»Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns.«
Diese, Louise zugeschriebene Ansicht [1] über die Ursache der Preußen Niederlage, wurde in den Kreisen der Reformer gerne und oft wiederholt, erlebten sie in der Königin von Preußen ihren wichtigsten Verbündeten. Louise pflegte mit ihrem Gatten König Friedrich Wilhelm III. einen bürgerlichen Lebensstil. Sie pflegte Umgang mit „Bürgerlichen“ und „Hochadel“. Ihre Freundschaft bezeugte sie dem alten Haudegen Blücher, dem Schöngeist, Musiker und Frauenliebling Prinz Louis Ferdinand und dem russischen Kaiser Alexander I.
Damit trug sie wesentlich zur Herausbildung der Grundlage bei, auf der die Befreiung Deutschlands und Sturz Napoleons Sturz herbeigeführt werden konnte. Im Königspaar verschränkten sich Herz, Mut und Verstand.
In Louise spiegelte sich die Zeit der Romantik und Aufkärung. Mit ihrem natürlichen Wesen vermochte sie den Menschen in Preußen Hoffnung, Mut und Selbstbewußtsein zu vermitteln. Ihr Vertrauen in die Menschen ließ das Vertrauen der Menschen in den preußischen Staat wieder aufleben.
Nichts vermag mehr den Widerspruch der tatendurstigen Reformer zur Haltung des phantasie- wie mutlosen, verstaubten preußischen preußischen Adels zu illustrieren wie der Gouverneur von Berlin, Graf von der Schulenburg, der nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt nicht dafür sorgte, die in Berlin lagernden Kriegsvorräte von 40 000 Gewehren und 50 Kanonen vor Napoleon in Sicherheit zu bringen, sondern bereits am 17. Oktober 1806 die Berliner Bürger zur Friedhofsruhe anhielt [2]:
»Der König hat eine Bataille verloren, die erste Bürgerpflicht ist Ruhe. Ich fordere hierzu alle Einwohner Berlins auf.«
Die Reste der preußischen Armee sammelten sich in Sömmerda, Erfurt und Frankenhausen. Der Fürst von Hohenlohe erhielt vom König Befehl, diese Verbände in der Nähe von Magdeburg zusammenzuführen. Blücher sollte mit 800 Reitern dafür sorgen, 41 Kanonen von Nordhausen nach Magdeburg zu bringen. Unterwegs erfuhr er, daß von Braunschweigs Armee in der Schlacht bei Halle unterlegen war und von Hohenlohe Magdeburg, aus Furcht vor den Franzosen, vorzeitig verlassen hatte, um sich nach Neustadt an der Odde zurückzuziehen.
Blücher überquerte die Elbe nördlich von Magdeburg und übergab am 24. Oktober alle 41 Kanonen Hohenlohe. Man stelle sich vor, wie die 41. Kanone über einen Feldweg, der durch die 40 Kanonen zuvor in einen Morast verwandelt worden war, im naßkalten Oktober durch die Gegend bugsiert wird. Würde zudem Blüchers kleine Kolonne von den Franzosen entdeckt und in ein Gefecht verwickelt worden sein, wäre selbst die geringste Hoffnung eines erfolgreichen Abschluß der Aufgabe mehr als vermessen gewesen. Ein Meisterstück der Kriegskunst, dem weitere folgen sollten [3].
Blüchers Bericht an König Friedrich Wilhelm III.
Zum Dank erhielt Blücher die Aussicht, mit seinen völlig erschöpften Soldaten, durch Orte deren Lebensmittelvorräte durch das Hohenloh’sche Heer längst aufgezehrt waren, dem Hauptheer nach Prenzlau zu folgen. Die Nachhut bestand u.a. aus den Blücherschen Husaren, den Resten des Würtembergischen Corps sowie den Obristen Scharnhorst und Yorck. Blücher am 24. Okt. in einem Schreiben an Fürst Hohenlohe: »Ew. Durchlaucht ersuche ich, mein Korps lieber zu exponieren, als es durch allzu forcierte Märsche und den damit verbundenen Mangel an Kräften und Lebensunterhalt in einen Zustand zu bringen, in dem es gar nicht mehr fechten kann [4].«
Am 25. Okt., also gut eine Woche nach Schulenburgs geistiger Kapitulation, zogen Napoleons Truppen in Berlin ein. Die Berliner Bürokratie unterwarf sich in der zu erwartenden Würdelosigkeit. Unter ihnen befand sich nicht Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein. Der hatte sich bereits am 20. Okt., und zwar mit der KASSE seines Resorts, auf den Weg zum König nach Königsberg gemacht [5].
Friedrich Wilhelm III. trug dem Freiherrn das Außenministerium an. Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, ganz alter Adel, lehnte ab und wird daraufhin vom König entlassen [6] [7]. Der Freiherr blieb im Spiel und sollte die nachhaltigsten Schritte zur Reform Preußens unternehmen.
Am 26. Okt. mußte Blücher, wegen heranrückender Franzosen, das Lager in der Nähe von Neustadt übereilt verlassen. Zwei Tage zieht der dem Corps Hohenlohe hinterher, bis dieser bei Prenzlau die Waffen kampflos streckt.
Um die Qualitäten des Fürsten von Hohenlohe bzw. der seines Obersten Massenbach bewerten zu können vergleiche man ihr Vorgehen bei Boyzenburg mit dem Blüchers: Während das Hohenlohesche Corps, das von den Franzosen besetzte Boyzenburg, einen längeren Weg inkauf nehmend, umging, wählte Blücher den direkten Weg und eroberte die Stadt »um keine Zeit zu verlieren [8].«
Hohenlohes schlechtes Vorbild machte Schule: Am 29. Okt. kapitulieren bei Pasewalk die Obersten Hagen und Poser mit 4000 Mann, Kampflos übergibt am selben Tage Romberg die Festung Stettin. General Bila kapituliert am 1. Nov. in Anklam. Die 41, durch das halbe Land geschleppten, Kanonen fielen ungenutzt in die Hände der Franzosen.
Am 30. Okt. 1806 unterschrieb Preußen das Waffenstillstandsabkommen und verlor alle Gebiete westlich der Elbe – bis auf die Altmark und Magdeburg.
König Friedrich Wilhelm III. war längst bewußt, daß seine Heerführer wie seine Regierung in Kombination von Schläfrigkeit und Arroganz ein Größtmaß an Inkompetenz darstellte. Bislang fehlte ihm noch der Mut sich gegen diese Bande zu behaupten [9].
Blücher beriet mit Scharnhorst das weitere Vorgehen. Prenzlau war keine Option mehr, Richtung Osten über die Oder zu setzen, machte angesichts der massiven Überlegenheit des Feindes keinen Sinn. Also ging es nach Strelitz in der Absicht, sich mit dem Weimarschen Corps zu vereinen. Was dann auch erfolgte. Blüchers Armee war auf über 21000 Mann angewachsen [10].
Nun galt es Napoleons Truppen zu Beschäftigen, um dem König größtmögliche Handlungsfreiheit zu verschaffen. Immer wieder kam es zu Gefechten mit nachsetzenden Franzosen, bei denen sich Oberst Yorck besonders hervortat. Zweimal forderte Bernadotte Blücher auf, ehrenvoll zu kapitulieren. Doch der lehnte dankend ab.
Blücher suchte sein Korps nach Hamburg oder Lübeck zu führen, um den mittlerweile zu Tode erschöpften Soldaten eine Erholung zu verschaffen und um neue Kräfte zu sammeln; Brot und Munition. Die Franzosen, mittlerweile verstärkt durch Marschall Murat, verstellten ihm den Weg nach Hamburg. Also wandte sich Blücher nach Lübeck, drang in die Stadt ein, besorgte der Mannschaft Schuhe wo nötig, Essen und Trinken. Einen Tag später lieferte er den Franzosen ein heftiges Gefecht, wurde aus der Stadt gedrängt und konnte angesichts der hohen Verluste an Mensch und Material, wie auch der geschätzten 10-fachen Überlegenheit des Feindes nichts anderes tun, als am 7. Nov. zu kapitulieren. Seine roten Husaren hatten sich zuvor schon einzeln abgesetzt, um dem König nach Königsberg zu folgen.
Die Reste des Corps zog, mit wehenden Fahnen kapitulierend, an den aufmarschierten Franzosen vorbei. Unter die Kapitulationsurkunde setzte Blücher – ein einmaliger Akt in der Weltgeschichte – die Worte [11]:
»Ich capitulire, weil ich kein Brot und keine Munition mehr habe.«
Berlin, Stettin und Magdeburg wurden den Franzosen übergeben, Kolberg nicht. Der Unruhestifter hier hieß Joachim Nettelbeck.
Des Bürgerrepräsentant Joachim Nettelbecks erste und größte Schlacht war es den Kommandanten der Festung zur Erfüllung seiner Aufgabe zu zwingen. Diese Schlacht verlor er.
Unterstützung erhielt er von einem versprengten Soldaten, dem Sekonde-Leutnant Ferdinand von Schill. Von Schill stellte ein Freikorps auf und begann mit den militärischen Vorbereitungen zu Verteidigung Kolbergs. Über den Kriegsrat Wisseling ließ Nettelbeck den in Memel weilenden König von den Zuständen in Kolberg unterrichten und Friedrich Wilhelm III. ermächtigte Wisseling zum Ankauf von Proviant. Als abzusehen war, daß es auch dem neuen zum Vizekommandant der Festung beorderten Hauptmann von Waldenfels nicht gelang, den Festungskommandanten der Lethargie zu entreißen, berief der König August Wilhelm Antonius Graf Neidhardt von Gneisenau zum Kommandanten der Festung Kolberg [12].
Nach einem halben Jahr Belagerung brach am 1. Juli 1807 die Hölle über Kolberg herein: »Höllenmäßig wütete das Aufblitzen und Donnern des Geschützes. In der Luft schwärmte es lichterloh von Granaten und Bomben. Wir sahen es hier und da und überall in lichtem Bogen in die Stadt hineinfliegen; hörten ihr Krachen sowie das Einstürzen der Giebel und Häuser; vernahmen den wüsten Lärm, der drinnen wogte und toste; sahen bald hier, bald da Flammen emporlodern. Es war so hell, als ob tausend Fackeln brannten [13].«
Neben vielen anderen Verteidigern der Stadt verlor auch Hauptmann von Waldenfels sein Leben. Außer Kolberg, leisteten Breslau, Graudenz, Cosel, und Danzig Widerstand [14].
Zu Beginn des Jahres 1807 näherte sich das russische Heer der preußischen Grenze. Am 8. Febr. 1807 erwartete das Russische Heer unter Graf Levin August von Bennigsen bei Preußisch-Eylau die Franzosen. Die Russen waren hervorragend aufgestellt und Napoleon holte sich eine blutige Nase, dank auch des beherzten Eingreifens des ostpreußischen Korps L’Estoc. Der Generalstabschef des Korps hieß Scharnhorst. Das russische Heer verzeichnete einen Verlust von 27000 Mann, das Heer Napoleons verlor 44000 Mann. Mit fortschreitender Geschichtsschreibung reduzierten sich die Verluste (Tote und Verwundete) Napoleons auf 19000 Mann [15] [16].
Die Verluste der Franzosen waren jedenfalls für Napoleon groß genug, General Bertrand los zu schicken, um Friedrich Wilhelm III. die Rückkehr auf den Thron und die ewige Freundschaft Frankreichs anzubieten. Friedrich Wilhelm III. dachte nicht daran, dem russischen Kaiser gegenüber wortbrüchig zu werden und dessen Hilfe wie Freundschaft mit Füßen zu treten [17].
Der russische General Benningsen zog sich, keinerlei Umwege scheuend, Richtung Osten zurück und erreichte viele Monate später das einen Tagesmarsch entfernte Friedland. Benningsen hatte seine Gründe und selbst nur wenig der sinkenden Moral in seiner Armee entgegenzusetzen.
Königin Louise sah, angesichts der Bedrängnis des belagerten Danzigs, Handlungsbedarf und schickte König Friedrich Wilhelm III. am 19. Mai 1807 folgende Nachricht [18]:
»Durch den unwürdigen Starrsinn dieses elenden Bennigsen, der sich um die gute Sache zu kümmern scheint wie die Sohle um die Stiefel, geht also dieser Platz verloren… Wäre es nicht möglich, daß Du oder Hardenberg mit dem Kaiser [Alexander I.] sprichst und ihn dazu bringst, daß er B. befielt, etwas Entscheidendes zu unternehmen? Der ewige Mangel an Lebensmitteln, den man ständig vorschützt, ist meiner Ansicht nach der größte Beweis für Bennigsens Dummheit oder bösen Willen… Ein Wechsel ist also notwendig, und je eher er stattfindet, desto besser wird es gehen.«
Bei Friedland stieß Benningsen auf das Dudinot’sche Korps der Franzosen (15 000 Mann), das er mit seiner weit überlegenen Armee von 60 000 Mann angriff. Die Unterstützung durch die in Königsberg stationierte Einheiten lehnte er ab.
Napoleons Hauptarmeen standen bei Preußisch Eylau ca. 20 km und Domnau ca. 10 km entfernt. Benningsen dachte nicht daran die preußische Residenz Königsberg zu verteidigen und Napoleon dachte nicht daran seine Hauptstreitkräfte ca. 80 000 Mann nach Königsberg in Marsch zu setzen [19].
So kam es dann zur Schlacht bei Friedland. Benningsens russisch-preußisches Heer wurde geschlagen. Preußen existierte nicht mehr. Friedensverhandlungen bedurfte es nicht mehr; Preußen würde Napoleon seinem Bruder Jerome vermachen.
In Tilsit verhandeln Napoleon und Alexander. Frankreich bietet Rußland ein Anrecht auf Finnland, Schweden und gestattet die Ausdehnung des russischen Reiches bis an die Weichsel und fordert eine Beteiligung an der Kontinentalsperre gegen England.
Kaiser Alexander I. unterschrieb nicht! Er war bereit den Krieg gegen Frankreich fortzusetzen, es sei denn, Preußen bliebe unter der Regentschaft Friedrich Wilhelms III. erhalten und Napoleon ging darauf ein, was nichts an seiner haltung änderte. Für ihn hatte Preußen aufgehört zu existierten, sein König gerade gut genug, den ihm diktierten Friedensbedingungen zuzustimmen [20].
Am 9.7.1807 wurde der Friedensvertrag von Tilsit unterzeichnet: Preußen verliert den größten Teil seines Territoriums, der König wird zum Bündnis mit Napoleon gezwungen. Preußen werden Kontributionszahlungen zunächst in unbestimmter Höhe auferlegt, die es für immer in französischer Abhängigkeit halten sollten. Wer Versailles mit den Reparationen von 1870/71 rechtfertigt, könnte die Reparationen von 1870/71 mit denen des Tilsiter Friedens rechtfertigen, wenn er denn wollte.
1809 brüstete sich Napoleon vor dem Grafen Roederer: »Ich habe eine Milliarde aus Preußen gezogen [21]«.
Zu guter Letzt sorgte Napoleon dafür, daß die Staatsgeschäfte Friedrich Wilhelm III. von jenem Mann geleitet wurden, von dem der preußische König einmal sagte: »Sie [sind] vielmehr als ein widerspenstiger, trotziger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener anzusehen […], der, auf sein Genie und seine Talente pochend, weit entfernt, das Beste des Staats vor Augen zu haben, nur durch Kapricen geleitet, aus Leidenschaft und aus persönlichem Haß und Erbitterung handelt [22]«
Es handelte sich dabei um keinen geringeren als um den Freiherrn Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, nun Staatsminister von Napoleons Gnaden.
Dieser geradezu napoleonischen Menschenkenntnis ist es zu verdanken, daß Preußen in einem Tempo umgekrempelt werden sollte das Napoleon wenige später das Fürchten lehren sollte.
Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, daß Gebhard Leberecht von Blücher Wahlstatt im Alleingang die Grand Armee zu besiegen vermocht hätte weit höher lag, als die, daß er auch nur einen einzigen Satz fehlerfrei zu Papier gebracht haben würde, schrieb er bereits 1805 seine „Gedanken über die Formirung einer preußischen National-Armee“ nieder und war damit ein Vordenker der preußischen Militärreform.
Brief Blüchers an Gneisenau vom 8.8.1807
Blücher forderte die allgemeine Wehrpflicht, Verkürzung der Dienstzeit, Erhöhung des Soldes und eine bessere Behandlung von Soldaten. Im eigenen Husarenregiment hatte Blücher selbst dafür gesorgt, daß den Unteroffizieren der Stock genommen wurde, mit dem sie üblicherweise die Soldaten malträtierten [23].
Scharnhorst über seine Zusammenarbeit mit Blücher: »Nie hat eine grössere und innigere Freundschaft und Zutrauen stattgefunden, als zwischen diesem braven und muthvollen Manne und mir.«
Blücher empfahl Scharnhorst des Königs »besondere Gnade […] den vortrefflichen, in jeder Hinsicht vortrefflichen Obersten von Scharnhorst, dessen fester Entschlossenheit und einsichtsvollem Rath ein großer Theil des glücklichen Ausganges seines Mühsamen Rückzuges zugeschrieben werden müsse, indem er gerne bekenne, dass ohne die thätige Hülfe dieses Mannes es ihm kaum zur Hälfte möglich gewesen wäre, das zu leisten, was das Corps wirklich geleistet habe [24].«
»Um das Ehrgefühl im Offizierskorps lebendig zu erhalten, befahl der König, daß die Offiziere regimenterweise zusammenzutreten hätten und vor selbstgewähltem Gericht das Verhalten eines jeden Einzelnen vor und während des Zusammenbruchs selbst abzuurteilen hätten[25].«
Am 1. Dez. 1806 erläßt der König das Publikandum von Ortelsburg: 141 der 143 Generäle sowie weitere hohe Offiziere werden entlassen. Der Kommandant von Küstrin erhält die Todesstrafe [25]. Der König droht mit hohen Strafen für jene Offiziere und Gemeine, die sich einer Schlacht entzögen, versprach aber andererseits: »daß so lange der Krieg dauert, wird der Unteroffizier und Gemeine, wenn er sich durch Gewandtheit und Geistesgegenwart besonders auszeichnet, so gut Offizier wie der Fürst. Nur der, welcher Verbrechen begangen hat, ist vom Offiziersrang ausgeschlossen.«
Der Zopf, Symbol altpreußischer Soldatenzucht, hatte ausgedient und König Friedrich Wilhelm III. war der erste der seinen Zopf abschnitt. Am 25. Juli 1807 berief der König eine Militär-Reorganisationskommission ein. Zum Vorsitzenden der Kommission ernannte er Generalmajor von Scharnhorst [26].
Anhang:
Carl von Clausewitz: »Es ist nicht dieser Einfluß [TV: der Politik auf die Führung des Kriegs], sondern die Politik selbst, die man tadeln sollte. Ist die Politik richtig, d. h. trifft sie ihr Ziel, so kann sie auf den Krieg in ihrem Sinne auch nur vorteilhaft wirken; und wo diese Einwirkung vom Ziel entfernt, ist die Quelle nur in der verkehrten Politik zu suchen [27].«
Gebhard Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstatt am 8. Aug. 1807 in einem Brief an Gneisenau: »grüßen Sie meinen Freund Scharnhorst und sagen ihm, daß ich es ihm ans Herz legte, vor eine National-Armee zu sorgen. Dieses ist nicht so schwierig wie man denkt; vom Zollmaß muß man abgehen, niemand in der Welt muß eximiert sein, und es muß zur Schande gereichen, wer nicht gedient hat, es sey denn, daß ihn körperliche Gebrechen daran hindern. Die einmahl woll dressirten Soldaten müssen zwei Jahr zu Hause bleiben und nur das dritte eintreten, dann ist das Land soulagiert und es fehlt uns nicht an Leuten. Es ist auch eine Einbildung, daß ein fertiger Soldat in zwei Jahren so alles vergessen soll, daß er nicht in 8 Tagen wieder brauchbar wäre. Die Franzosen haben uns dieses anderst bewiesen, unsere unnützen Pedanterien mag der Soldat ganz vergessen.
Die Armee muß in Divisions getheilt werden, die Division von allen Sorten Truppen componiert sein und im Herbst mit einander manövriren.
Die alljährigen Revues müssen wegfallen. Da haben Sie mein Glaubensbekenntnis, geben Sie es an Scharnhorst und schreiben Sie mich beide ihre Meinung. [28].«
Gneisenau wurde nicht zuletzt aufgrund seiner Verdienst um Kolberg am 25. Juli 1807 vom König nach Memel in die von Scharnhorst geleitete Millitär-Reorganisations-Kommission berufen.
Gebhard Leberecht von Blücher im Nov. 1807 in einem Brief an König Friedrich Wilhelm III:
»Zur Übersicht finde ich nötig, hier vorläufig anzuführen, daß die Operationen meines Korps bis zum 28., das ist bis zur Kapitulation der Hohenloheschen Armee auf die Vereinigung beider und die Gewinnung der Oder abzweckten; daß nachher mein ganzes Bestreben dahin ging, durch die Bewegungen meines Korps die französische Macht von der Oder abzuziehen und sie von dem Herzen der preußischen Monarchie zu entfernen, um für die Verproviantierung unserer Festungen und für die Annäherung der noch übrigen preußischen Truppen und der russischen Armee Zeit zu gewinnen.
Daß ich hierin nicht ganz unglücklich gewesen bin, hat der Erfolg bewiesen, da drei französische Hauptkorps, das Muratsche, Bernadotsche und Soultsche, mich umgaben, als ich aller Munition entblößt, mit 9400 Mann zwischen Kiel und Lübeck zu Ratkau kapitulierte[29].«
Abgefaßt wurde der von Blücher unterzeichnete Brief von Scharnhorst.
Quellen:
[ 1] Knoll, Stefan, Preußen Ein Beispiel für Führung und Verantwortung Berlin 2010 S. 342
[ 2] Borkowsky, Ernst, Deutscher Frühling 1813, Berlin 1912, S. 68
[ 3] Wigger, Friedrich, Feldmarschall Fürst Blücher von Wahlstatt, Leipzig 1892, S. 51ff
[ 4] Lettow-Vorbeck, Oscar von, Napoleons Untergang 1815, Berlin 1904, S. 158
[ 5] Streisand, Joachim, Deutschland 1789 – 1815, Berlin 1977, S. 137
[ 6] Knoll, Stefan, a.a.O., S. 354ff
[ 7] Oster, Uwe, Der preußische Apoll, Regensburg 2003, S. 257
[ 8] Wigger, Friedrich, a.a.O., S. 54
[ 9] Borkowsky, Ernst a.a.O. S. 59
[10] Wigger, Friedrich, a.a.O., S. 55
[11] ebd. S. 60
[12] Streisand, Joachim, a.a.O., S. 138
[13] Nettelbeck, Joachim, Ein Mann Des Seefahrers und aufrechten Bürgers Joachim Nettelbeck wundersame Lebensgeschichte von ihm selbst erzählt, München 1910, Kap 26
[14] Streisand, Joachim, a.a.O., S. 138
[15] Wittje, G., Die wichtigsten Schlachten, Belagerungen und beschanzten Lager vom Jahre 1708 bis 1855, Leipzig/Heidelberg 1861, S. 108
[16] Streisand, Joachim, a.a.O., S. 140
[17] van Taak, Merete, Zar Alexander I., Tübingen 1983, S. 209
[18] www.koenigin-luise.com, Politische Schriften, Aufgerufen am 16.4.2016
[19] Wittje, G., a.a.O., S. 111ff
[20] von Rimscha, Hans, Geschichte Russlands, Darmstadt 1970, S. 418
[21] Borkowsky, Ernst a.a.O. S. 80
[22] Fenske, Hans, Freiherr vom Stein, Darmstadt 2012, S. 37
[23] Wigger, Friedrich, a.a.O. , S. 38f
[24] ebd. S. 61
[25] Wiegrefe, Klaus, „Die gute Revolution“ in Der Spiegel 33/2007 S.36
[25] Kaiser Wilhelm II., Meine Vorfahren, Berlin 1929, S. 153
[26] Borkowsky, Ernst a.a.O. S. 104
[27] Clausewitz, Carl von, Grundgedanken zu Krieg und Kriegführung, Leipzig 1915
[28] Hrg.: Capelle, Wilhelm, Briefe des Feldmarschalls Blücher, Leipzig 191?, S. 21f
[29] Kohl, Horst, Blüchers Zug, Leipzig 1912, S. 5