sind Wir der Zustimmung aller verbündeten Regierungen gewiß und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstags ohne Unterschied der Parteistellungen.
 
In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die im Reichstag stattgehabten Verhandlungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Beratung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zuteil werden können.
 
Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfang nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auch auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erreichen sein.«

Statt staatlicher Inspektionen der Fabriken, etwa zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen, sollte eine staatliche Unfallhaftpflicht und Invaliditätsverscherung eingerichtet werden. Der Staat als Reperaturbetrieb der Gesellschaft bzw. des „Humankapitals“. „Die Gesamtheit muß die Unterstützung der Besitzlosen unternehmen und sich zur Deckung durch Besteuerung des Auslandes und des Luxus zu verschaffen suchen [ 7].” Bismarck: »Der Staat [Regierung und Administration] muß sich die Sache in die Hand nehmen«.

Der Reichskanzler an anderer Stelle: »Der Staatssozialismus paukt sich durch.« [ 8]

Schmoller: „…der Kanzler stand in volkswirtschaftlicher Beziehung auf der Grenzscheide zwischen einem manchesterlich und einem sozialistisch gefärbten Zeitalter [ 9]„. Bismarcks Gegner sahen im Wirken des Fürsten und Reichskanzlers einen „feudal-zünftlerschem mittelalterlichen Geist [10]” oder nach Gall: „…verband sich die alte bürokratisch-absolutistische Staatsidee… mit sozialreformerischen bzw. sozialfürsorglichen Leitideen [11].”

Nicht nur dass Bismarck wie oben angeführt zur Zusammenarbeit mit dem Parlament nicht fähig war, er vermochte, angesichts des von ihm provozierten desolaten Zustandes der Parteien, die sich infolge des verodneten Kulturkampfes, der Sozialistengesetze und wirtschaftspolitischer Fragen selbst zerlegten, kaum noch Verbündete im Parlament zu finden. Die Nationalliberale Partei spaltete sich. Eine Gruppe die sich nach einer Schrift Ludwig Bambergers „Sezessionisten“ nannte, war nicht mehr gewillt, ihrer Partei darin zu folgen, die Regierung Bismarck zu unterstützen. Im August 1880 gründeten 19 linke Nationalliberale, die über gute Kontakte zum Handel und zu einigen Banken (etwa zu Georg Siemens von der Deutschen Bank) verfügten, die Liberale Vereinigung [12]. Bei den Wahlen im Oktober 1881 erlebten die Parteien auf die sich Bismarck stützte, eine verherende Niederlage.

Bismarck:„Ich weiß nicht, ob der Boden der Reichsverfassung fest genug ist, …um zur Unterlage derjenigen Parteikämpfe und partikularischen Bestrebungen zu dienen, welche heutzutage auf demselben ausgefochten werden sollen [13].“

Der Reichskanzler suchte einen Ausweg und „es handelte sich dabei eben nicht um den planmäßigen und erfolgreichen Aufbau eines Systems. Es handelte sich um eine Art politischen Verzweiflungskampf, … [14]

Bismarck drohte dem Parlament mit der völligen Entmachtung: „ …es könne eine Situation entstehen, in der die Worte Absolutismus und Patriotismus näher verwandt werden, als verfassungsmäßig wünschenswert sei [15].“

Der preußische Volkswirtschaftsrat.

In Preußen hatte sich der dortige Ministerpräsident und Außenminister Bismarck am 16.9.1880 auch das Handelsministerium unter den Nagel gerissen. In Preußen galt das Drei-Klassen-Wahlrecht, d.h. Bismarck war hier auf das Wohlwollen der armen Leute nicht angewiesen, dennoch verzichtete er, den Landtag um seine Zustimmung zu bitten, das würde nur „…zu Diskussiionen führen…, bei welchen die Taktik der Fraktionen und der Hinblick auf die Wahlen der sachlichen Behandlung im Wege stünden [16] ”. Es genügte eine königliche Verordnung die Bismarck am 17.11.1880 dem König von Preußen Wilhelm I. zur Unterschrift vorlegte [17]. Im Reichsinnenministerium ließ Bismarck als Vorstufe zu seinem neuen wirtschaftlichen Kommandozentrale eine Wirtschaftsabteilung einrichten und mit seinen Getreuen aus dem preuß. Handelsministerium besetzen [18].

Der König berief insgesamt 75 Mitglieder des Volkswirtschaftsrates. Aus von Handels-, Industrie und Landwirtschaftsvereingungen gewählten Kandidaten (Präsentationswahl) berief der König, d.h. Bismarck, jeweils 15 Vertreter also insgesamt 45 in den Volkswirtschaftsrat. 30 Personen wurden direkt berufen, davon 15 Handwerker oder Arbeiter.

Der Volkswirschaftsrat bildete einen permanenten Ausschuß dem jeweils 5 Mitglieder aus den Sektionen Handel, Industrie und Landwirtschaft stammten und 10 Mitgliedern die von der Regierung direkt ernannt wurden [19]. In der ersten Session des preußischen Volkswirtschaftrats Januar/Februar 1881 behandelte er die Gesetzesvorlagen zur Unfallversicherung und zur Neugestaltung des Innungswesens. Der Reichstag nahm das Innungsgesetz an, lehnte aber das Unfallversicherungsgesetz ab. In der Session 1882 beriet man über die Unfall und Krankenversicherung und über die Einführung des Tabakmonopols. Das Tabakmonopol wurde abgelehnt. In den zwei noch folgenden Sessionen beriet man 1884 die Novelle zur Gewerbeordnung und zur Unfallversicherung und bei seinem letzten Zusammentreten 1887 die Alters- und Invaliditätsversicherung [20].

Der deutsche Volkswirtschaftsrat.

Der preußische Volkswirtschaftsrat war von Beginn an als Vorstufe zur Einrichtuung eines deutschen Volkswirtschaftsrates gedacht [21].

Die Bismarck ergebene Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 18.11.1881 beruhigte [22]:

»Bei der Errichtung des deutschen Volkswirthschaftsraths handelt es sich nicht um die Begründung einer neuen Institution politischen Charakters, handelt sich auch namentlich nicht, wie geltend gemacht worden ist, darum, zwischen den Bundesrath und den Reichstag etwa eine neue Körperschaft einzuschieben. Dies kann schon um deswillen nicht in der Absicht liegen, weil politische Befugnisse für den Volkswirthschaftsrath nicht in Anspruch genommen werden. Insbesondere kann der Letztere nicht als gleichbedeutend mit der Sektion eines Staatsraths betrachtet werden. Für diese Analogie dürfte weder in seiner Zusammensetzung noch in den ihm zugedachten Aufgaben ein Anhalt zu finden sein. Diese Auffassung widerlegt sich vielmehr schon dadurch, dass dem Volkswirthschaftsrath keinerlei gesetzliche Mitwirkung bei dem Erlasse von Gesetzen oder kaiserlichen Verordnungen eingeräumt werden soll.«

Bismarck bei der Eröffnung des Preußischen Volkswirtschaftsrates am 27.1.1881 [23]:

Der Preußischen Volkswirtschaftsrat wird sicher nicht zu einer partikularistischen Institution werden, die Errichtung desselben erscheint vielmehr als der kürzeste Weg, um zur Herstellung einer entsprechenden Reichsinstitution zu gelangen.

Am 29.1.1881 ließ Bismarck die preußischen Gesandten in den deutschen Bundesstaaten um Ausweitung der Einrichtung auf das Reich werben. Abgesehen von seiner Größe ähnelte der Aufbau des Reichswirtschaftsrates dem des peußischen. Auf eine Million Einwohner sollten drei Vertreter kommen. Staaten, mit weniger als 1/3 Mio. Einwohnern sollten zusammengefaßt werden, um die drei Vertreter entsenden zu können (z.B. Oldenburg, Bremen und Lübeck) [24].

Mit kleinen Änderungen wurde der preußische Vorschlag vom Bundesrat, d.h. dem Organ der deutschen Regierungen, angenommen.

Die im Volkswirtschaftsrat vertretenen Arbeiter und Handwerker sollten mit Diäten bedacht werden. Über Fragen des Haushaltes mußte aber auch der Reichstag befinden. Hier erhielt Bismarck nur die Zustimmung der Konservativen, Freikonservativen und einiger Abgeordnete aus der Fraktion des Zentrums.

Aus der Reichstagdebatte [25].

Hier erklärte Dr. Bamberger folgendes:

»Ich gestehe nun, daß ich in der Schaffung dieses Volkswirthschaftsraths etwas sehe, was geeignet ist, und meiner Ansicht nach in seinem Entstehungsgedanken auch dem Vorbedacht nicht fremd war, dem Reichstag eine kleine Nebenkonkurrenz zu machen, und ich bin bestärkt in dieser Art und Weise die Sache zu sehen gerade bei der parlamentarischen Pragmatik, wie sie sich in dieser Session eingeführt hat. Wir haben ja ganz deutlich in den verschiedensten Formen aussprechen hören, daß in Meinungskonflikten zwischen der Reichsregierung auf der einen Seite und der Volksvertretung auf der anderen Seite es keinen Ausgleich gäbe. Dieser Schluß ergibt sich für mich aus dem ablehnenden Verhalten gegen das, was man konstitutionelles System mit Verwerfung der Sache genannt hat; daß es keinen Ausgleich gäbe, daß es also nothwendig sei, immer von derselben einen Seite wieder zu kommen und so lange anzuprallen, bis man die andere Seite entweder niedergeworfen hat oder bis man von der anderen Seite besiegt worden ist. In der Art, wie uns die heutige Vorlage wieder begegnet, scheint mir eine Bestätigung dieses Systems zu liegen, das meiner Ansicht nach für die Pflege der öffentlichen Angelegenheiten nicht förderlich ist.«
 
»Also, meine Herren, selbst in Bezug auf die Freunde dieser Materie hat man nicht einmal die Rücksicht gehabt, ihnen die Zeit zu gönnen, die man für Abfassung eines nöthigen Urtheils für sich in Anspruch nehmen kann.«
 
» ...ich glaube daher, daß wir durchaus nicht aus einem leichtsinnigen Verdacht handeln, wenn wir in der gegebenen politischen Lage, wo offen erklärt wird, die Reichsregierung habe keine Verbindungsbrücke mit einem Reichstag, der nicht ihrer Meinung ist, daß wir in einer solchen Lage eine Position schaffen wollen, die dazu geeignet ist, den Reichstag – wenn auch nur in einer gewissen Weite – zu umgehen und ihm in die Flanke zu fallen. Ich glaube deshalb, … schon die politische Lage, die Selbsterhaltung des Reichstags und der Wunsch, die Frage zum Austrag zu bringen, ob zwischen Reichstag und RegieĀ­rung wirklich diese Prozedur zum Prinzip erhoben werden muß, daß, so oft der Reichstag ablehnt, er für pekkabel und die Regierung für impekkabel erklärt wird, und deshalb die Vorschläge immer wieder kommen werden und das Verlangen, diese Methode nicht zu begünstigen, sondern zu sehen, ob die deutsche Volksvertretung eine bessere Art, Widersprüche zwischen der Regierung und sich selbst zu lösen, herbeiführen kann, – schon deshalb sollen wir dieses kleine Nebenparlament nicht schaffen lasten.« ;
 
raquo;Das Er [ Bennigsen ] sagte: nehmen Sie jede einzelne Frage, die dem Volkwirthschaftsrath vorgetragen werden soll, der aus so und so viel Sektionen hervorgegangen und so und so viel Handelskammern, aus Männern der verschiedensten gewerblichen Berufe zusammengesetzt ist, und Sie werden wieder, wenn Sie Dilettanten überhaupt verwerfen wollen, zum großen Theil einer Versammlung von Dilettanten gegenüberstehen, die nur den Nachtheil hat, daß einzelne Personen vermöge der ganzen Entstehungsweise der Sache auf diese ihre Umgebung vielleicht mehr Einwirkung ausüben und leichter ein Verdikt zu Stande bringen, als im Reichstage, wo man von vornherein viel mehr darauf angewiesen ist, seine Selbstständigkeit zu bewahren.«
 
»Also statt daß wir nun die wirkliche Urtheilsfähigkeit des Reichstags fördern, indem wir ihm alle mögliche wirklich praktische Sachkenntniß zuzuwenden suchen, entfernen wir sie von ihm, wir geben ihr einen anderen Platz und machen dann vielleicht den Reichstag gerade zu demjenigen, was er nicht sein soll, nämlich nur eine abstrakt urtheilende Versammlung.«

Bismarck antwortete darauf:

»Ein Nebenparlament, das liegt uns ja ganz und gar fern. Ich möchte sagen, da kommt bei Ihnen das Mißtrauen des argwöhnischen Alleinherrschers zum Vorschein, der keine andre Größe neben sich dulden will; – uns liegt das aber sehr fern. Der Herr Vorredner hat gesagt, dieser Wirthschaftsrath würde nicht unparteiisch sein. Das soll er auch gar nicht. Die Regierung setzt ihn zusammen, das ist ja ganz natürlich.«
 
»Meine Herren, der Reichstag kann alles, alles ablehnen, alles amendiren, aber die Vorlagen kann er für die Regierung nicht arbeiten. Darauf kommt es aber an, und das liegt in der ganzen Motivirung, die wir voriges Jahr gebracht haben, und die wir immer wieder bringen. Zur Herstellung unserer Vorlagen brauchen wir den Wirthschaftsrath;«

Mehrheitlich votierten am 10. Juni 1881 die Abgeordneten des Deutschen Reichstages gegen Bismarcks Plan zur Errichtung einer wirtschaftlichen Kommandozentrale. Damit war der deutsche Volkswirtschaftsrat erledigt [26][27].

Anmerkung:
[a] Benningsen bemerkte, daß der preußische Volkswirtschaftsrat bei wichtigen Aufgaben, Änderung von Zolltarifen und bei den Handelsverträgen mit Österreich, Belgien und der Schweiz nicht gefragt worden sei [28] .

Quellen:
[ 1] Engelberg, Ernst, Deutschland von 1871 bis 1897, Berlin 1965, S. 175ff
[ 2] Gall, Lothar, Bismarck, Berlin 2008, S. 697
[ 3] Curtius, Julius, Bismarcks Plan eines deutschen Volkswirtschaftsrats, Heidelberg, 1919, S. 11f
[ 4] Gall, Lothar, a.a.O., S. 698
[ 5] ebd, S. 701
[ 6] Stralsundische Zeitung No. 270 vom 19. November 1881
[ 7] Gall, Lothar, a.a.O., S. 698
[ 8] ebd,, S. 699
[ 9] Curtius, Julius, a.a.O. S. 11
[10] ebd.
[11] Gall, Lothar, a.a.O., S. 699
[12] Engelberg, Ernst, a.a.O., S. 178f
[13] Curtius, Julius, a.a.O. S. 13
[14] Gall, Lothar, a.a.O., S. 699
[15] ebd,, S. 707
[16] Curtius, Julius, a.a.O. S. 16
[17] ebd.
[18] Gall, Lothar, a.a.O., S. 694
[19] Curtius, Julius, a.a.O. S. 17f
[20] ebd., S. 19f
[21] Gall, Lothar, a.a.O., S. 695
[22] Norddeutsche Allgemeine Zeitung Abend-Ausgabe Nr. 539 Berlin 18. November 1881 21. Jahr
[23] Curtius, Julius, a.a.O., S. 22
[24] ebd., S. 23
[25] Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages. V. Legislaturperiode. I. Session 1881/82, Berlin 1882, S. 134ff
[26] Engelberg, Ernst, a.a.O., S. 174
[27] Gall, Lothar, a.a.O., S. 708
[28] Curtius, Julius, a.a.O., S. 28

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