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Hellas – Der Freiheit trojanisches Pferd.

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Aufstand der Griechen.

Der Aufstand der Griechen gegen die osmanische Herrschaft (1821) brachte den König von Preußen in einen Zwiespalt. Die Revolution in Griechenland verstieß gegen die auf dem Wiener Kongress vereinbarten Beschlüsse. Der Klassizismus durchdrang die Preußen - beginnend mit dem König und bei den Dorfschullehrern nicht endend - was es ihnen schwerfallen ließ, ihren Helenismus auf Metternich's Altar zu opfern.

Helenen-deutsche Geister.

Hellas, anderen Völkern Objekt imperialistischer Begierden - den Osmanen ein Sprungbrett nach Europa, den Russen die Wiege ihrer orthodoxen Kirche (Byzanz, das II. Rom) und den Angelsachsen ein geostrategisch wichtiger Ort, die Handelsverbindungen ihrer Konkurenten zu kontrollieren - den Deutschen aber Ursprung kultureller Selbstfindung und persönlicher Bildung. Herder bereicherte den deutschsprachigen Raum 1778 mit den „Stimmen der Völker in Liedern“ und Johann Heinrich Voß übertrug die homersche Dichtung in die deutsche Sprache. Die kulturelle Orientierung der deutschen Kulturschaffenden an Frankreich wurde von den neuen Einflüssen einer formen- und farbenreicheren Welt aufgelöst und zwang dazu sich selbst vor diesem erweiterten Horizont neu zu bestimmen. Herder forderte von Kaiser Joseph II. 1778 „Ein deutsches Vaterland“

Die durch den Sonnenkönig erzwungene Fixierung auf den König schwand in dem Maaß, wie die Stimmen der Völker hervortraten und unter diesen Stimmen klang die der Helenen klar hervor.

Wilhelm von Humboldt schrieb 1806 in ‚Latium und Hellas oder Betrachtungen über das klassische Altertum‘:

»Was diesen Eindruck [des Einklangs endlos mäandernder Erhabenheit und Lieblichkeit] hervorbringt, kann man die Behandlungsart der Alten nennen. Das Eigentümlichste dieser Behandlungsart nun ist: die menschliche Natur in ihrem individuellsten und einfachsten Wirkungen, bloß durch Läuterung und Zusammenhaltung, überall das Idealistische anspielen zu lassen;... [ 1]«

Der preußische Bildungsminister dichtete [ 2]:

Hellas
Zwei Dinge Hellas Phantasie-Gestalten
So tiefen Reiz für alle Zeiten geben:
Der Charitinnen ewig zartes Walten
Und Nemesis` nach strengem Maaßes Streben.
 

Der Nürnberger Schulrektor Georg Wilhelm Friedrich Hegel wirbt in seiner Rede zum Schuljahresabschluß am 29. September 1809 für sein Konzept eines humanistischen Gymnasiums:

»Es ist nötig, daß wir uns die Welt des Altertums erwerben, so sehr, um sie zu besitzen, als noch mehr, um etwas zu haben, daß wir verarbeiten. Um aber zum Gegenstande zu werden, muß die Substanz der Natur und des Geistes uns gegenübergetreten sein, sie muß die Gestalt von etwas Fremdartigem erhalten haben [ 3]

Wilhelm von Humboldt wie Georg Friedrich Wilhelm Hegel hielten die durch Goethe und Schiller populär gewordene Kultur der Helenen wertvoll genug, den Schülern und Studenten Preußens das abstrakte Denken näher zu bringen, um ihnen damit den Schlüssel in die Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie sich eigenständig die ganze Welt erschließen sollten.

Freiheit – auch für Griechenland.

Diese verschüttete Erkenntnis birgt den Sprengstoff, der die Welt wie wir sie kennen in die Luft jagen wird.

Damals, 1821, wagten die Griechen den Aufstand und zwar gegen die osmanische Oberherrschaft. Einer ihrer Anführer war der russische General Alexander Ypsilanti, ehedem Adjutant des Kaisers von Rußland [ 4]. Die unter Leitung Metternichs auf dem Wiener und den Folgekonferenzen geschmiedete „Heilige“ Allianz beruhte auf dem Legitimitätsprinzip. Ein Herrscher legitimierte sich aufgrund der Erbfolge, nicht durch Revolutionen und nicht durch Parlamentsbeschlüsse oder allgemeine Wahlen. Die Revolution in Griechenland verstieß gegen die Prinzipien, auf die sich die Fürsten des Wiener Kongresses geeinigt hatten.

Ungeachtet dessen entwickelte sich in den deutschen Staaten – zunächst unter den im Untergrund agierenden Burschenschaften, dann in großen Teilen des Bürgertums – Sympathien für die Aufständischen. Es galt für die Rettung des großen kulturellen Erbes der Griechen einzutreten.

Von Ense schrieb: »Die Griechenversammlungen greifen immer kräftiger durch ganz Deutschland, überall bilden sich Vereine, überall sprechen sich Gesinnungen aus, und die öffentliche Meinung nachdem ihr der Ausbruch gegönnt worden, wächst unaufhaltsam und breitet sich gewaltig aus: Diese Flut ist nicht mehr zu beschränken.«

Das preußische Kultusministerium weist die Universitätsprofessoren darauf hin, daß die Spendensammlungen nur den Notleidenden, nicht den Kämpfern zugute kommen dürfe. Ihm war durchaus bewußt, daß eine Kontrolle, wem welche Hilfsmittel zuflössen, unmöglich war.

Sein Rundbrief an alle Professoren ermunterte vor allem die noch schwankenden Professoren die Sammelaktionen zu unterstützen. Um jedoch den Richtlinien der Heiligen Allianz zu entsprechen, mußte er sich gegen jede Unterstützung der „revolutionären Elemente“ aussprechen [ 5].

Ense am 20.11.1821: »Unglaublich! Gubitz hat im Gesellschafter bei einer Anzeige der Müller’schen Griechenlieder das Gedicht an den österreichischen Beobachter wieder abdrucken lassen. Und das läßt die Karlsbader Zensur geschehen!«

Schon 1821 gab es Bestrebungen (russisches Ultimatum an das Osmanische Reich, brit. Überlegungen zur Entsendung der Flotte) den griechischen Aufständischen gegen das Osmanische Reich beizustehen [ 6].

Am 20. Oktober 1827 versenkte die Flotte der Heiligen Allianz die im Hafen von Navarino liegende türkisch-ägyptische Flotte. Mehemed Ali Pascha von Ägypten hatte seine Flotte verloren und rang Sultan Machmud II. das Versprechen ab, ihm den entstandenen Verlust zu ersetzen.

Am 7.5.1828 überschritt der russische General Wittgenstein mit 65 000 Mann die türkische Grenze an Moldau und Walachai. Vom Kaukasus her drang der russische General Paskewitsch in Kleinasien ein. So unter Druck gesetzt, willigte der Sultan in den Frieden von Adrianopel ein und überließ es der Allianz über das Schicksal Griechenlands zu entscheiden [ 7].

Am 3.2.1830 wurde Griechenland zu einer erblichen, souveränen Monarchie erhoben. Metternichs Weltbild (erbliche Monarchie) war gerettet. Mehemed Ali Pascha sollte auf seine Entschädigung lange warten und machte sich, als er Gefahr lief, an Altersschwäche zu sterben, mit seiner Armee auf den Weg zum Sultan.

Anhang:

[A] Hegel in der Phänomenologie des Geistes:

»Wodurch also das Individuum hier Gelten und Wirklichkeit hat, ist die Bildung. Seine wahre ursprüngliche Natur und Substanz ist der Geist der Entfremdung des natürlichen Seins. Diese Entäußerung ist daher ebenso Zweck als Dasein desselben; sie ist zugleich das Mittel oder der Übergang sowohl der gedachten Substanz in die Wirklichkeit als umgekehrt der bestimmten Individualität in die Wesentlichkeit. Diese Individualität bildet sich zu dem, was sie an sich ist, und erst dadurch ist sie an sich und hat wirkliches Dasein; soviel sie Bildung hat, soviel Wirklichkeit und Macht.
 
Obwohl das Selbst als Dieses sich hier wirklich weiß, so besteht doch seine Wirklichkeit allein in dem Aufheben des natürlichen Selbsts; die ursprünglich bestimmte Natur reduziert sich daher auf den unwesentlichen Unterschied der Größe, auf eine größere oder geringere Energie des Willens.
 
Zweck und Inhalt aber desselben gehört allein der allgemeinen Substanz selbst an und kann nur ein Allgemeines sein; die Besonderheit einer Natur, die Zweck und Inhalt wird, ist etwas Unmächtiges und Unwirkliches; sie ist eine Art, die sich vergeblich und lächerlich abmüht, sich ins Werk zu setzen; sie ist der Widerspruch, dem Besonderen die Wirklichkeit zu geben, die unmittelbar das Allgemeine ist [ 8]

Quellen:

[ 1] Humboldt, Wilhelm von, Ausgewählte Schriften, Berlin 1917, S. 44
[ 2] Wilhelm von Humboldt’s gesammelte Werke Band 7, Berlin 1852 S. 482
[ 3] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Werke Band 4, Frankfurt 1845 S. 312ff
[ 4] Rimscha, Hans von, Geschichte Russlands, Darmstadt 1970, S. 428
[ 5] Obermann, Karl, Deutschland 1815 – 1849, Berlin 1976, S. 57
[ 6] Varnhagen von Ense, Karl August, Blätter aus der preussischen Geschichte, Leipzig 1868, S. 360ff
[ 7] Illustrierte Weltgeschichte Vierter Band, Berlin 1923, S. 202ff
[ 8] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Phänomenologie des Geistes, Stuttgart 1987, S. 348f
[ 9] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Werke Band 4, Frankfurt 1845 S. 312ff

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